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„Full Metal Jacket“ ist ein packender Antikriegsfilm, der die von Stanley Kubrick gewohnten satirischen Untertöne trägt.
Zentrale Figur des Films ist ein junger Mann (Matthew Modine), der sich zur Zeit des Vietnamkrieges als Rekrut meldet und Marine werden will. Er erhält von seinem Ausbilder Gunnery Sergeant Hartman (R. Lee Ermey) den Spitznamen Joker und findet sich in diese Rolle hinein. Er macht Witze, die das Geschehen intelligent und kritisch kommentieren. Seine Erlebnisse begleitet der Film und schließlich wird Joker zum Zuschauer auch zum Erzähler, der mit Off-Kommentaren das Geschehen begleitet.
Die erste Hälfte des Films spielt im Ausbildungslager Parris Island, wo Hartman mit eiserner Hand ausbildet. Er will die Rekruten schleifen und zum Töten drillen, wofür ihm jedes Mittel recht ist: Beleidigungen en masse, körperliche Gewalt und Erniedrigung sind an der Tagesordnung. Zwischen ihm und Joker entsteht ein seltsames Verhältnis: Beide spüren sowohl Respekt als auch Verachtung für den anderen, was immer wieder zum Kräftemessen führt. Doch nicht alle sind dem Drill so gut gewachsen wie Joker.

Die zweite Hälfte führt Joker (und den Zuschauer mit ihm) schließlich nach Vietnam, wo Joker als Kriegsberichterstatter für die Zeitschrift „Stars and Stripes“ arbeitet. Er bekommt das Grauen des Krieges hautnah zu sehen, erkennt die Absurdität des Ganzen und empfindet trotzdem eine gewisse Aufregung und Begeisterung für den Krieg…
„Full Metal Jacket“ funktioniert hervorragend als Antikriegsfilm und das ohne moralischen Zeigefinger. Stattdessen kehrt Kubrick den Satiriker raus und zeigt dem Zuschauer die Absurdität in durchaus komischen Bildern, die trotz aller Grausamkeit des Krieges zum Lachen anregen: Die Marines marschieren durch brennende Ruinen und singen dabei den Titelsong des Mickey Mouse Club, Hartman reist unglaubliche fiese Sprüche, die auf vulgäre Art pointiert sind usw. Ebenfalls pointiert sind die frechen Sprüche Jokers.
Dennoch macht sich Kubrick die Sache nicht ganz so einfach: Der Krieg mag als falsch dargestellt sein, aber nicht alle Soldaten sind für ihn schlecht. Viele wissen gar nicht wofür sie eigentlich kämpfen, wie z.B. die Interviewsequenz nach einem Gefecht zeigt. Einige sind sicherlich krank und mordlustig, wie z.B. der auf wehrlose Bauern schießende Doorgunner im Hubschrauber, aber andere wie z.B. Joker sind Identifikationsfiguren. So erleben wie auch Jokers moralisches Dilemma, der sich den Krieg ganz anders vorgestellt hatte (endlich mal jemanden abknallen dürfen) und als er am Schluss des Films das erste Mal wirklich selbst töten soll, hat er Schwierigkeiten.

Dabei ist „Full Metal Jacket“ spannend und fesselnd, selbst bei mehrmaligem Ansehen. Gespannt verfolgt man Jokers Entwicklung, die verschiedene Episoden aus seiner Ausbildung und dem Kriegsgeschehen umspannt. Längen gibt es keine, auch wenn Kubrick das Proletentum der Soldaten vielleicht teilweise etwas übertreibt (z.B. das Wortgefecht zwischen Animal Mother und Joker). Die deutsche Synchro ist klasse, sogar noch einen Tick besser als der O-Ton, weil Hartmans Stimme noch etwas charismatischer ist.
Die Inszenierung ist ebenfalls hervorragend, auch wenn Kubrick im punkto Ausstattung geringe Schnitzer unterlaufen. Dies liegt wohl daran, dass er den Film in England drehte und ein mit Tropenbäumen bepflanztes Fabrikgelände Vietnam doubelt. Grund hierfür war Kubricks Weigerung zu Fliegen, denn er hatte einen Unfall gehabt als den Pilotenschein machen wollte und wollte von da an sein Leben nur ungern Leuten anvertrauen, die weniger Perfektionist waren als er selbst. Doch die winzigen Mängel in der Ausstattung fallen kaum auf und ändern nichts an der inhaltlichen Brillanz.

Die Szenen auf den Schlachtfeldern zeigen das Kriegsgeschehen in krasser Form, nehmen aber gar nicht soviel Raum ein. Doch die Gefechte werden fesselnd und schonungslos erzählt, wobei vor allem finale Begegnung der Marines mit dem im Hinterhalt liegenden Heckenschützen mitzureißen versteht. Zwar bieten die Gefechte auch einiges an Schauwerten, verkommen aber nie zu vordergründiger Action.
Matthew Modine dürfte hier die wohl beste Leistung seiner Karriere abliefern, aber er hat auch einige exzellente Nebendarsteller an seiner Seite. Vincent D’Onofrio als Private Paula ist genial und R. Lee Ermey (früher auch im realen Leben Armeeausbilder) dürfte sich jedem ins Gedächtnis prägen. Auch die restlichen Darsteller, wie z.B. Adam Baldwin als Animal Mother, sind klasse.

Alles in allem ist „Full Metal Jacket“ trotz geringer Schwächen ein famoser Antikriegsfilm. In meinen Augen Kubricks bester Film.

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