Man lasse Martin Scorsese ein erfolgreiches Drehbuch aus Fernost nehmen und es mit einer hochkarätigen Besetzung für westliche Sehgewohnheiten zurecht stutzen. Da kann eigentlich nicht viel schief gehen, oder? Tatsächlich liefert der Altmeister mit seinem "Internal Affairs"-Remake eine durch und durch fachkundige Arbeit ab. Gut genug, um sämtliche Hollywood-Großproduktionen anno 2006 zu übertrumpfen. Allerdings auch ein Stück weit arg routiniert, als dass er seine bisherigen Werke in den Schatten stellen könnte.
Der gute Mann hat ohne Zweifel ein Gespür für gute Gangstergeschichten. "Departed" reiht sich mit seinem stimmigen Ambiente in die Traditionslinie von "Good Fellas", "Casino" oder "Gangs of New York" ein und entführt uns in ein korrumpiertes Boston der Neuzeit. Ein Schmelztiegel, in dem die Söhne und Enkel irischer und italienischer Einwanderer das Sagen haben und obendrein den langen Arm des Gesetzes infiltrieren. Wer letztendlich auf wessen Seite steht, ist nicht auszumachen. Da haben wir einen William Costigan (DiCaprio), der aus einer Familie voller Kleinkrimineller entwachsen ist und nun seiner Vergangenheit entfliehen will, indem er sich zum Gesetzeshüter aufschwingt. Doch gerade wegen seiner Herkunft ist er geradezu prädestiniert, sich als Undercover-Ermittler in die Unterwelt einschleußen zu lassen. Dort regiert der undurchsichtige und sinistere Frank Costello (Nicholson). Schon ewig wird er von der Polizei verfolgt, nur bisher ist es ihr nicht gelungen, ihn dingfest zu machen. Vielleicht, weil er von einer höheren Instanz gedeckt wird? Fakt ist nur: Er hat den unscheinbaren Colin Sullivan (Damon) bereits im Kindesalter unter seine Fittiche genommen und hat jetzt einen mustergültigen Karriere-Polizisten in seinen Reihen, der ihn fortan über die laufenden Ermittlungen gegen ihn informiert.
Aus dieser Ausgangslage entwickelt sich ein gekonnt inszeniertes Katz-und-Maus-Spiel, in dem jede Figur eine Rolle in einer perfiden Schachpartie übernimmt, bei der letztendlich keine Seite endgültig matt gesetzt werden kann. Denn schließlich kann es in diesem Milieu kein Gut und Böse, kein Schwarz und Weiß geben. In diesem Szenario sind Vertrauen und Loyalität nur leere Worthülsen. Jeder ist sich selbst der nächste - kein Wunder, dass es am Ende der knapp zweieinhalbstündigen Spielzeit keinen Gewinner geben kann.
Bis zu dieser Erkenntnis ist "Departed" ein spannendes - und bisweilen auch ein brutales - Erlebnis. Mit einigen Abstrichen in der B-Note wohlgemerkt. Während Scorsese Leinwandepen "Good Fellas" und "Casino" ihre Coolness allein schon aus den Epochen, in denen sie spielten, bezogen, ist "Departed" mit zahlreichen Schimpftriaden gespickt, die tough wirken sollen, im Endeeffekt aber eher zum Schmunzeln animieren. Einen Staff Sergeant, wie ihn Mark Wahlberg mimt, kann man geistig nicht für voll nehmen. So viele "Schwänze", die seiner Meinung nach "gelutscht" werden sollen, kann selbst eine Großstadt wie Boston schon fast nicht mehr aufbringen. Und auch Nicholson, der in diesem Streifen endlich wieder einen Bad Boy übernehmen durfte, versucht permanent das Spiel an sich zu reißen und konnte Scorsese so weit bequatschen, dass dieser bereit war, einige seiner skurrilen Einfälle zu verwursten. Ob Nicholsons Dildoattacke im Pornokino als denkwürdiger Moment im kollektiven Gedächtnis verankert bliebt, diese Frage muss jeder für sich beantworten.
Ansonsten bemüht sich der Cast, das kriminelle Moloch mit Leben zu füllen. Trotz seiner Eskapaden beweist Jack Nicholson, dass er die fiese Tour noch drauf hat. Leonardo DiCaprio ist ja beinahe zu Scorseses DeNiro-Ersatz und Leibeigenen mutiert und liefert eine gewohnt starke Vorstellung ab. Und auch Martin Sheen und Alec Baldwin kamen rechtzeitig aus ihren Löchern gekrochen, um sich von ihrer besten Seite zu präsentieren. Vera Farmiga als zwischen den Stühlen sitzende Polizeipsychologin und Ray Winstone alias Mr. French sind weitere Erscheinungen, die positiv zu würdigen sind. Allenfalls Matt Damon fällt mit seiner reichlich emotionslosen Art etwas ab, ein Fleißkärtchen darf man ihm aber dennoch bescheinigen.
Fazit: "Departed" ist ein starker Film in typischer Scorsese-Marnier. Opulent verpackt, großartig besetzt und episch ausgeschlachtet. In diesem Fall etwas zu episch, aber dies sei dem Maestro verziehen. Ein Streifen, der seine Vita um ein weiteres Glanzstück ergänzt, ihr aber nicht das I-Tüpfelchen aufsetzt. Ob Scorsese das - angesichts seiner bisherigen Taten - noch nötig hat, steht jedoch auf einem anderen Blatt. (8/10 Punkte)