Review

Filmen, deren jede Szene einem bis ins letzte Detail durchstilisierten Gemälde gleichen, kann ich normalerweise sehr viel abgewinnen. Es gab bis jetzt kaum einen Film, der mich mit opulenten, aber geschmackvoll präsentierten Bildern nicht gepackt hat. Doch wo Der Herr der Ringe sich im visuellen Größenwahn immer noch in letzter Sekunde zurückhalten konnte und deshalb in meiner Gunst recht hoch steht, schießt 300 weit über's Ziel hinaus. Dass das Wort "optischer Overkill" nämlich eine durchaus negative Seite hat und nicht in permanenter Gänsehaut resultieren muss, zeigt Snyders neuester Film.

Dabei bringt 300 in dieser Hinsicht so viele gute Anlagen mit: Die Comicvorlage aus Millers Hand, der bekanntlich ein feines Spür für wirkungsvolle Szenen hat, ein Budget, das feinste CGI-Effekte von vorn bis hinten erlaubt und jede Menge eingeölte, halbnackte Männer in Windeln. Gut, letzteres wirkt im Nachhinein irgendwie unfreiwillig komisch, beim Betrachten des Films jedoch (zumindest in seiner cineastischen Wucht) stört dieses angeblich homoerotische Detail nicht. In einigen Szenen wirkt das Geschehen dadurch sogar noch direkter, martialischer, brutaler. Leider nur selten. Denn der Bombast dieses Schlachtfestes steht sich selbst im Weg.
Zum Einen gibt es da das Problem, dass der heutige Kinogänger einfach schon zu viel gesehen hat, um noch leicht in Erstaunen versetzt werden können - diese Feststellung trifft zumindest auf das vorherrschende "Mehr, mehr, mehr" der Filmindustrie zu, die immer noch einen draufsetzt, die Effekte noch großartiger, die Statistenzählen noch unmäßiger, den Score noch übertriebener. Dieses überreife Gemisch verfault beim Ansehen zu vergorener Schalheit. Dass dem überreizten Auge dann gerade einfache, minimalistische Szenen die größte Wirkung bieten könnten, fällt offensichtlich nur wenigen ein. Denn zum Anderen setzt Snyder das grotesk Überladene nicht mit wirklichen Atempausen ein, wie es sonst selbst im dicksten Blockbuster üblich ist (über den Erfolg mag man streiten), sondern hetzt gleich wieder die nächste Schlachtszene auf den Zuschauer - mit noch größeren, noch hässlicheren Feinden und noch mehr Blut. Ich hätte nie gedacht, dass ich den vorigen Satz jemals schreiben würde. Gerade, weil ich ein solches Non-stop-Spektakel erwartete, ging ich ins Kino. Und tatsächlich zeigte der Blutrausch, der sich da austobte, teilweise echte Wirkung. Nur viel zu selten! Denn es bietet sich einfach zu wenig Abwechslung (die Story gibt's vor), außerdem schwächen die computergenerierten Bilder einiges ab. Ja, man kann damit unwirkliche, mächtige Bilder schaffen. Aber im Gemetzel nervt's tierisch. Hier wurde mir der Film tatsächlich zu künstlich. CGI-Blut wirkt einfach nicht. Es wirkt zu gemalt. Ja, genau dieser Effekt war wohl beabsichtigt. Nur setzt sich der Film damit in große Distanz zum Zuschauer, wird zur reinen Schau und geht kein bisschen nah. Damit aber wirkt jeder noch so ausgewalzte Schlachtrausch nichtig (wohl ein Grund für die recht niedrige FSK-Freigabe). Unbeteiligt saß ich vor der Leinwand, als Liter von Blut durch die Luft spritzten, Körperteile flogen und sich Leichenberge auftürmten. Das sollte eigentlich nicht passieren.
Ebenfalls zu den Gründen dieser ungesunden Distanz des Films zum Zuschauer gesellen sich die im Übermaß eingesetzten Zeitlupeneffekte, fehlende Identifikationsfiguren, platteste, bis zum Erbrechen wiederholte Sätze voll pathetischen Schwachsinns (der im Gegensatz zum augenzwinkendern Pathos in Sin City durch seinen bierernsten Charakter jeglichen Charakter verliert) und geklaute Bilder (über Der Herr der Ringe-artige Großaufnahmen der anrückenden Horden, die noch zufällig daran erinnern könnten, bis zu einer dreistest gestohlenen Szene aus Gladiator). Gerade bei den absichtlich künstlich gehaltenen CGI-Bildern ist Originalität unerlässlich (dazu gleich mehr). Genauso ausgelutscht ist der Soundtrack. Bis auf wenige Stellen mit Hardrock-Einlagen, die durchaus erfrischend waren, bekommt der lauschende Betrachter nichts als Filmmusik-Klischees auf die Ohren. Vor allem das völlig übertriebene, orientalisch angehauchte Frauenheulen geht hier manchmal verdammt auf den Senkel. Das darf nicht falsch verstanden werden. Gerade dieses ergreifende Hauchen verursacht bei mir - gezielte, moderate Verwendung vorausgesetzt - immer wohlige Schauer. Aber seit den zimmerschen Klangeskapaden in Gladiator, dort größtenteils wirkungsvoll, wird dieses wunderbare musikalische Element nur noch vergewaltigt.

