Der englischstämmige Schriftsteller Humbert Humbert (Peter Mason) zieht aus beruflichen Gründen in die USA und findet dort bei der alleinerziehenden Mutter Charlotte Haze (Shelley Winters) eine Bleibe. Auf den ersten Blick verliebt er sich unsterblich in deren frühreife Tochter Lolita (Sue Lyon). Um ihr nahe zu sein, heiratet Humbert sogar Charlotte. Doch nicht nur Humbert, auch der undurchsichtige Clare Quilty (Peter Sellers) scheint Lolita verfallen zu sein.
Wie es ausgeht ist klar: Gleich zu Beginn sieht man, wie ein betrunkener Clare Quilty in seiner heruntergekommenen Villa erschossen wird. Wie es dazu kommen konnte, wird von nun an in einer Rückblende erzählt, die knapp 150 Minuten dauert, aber in der kaum Langeweile aufkommt. Leute, die Angst vor einem dialoglastigen Drama haben, brauchen sich nicht zu fürchten. Denn der Film ist gar nicht so, wie es die Inhaltsangabe vermuten lässt. Kubrick schaffte es, aus der tragischen, scheinbar ausweglosen Geschichte eine Art witzige Gesellschaftsstudie mit vielen schwarzhumorigen Einlagen zu machen.
Die Personen, vor allem Charlotte Haze, spiegeln auf leicht übertriebene Art und Weise das Gesellschaftsbild Amerikas der frühen 60er wieder. Die Eltern meist spießig, die Jugend verlangt nach mehr Freiheiten in Leben und Liebe. Das verpackte Kubrick mit viel Ironie in sein Werk, vor allem in der ersten Stunde gibt es viel zu schmunzeln, etwa wenn Lolita den symbolträchtigen Hulla-Hub Reifen(keine Ahnung, wie man das schreibt) verführerisch um ihre Hüften kreisen lässt, Humbert davon vom Zeitung lesen abgelenkt wird und Charlotte eine schnippische Bemerkung von sich gibt. Anhänger des schwarzen Humors werden vollauf bedient, mit Szenen rund um den Tod von Humberts Frau, der Humbert selber in Wirklichkeit glücklich macht. Geniale Dialoge hierzu gibt es beispielsweise in der Badewannenszene.
Auch aufgrund der Schauspieler kann "Lolita" die ganze Zeit über bei Laune halten. Der Schriftsteller Humbert ist zwar der scheinbar langweiligste Charakter, aber aufgrund seiner Erzählerfunktion unverzichtbar. James Mason spielt ihn hervorragend, muss sich aber dem genialen Nebendarsteller Peter Sellers geschlagen geben, der das Chamäleon Clare Quilty spielt. Shelley Winters spielt die spießige Charlotte überzeugend, über deren Tod man als Zuschauer fast genauso froh zu sein scheint wie Humbert. Die Titelrolle hat jedoch Sue Lyon als verführerische Lolita inne, die so wunderbar aufreizend spielt, dass man ihr selber schon fast zu verfallen droht. Ein Mädel zum anbeißen.
Zu den ganz großen Kubrick-Meisterwerken zählt "Lolita" heute nach allgemeiner Auffassung nicht. Dennoch zeigt er ein wunderbar ironisches Bild der amerikanischen Gesellschaft der damaligen Zeit und besticht durch seinen tiefschwarzen Humor. Die Schauspieler vollbringen Höchstleistungen und machen den Film noch sehenswerter. Leute, die außerdem auf den Skandalfaktor des Film schielen, werden etwas enttäuscht sein, denn nach heutigen Maßstäben ist das fast schon eine normale Thematik in Filmen. Damals aber vieldiskutiert, heute durch die noch besseren Kubrick-Werke ein wenig in Vergessenheit geraten. Ein echter Geheimtipp!