LA DOLCE VITA sollte eigentlich - jenseits allen cineastischen Vorwissens - unbedingt einer Wiederentdeckung würdig sein, denn einen zeitloseren Film kann ich mir kaum denken.
Auf Inhaltlicher Ebene hat er nun schon vor über 40 Jahren die Eckpfeiler unserer modernen, tja, nennen wir´s: "Gesellschaft" treffend ironisch-sarkastisch beschrieben. Der Starkult, die Drogen, die Suche und Sehnsucht nach Individualität und die letztliche totale Leere der modernen Zeit.
Der Starkult hat eher noch zugenommen und drängt via obskurer TV-Talentshows in die unmittelbare Nachbarschaft und das Private. Gleichzeitig ist jeder gesellschaftliche Bereich stets auf der Suche nach dem neuesten Star, dem neusten Gesicht und - nicht zu unterschätzen: nach dem neuesten Absturzopfer.
Scheint im Rom der späten 50er einzig Alkohol die trostspendende Droge zu sein, streiten sich die Sinnbetäuber unterdessen alle paar Jahre um die aktuelle Gunst der Konsumenten. Alkohol und Cannabis werden als Drogen da kaum noch wahrgenommen so selbstverständlich sind sie.
Spiritualität, im Film so eindringlich mit dem Menschenauflauf angesichts des angeblichen Erscheinens der Madonna vor zwei Kindern beschrieben, hat seitdem an Popularität auf allen Feldern und unter allen Schichten und Geschlechtern zugenommen. Seien es eine Vielzahl religiös-esoterische Zirkel, Sekten oder Gemeinden oder seine es wöchentlich neue
Diäten, Fitnessprogramme, Körper- oder andere Kulte.
Die Leere und Einsamkeit inmitten unsere ach so freien Lebens (das ja z.B. einem stromlinienförmigen in einer Diktatur meilenweit überlegen sein soll) hat eher zu- als abgenommen. Vernachlässigungen an den eigenen Familienangehörigen gehören ebenso dazu, wie mit den neuesten technischen Errungenschaften vollgemüllte Wohnungen und der Unfähigkeit zur Kommunikation.
Es liessen sich sicher noch zahlreiche und besser begründete Beispiele für die Universaltität und das Prophetische dieses Films finden. Aber das sollte man den Studenten überlassen. Ich empfehle nur, diesen Film als so zeitgemäß wie jeden aktuellen Film zu betrachten und ihn als Denkanstoss über die fortgesetzten Humbug unseres Daseins in der Moderne zu nutzen.
Und ganz nebenbei:
Wie es Fellini immer schafft, eine Filmszene aufzubauen, sich darin wie schwerelos, manchmal scheints sogar, wie unbeteiligt zu bewegen und dann immer wieder mit grellen oder ganz zarten Einstellungen uns den Spiegel und die Wahrheit hinter dem schönen Schein vorzuhalten, dass hat ihm nie einer nachmachen können. Nie. Er selbst hat diese Fähigkeit später oft übertrieben, oft in Manie abgleiten lassen, aber in LA DOLCE VITA erstrahlt diese Kunst lichterloh und unzählige dieser filmischen Tableaus brennen sich auf immer in das eigene Kinounterbewußtsein.