Warum dann kein Totalreinfall? Weil Snyder es doch schafft, originelle Szenen zu bieten. Dabei denke ich durchweg an die Darstellung der Perser, die in ihrer orgiastischen Übertriebenheit herrlich stimmig wirken. Nichts wird ausgelassen, um die abartige Natur der Perser zu verdeutlichen: Missgestaltete Bestien, narbenübersät, mit Klingen statt Händen ausgestattet, dazu ganz doll böse Sexorgien, die (in für Hollywood untypisch freizügiger, aber dennoch recht zugeknöpfter Weise) zu satanischen Ritualen verklärt werden und ein Großkönig, der uneingeschränkter Star auf dem Christopher Street Day wäre - hier gibt's Ungewohntes auf's Auge, das seine überreizende Wirkung im Gegensatz zum Großteil des Films zu entfalten vermag.
Diese polarisierende Darstellung, die hier die heroischen, edlen, reinen Spartaner, die bis zum Tode kämpfen, und dort die missgebildeten, fremdartigen und durch und durch verschlagenen, aber auch feigen Perser zeigt, hat ja bereits für einige Diskussionen gesorgt. Ohne hier großartig darüber reden zu wollen, lässt sich feststellen, dass Snyder wohl keine eindeutigen Absichten hatte, was sie Botschaft des Films anbelangt. Miller hingegen verliert bei mir an Ansehen für diesen immerhin konsequenten, aber auch sehr bedenklichen Blödsinn (zum Glück zeigt er sich sonst weniger idealistisch verbrämt). Da 300 jedoch ein völlig realitätsfernes Spektakel ist (gerade in historischer Hinsicht), sollte man hier mit Propagandavorwürfen vorsichtig sein. Denn so leicht und vor allem glaubwürdig lassen sich dann ideologische Ansichten (die man im Film - gewollt oder nicht - durchaus erkennen kann) aus dieser Comicverfilmung nicht auf das wirkliche Leben übertragen (dass diese aus der tatsächlichen Geschichte übernommen wurden, ist mir dabei bekannt).

Was im Trailer grandios und vielversprechend wirkte, verliert sich auf Spielfilmlänge ausgewalzt in schlichter Gleichgültigkeit. Die Videoclipästhetik ist nun einmal eindeutig unpassend, wenn sie über den Kurzfilm hinausgeht und ununterbrochen durchgehalten wird. Schade eigentlich, aber immerhin weiß ich nun, dass diese Vermutung, der Snyder trotzen wollte, tatsächlich wahr ist: Das, was den Film eigentlich so besonders machen sollte, lässt ihn über weite Strecken in emotionsloser Belanglosigkeit versinken. Einige Szenen hingegen zeigen die brutale Sogwirkung, die der ganze Film verspricht. Andere eröffnen surreale Fremdartigkeit. Diese sehr gelungenen Glanzlichter retten 300 auf eine schwache Durchschnittswertung.

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