Ein frühes Werk von Frantisek Vlácil, der mit MARKETA LAZAROVÁ einen meiner Lieblingsfilme gedreht hat.
In HOLUBICE geht es, wie der Titel schon andeutet, um Tauben. Genauer gesagt um eine bestimmte Brieftaube, die zu Beginn des Films in Belgien auf ihre Reise geschickt wird. Ihr Ziel ist ein Küstenort irgendwo in Friesland, doch kommt sie vom Weg ab und landet in Tschechien, wo ein Künstler, der eine Freundschaft mit einem im Rollstuhl sitzenden Jungen unterhält, das verletzte Tier bei sich aufnimmt. Von nun an pendelt der Film zwischen dem Aufenthaltsort der Taube und ihrem eigentlichen Bestimmungsort hin und her, denn an der Nordsee wartet ein Mädchen auf seine Taube, als ob es sich bei ihr um ihren Geliebten handeln würde. Vlácil verbindet die beiden Handlungsebenen nur durch die Kunst, wenn der Künstler, der herausgefunden hat, dass es sich bei dem Vogel um eine Brieftaube handelt, dem Mädchen ein von ihm gemaltes Bild der Taube zukommen lässt, um es zu versichern, dass ihr nichts zugestoßen ist. Eine Handlung im engeren Sinne gibt es nicht. HOLUBICE ist ein Film voller Symbole, die zwar leicht zu durchschauen sind, nichtsdestotrotz äußerst poetisch in Szene gesetzt wurden. Sowohl der Junge im Rollstuhl als auch das wartende Mädchen verbindet die Suche nach ihrer eigenen Persönlichkeit, die Suche nach Freiheit, und beide erreichen ihr Ziel, so wie die Taube am Ende, die einerseits als Sinnbild für die innere Krise der beiden Protagonisten gesehen werden kann als auch als das Mittel, mit dem sie schlussendlich zu sich selbst finden. HOLUBICE ist unkonventionell, steckt voller Ideen und zeigt vor allem in zwei Traumszenen seine Nähe zum Surrealismus. Trotzdem verliert er seine Bedeutung dabei nie aus den Augen: jedes Symbol hat seinen Zweck, jede Szene sagt etwas aus, nichts scheint zufällig zu sein. Schlussendlich ist Vlácil vor allem ein Film gelungen, der über seine Bilder spricht – Dialoge bekommt man kaum zu hören. Visuell ist er nicht so opulent wie Vlácils spätere Mittelalterepen, trotzdem hat mir jede Szene, Kamerafahrt und vor allem die Schlusseinstellung außerordentlich gut gefallen.