Review

Der überstrapazierte Begriff "Kultfilm" ist hier ausnahmsweise einmal zweifelsfrei angebracht. "Artemis 81", aus der Feder von David Rudkin, eine ursprünglich im Jahr 1981 erstmals augestrahlte BBC Produktion, ist eine der seltenen, obskuren Perlen, welche das Herz von Filmliebhabern höher schlagen lassen. In der ofdb zutreffend unter den Genres "Drama" und "Science Fiction" geführt, sollen die zahlreichen Mystery- und - je nach Perspektive - Horrorelemente nicht unerwähnt bleiben. Zwar sieht man "Artemis 81" das Alter deutlich an, jedoch wirkt sich dies mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Erstausstrahlung nicht negativ auf die Rezeption aus (welche für mich anno 2007 das Vergnügen der erstmaligen Sichtung bedeutete).

Sowohl die Besetzung, als auch die Story ist ohne Übertreibung als außergewöhnlich zu bezeichnen. Das Ensemble ist bis in die Nebenrollen sehr passend gewählt. Erwähnenswert ist u.a. die Beteiligung von Sting und Ingrid Pitt, sowie die ausgezeichneten Leistungen aller Darsteller - allen voran Hywel Benett und Dinah Stabb. Der ominöse Soundtrack von Progressive-Rock Ikone Dave Greenslade ist für die Handlung sehr passend und gelungen. 

Zum Inhalt: Gideon Harlax ist ein Romanschreiber, der dem Übernatürlichen sehr zugeneigt ist. Der Raub einer mysteriösen Figur aus einem Museum und nicht weniger mysteriösen Todesfällen in diesem Zusammenhang liefern ihm Grund für entsprechende Recherchen. Seine Lebensgefährtin, die Musikerin Gwen Meredith, macht dabei die Bekanntschaft eines berühmten, aber gleichwohl sonderlichen Organisten, Albrecht von Drachenfels, der sich das Opfer einer apokalyptischen Prophezeihung wähnt. Indes dräuen uralte Mächte, die Menschheit in ihrer Auseinandersetzung zu verschlingen...

Der Film beginnt mit einer Sequenz, welcher grundsätzlich die Atmosphäre vorwegnimmt, in welche die rätselhafte - wenn nicht surreale, dann zumindest äußerst bizarre Handlung - getaucht ist. Unter den Zwillingssonnen eines fremden, unwirklichen Planeten, am Strand eines dampfenden Ozeans, begegnen sich zwei perfekt gegensätzliche Gestalten, um die versteinerte Figur einer alten Frau zu beschwören. Die beiden Brüder Helith und Asrael stellen die archetypische Verkörperung von Gut und Böse dar, während die Statue eine heidnische Muttergottheit repräsentiert. Beide buhlen darum, dass sich die Gottheit für einen von ihnen entscheiden möge und somit das Schicksal der Menschheit zu besiegeln.

Schnitt. Der Zuschauer findet sich auf einer Nordseefähre in der irdischen Gegenwart des Jahres 1981 wieder. Nicht weniger enigmatisch wird der Zuschauer nun an die menschlichen Protagonisten herangeführt, deren Leben auf schicksalhafte Weise verbunden ist. Bilder und Dialoge strotzen nur so vor mythischen und mystischen Referenzen. Was folgt sind drei Stunden, in denen sich eine gehaltvolle, klischeefreie, äußerst inspirierte Geschichte entfaltet. Diese fordert die Bereitschaft des Zuschauers, sich auf eine Handlung einzulassen, welche zunehmend rätselhafter wird und möglicherweise die Geduld des einen oder anderen auf eine Probe stellt. Nur langsam laufen manche Fäden zusammen und viele Aspekte bleiben bei der ersten Sichtung gar völlig undeutbar.

Obwohl "Artemis 81" in keiner Weise damit für sich wirbt, wirkt der Film oft wie eine Umsetzung der Literatur von H.P. Lovecraft. Doppelt ungewöhnlich ist daran, dass es zum einen keine (oder kaum) vordergründige Verweise gibt, sondern der Film vielmehr  en passant  zahlreiche Themen, Symbole und Motive des kosmischen Grauens von Lovecraft aufgreift; zum anderen ist dies derart gelungen, dass der Film - anders als viele Filme, die mit dem Namen des Meisters werben - inhaltlich und stilistisch auch wirklich nahe an die lovecraftsche Literatur herankommt. Inwiefern dies beabsichtigt war, oder die kreativ Verantwortlichen lediglich unbewußt inspiriert wurden, lässt sich nicht pauschal beantworten. "Artemis 81" ist die wohl beste (mir bekannte) Lovecraft Verfilmung, die - paradox wie es klingt - möglicherweise gar keine sein will.

Fazit: "Artemis 81" stellt Unterhaltung dar, wie man sie heute nicht mehr geboten bekommt. Obwohl man dem Film produktionstechnisch den damaligen TV-Maßstab ansieht, schafft er es dennoch, den bereitwilligen Zuschauer von Anfang bis Ende (der immerhin dreistündigen Spielzeit) völlig in seinen Bann zu ziehen. Das liegt sicherlich nicht zuletzt daran, dass der Film zu einer Zeit entstand, als es den Begriff CGI noch nicht einmal gab. Dafür bietet er Schauspieler, die noch wie "echte" Menschen wirken (und nicht wie geklonte Supermodels aus irgendeiner Casting-Schmiede) und deren Rollen man einen Tiefgang zugesteht, wie er heutzutage leider nicht mehr üblich ist. Dazu kommt eine fantastische Atmosphäre, die wohl auch den auf natürliche Weise beeindruckenden Drehorten in Dänemark und im United Kingdom geschuldet ist, letztendlich aber vor allem durch intelligente inhaltliche Zusammenhänge überzeugt. Natürlich könnte man auch bei "Artemis 81" das Haar in der Suppe suchen. Ich sehe jedoch von meiner Seite aus keine Veranlassung, wegen marginaler Kritikpunkte von der Höchstnote abzusehen. 10 / 10 Punkten!

Details
Ähnliche Filme