Review

03: Umney's Last Case

UMNEY'S LAST CASE

So weit entfernt “Crouch End” vom eigentlichen Zentrum Stephen Kings auch noch entfernt gewesen sein mag, die Essenz von “Umneys Last Case” entspricht ihm exakt. Da gemeinhin die “The Dark Tower”-Serie als Mittelpunkt des Kingschen Universums gilt, verwundert es nicht, dass seine Charaktere mit Privatdetektiv Clyde Umney eine gemeinsame Erfahrung machen: sie alle müssen feststellen, nur erfundene Figuren zu sein.

Es handelt sich um eine Galaxie, die sich um ein schwarzes Loch in der Mitte spiralförmig anordnet, und dieses Loch ist Stephen King selbst. Das selbstreferenzielle Prinzip seiner Werke durchflutet alles, was der Autor je geschrieben hat; autobiografische Partikel finden sich nahezu überall und die Offensichtlichkeit, mit der die meisten Romanfiguren auf ihren Erschaffer verweisen, manifestiert sich in der Tatsache, dass unnatürlich viele von ihnen selbst Romanautoren sind.

So wie eben auch Schriftsteller Samuel Landry aus “Umneys Last Case”, der dem aufstrebenden King der Siebziger Jahre entspricht. Der Kniff an der Geschichte ist der Umstand, dass Samuel Landry, der im Rahmen der Geschichte nichts Geringeres als Gott ist und einem gewissen Clyde Umney - seines Zeichens Privatdetektiv aus den unbestimmten 30er Jahren - offenbart, dass der nur erfunden ist - dabei spricht Stephen King zu Samuel Landry auf die gleiche Weise wie Landry zu Umney. Und alles, was nun geschieht, ist in Hinblick auf Kings Idiographie - seinen historischen Werdegang - und seine Sehnsüchte und Bedürfnisse zu entschlüsseln. King betreibt mal wieder Selbstanalyse.

Für einen einfachen Kurzfilmbeitrag ist “Umneys Last Case” also schon mal ganz schön komplexes Material. Doch Rob Bowman gelingt es überraschend gut, einerseits Vorlagennähe zu erhalten, andererseits die Dialoge nicht dumm klingen zu lassen, das Produktionsdesign ansprechend zu gestalten und das vielschichtige Tauschspiel zwischen einem Schriftsteller der 70er und einem Detektiv der 30er mit dick aufgetragenen Film Noir-Reminiszenzen zu schmücken und doch Verweise auf die neuere Filmgeschichte (“Matrix”) einzubauen.

Wir beginnen in den 30ern, die Existenz eines Samuel Landry noch nicht ahnend. Die ersten Minuten gebraucht Bowman lediglich, um dem Film Noir ausgiebig Tribut zu zollen. Einem superb in einer Doppelrolle aufspielenden William H. Macy zum Dank bekommt man einen in retrospektivem Charme getränkten Comic zu Gesicht, dessen Held selbst mit heruntergelassenen Hosen noch jede Situation unter Kontrolle hat. Mit einem markanten Akzent spielt sich Macy wahrhaft in einen Rausch, den man um so mehr wertschätzt, wenn man später seine kontrastreiche Gegendarstellung als reservierter Landry zu Gesicht bekommt.

Als das makellose Weltbild des Schnüfflers und Frauenhelden dann langsam zu bröckeln beginnt, weil der Erschaffer seiner Welt die eigene Ankunft vorbereitet wie durch die sieben Plagen der Endzeit, so ergibt sich fast im Vorbeigehen ein ironischer Blick auf die Klischees und Mechanismen eines Romans, die nun durch schlichte Veränderung, den “Lauf der Welt” gebrochen wird. Gleichzeitig wird jene Welt als ein Idealtypus romantisiert, den der Autor seiner “realen Welt” gegenüber bevorzugt - er beabsichtigt also, Clyde Umney aus seinem eigenen Revier zu drängen, um anstatt seiner selbst Platz zu nehmen in der eigens kreierten Welt.

Die Parallelen zu “Matrix” sind an dieser Stelle bereits mehr als offensichtlich und werden dann durch den Dimensionsübergang per Laptop auch besiegelt: Der grüne Schein fluoreszierenden Lichts des Bildschirms begleitet Landry in die 30er und umgekehrt findet sich Umney plötzlich begleitet durch ein grünes Licht im Pool seines Erfinders wieder, 40 Jahre in der Zukunft einer anderen Dimension. Landry ist wie Cypher. Er möchte wieder das Steak schmecken, während Umney wie Neo auf die Wahrheit stößt, nur dass er nie die Wahl zwischen roter und blauer Pille hatte.

So faszinierend dieser Diskurs sein kann, in der zweiten Hälfte lässt Bowman die Zügel der Unterhaltung ein wenig schleifen, wenn die “Gegenwart” (also die 70er Jahre) erkundet wird. Der Sprung aus der überspitzten Film Noir-Hommage ins dramatische Fach - in der Realität haben der Schriftsteller und seine Frau schließlich ihren Sohn verloren, weshalb er sich überhaupt erst in seine Fantasiewelt flüchtet - ist ein wenig holprig, wenn auch notwendig. Es gelingt nicht immer, die Tragikomik der Geschichte entsprechend zu transportieren, zumal das kuriose Verhalten der bis dato als vernachlässigt charakterisierten Ehefrau die Erzählung kein Stück weiter bringt. Das vermeidet eine höhere Wertung einer ansonsten überdurchschnittlich guten Folge, die nicht nur einen starken Macy und überzeugende Sets zu bieten hat, sondern auch noch eine facettenreiche Story und - oh Wunder - ansprechende Dialoge.
7/10

Details
Ähnliche Filme