"Er sah sich selbst als loyaler Südstaatler und Guerilliakämpfer in einem Bürgerkrieg der niemals endete. Er bereute weder seine Raubüberfälle noch die 17 Morde, zu denen er sich bekannte."
„Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ beschreibt die letzten Lebensjahre des berüchtigten Bandits, seiner Familie, dem Kennenlernen Robert Fords sowie dem Twist James' der Welt und den Personen nicht mehr zu trauen. Wider Erwarten steht nicht Jesse James im Vordergrund sondern sein Mörder Robert Ford mit dem die Handlung geschlossen wird.
Der Film ist weniger Western, mehr Drama, bedeutet der Anteil an Action ist sehr klein gehalten bzw. beschränkt sich auf den einleitenden Raubüberfall auf einen Zug. Danach geht es gemächlicher zu, Inhalt und Dialoge stehen in der Charakterstudie im Vordergrund. Dies könnte denjenigen die einen klassischen Western mit ordentlichen Schießerein erwarten unangenehm auffallen. Die Argumentverstärker werden nur sehr selten und ohne viel Aufwand anwendungskonform benutzt.
Bei der Laufzeit von knapp zweieinhalb Stunden sind die ersten 2 Stunden äußerst langatmig geraten. Ereignislos plätschert die Geschichte um die beiden "Helden" vor sich her. Es fehlt an Abwechslung und einer sich aufbauenden Spannungskurve. Zu keiner Zeit wird am Tempo oder der Dramatik geschraubt, auch die Figuren bleiben verhältnismäßig blass und entwickeln sich kaum weiter, was bei einer so langen Laufzeit ein echter Minuspunkt ist. Die einzigen Höhepunkte sind die ab und an zu sehenden, recht anschaulichen Landschaften.
Erst in der letzten halben Stunde, ab dem titelgebenden Ereignis, wird die Erzählweise eindringlicher, die Ereignisse überschlagen sich und geben ein anderes Ergebnis, als insbesonders die Figur des Robert Ford erwartet hätte, zuwider. Dessen Erwartungshaltung im Mittelpunkt zu stehen geht nämlich nur für eine kurze Zeit auf. Die Ermordung des Jesse James durch Robert Ford wird eher als ein feiges Attentat gesehen, was ihm zwar kurzzeitig Ruhm aber ebenso Verachtung einbringt. Der gestreckte Epilog endet mit der Ermordung Robert Fords und schließt damit den Kreis um die Ermordung als Helden gefeierten Banditen und eines eigentlich rechtfertigendem, besessenen Aufsteigers.
Aus audiovisueller Sicht wurde nicht viel falsch gemacht. Wenn man sich erst mal an den von Nick Cave ("The Proposition - Tödliches Angebot") arrangierten, melancholischen Soundtrack gewöhnt hat entfaltet sich ein stimmiges Gesamtbild. An der Ausstattung wurde nicht gespart, ebensowenig an einer visuell gelungenen Aufmachung, durch einsame Landhäuser, weitsichtige Schneefelder oder ein spätwestliches Dorf.
Abstriche gibt es bei der Synchronisation, die eine äußerst unpassenden Erzählerstimme vorzuweisen hat. Ebenso beim Drehbuch, das alles andere als lückenlos ausfällt. Da fällt schon mal schnell ein Nebencharakter aus der Handlung aus um später plötzlich wieder dabei zu sein. Auch werden diverse storyrelevante Hintergründe nie geklärt.
Die Darsteller erweisen sich als zwiespältig. Brad Pitt spielt Jesse James zwar glaubwürdig, müde sowie skrupellos, andererseits kann man sichdessen Figur mit seinem Gesicht schlecht vorstellen. Bei Casey Affleck ("Ocean's"-Reihe, "Der letzte Kuss", "Gone Baby Gone") verhält es sich ähnlich. Das 19-jährige Milchgesicht passt einfach nicht zu seiner Ausstrahlung, dies überspielt er allerdings durch eine wirklich flexible Schauspielerei, mal zurückhaltend und weinerlich, mal offensiv und angriffslustig. Sam Rockwell ("The Green Mile", "Per Anhalter durch die Galaxis", "Tricks") hat die dankbare Aufgabe, als Robert's Bruder Charley Ford nicht allzu oft, dafür aber umso präsenter in den Vordergrund zu treten. Sehr Kleinlaut dagegen kommen Mary-Louise Parker ("Die Geheimnisse der Spiderwicks") und Sam Shepard ("Black Hawk Down") daher, wohl verursacht durch die sehr nebensächliche Behandlung ihrer eigentlich wichtigen Charaktere.
Der Western-Biographie mangelt es an vielem. Selbst für ein Drama ist der Inhalt sehr wenig tiefgängig und entfaltet sich viel zu spät. Auch die zu lange Laufzeit ist wenig ansprechend. Die ersten zwei Stunden auf das relevanteste in einer Stunde zusammen gefasst, wäre sicher ergiebiger, möglicherweise sogar temporeicher ausgefallen. Im Bereich des "Neo-Western" zeigt "No Country for Old Men" wie kurze und schnelle Schießereien aussehen können ohne den Dramabereich zu untergraben, "The Proposition" zusätzlich die Flexibilität und Schnelligkeit einer ausschlaggebenden Handlung. „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ ist so nur eine langatmige, ereignislose und unspektakuläre Biographie von Jesse James und Robert Ford mit guter audiovisueller Aufmachung.
3 / 10