ACHTUNG ! SPOILER !„
"Eine Trauergemeinde steht am Grab eines früh Verstorbenen. Plötzlich öffnet sich der Sarg. Dem Mann, der die Totenrede hält, erstirbt das Wort im Munde und das Leben in den Adern. Die „Leiche" hat ihn erschossen. Und sie schießt weiter - aus allen Rohren und auf alles, was sich bewegt. Denn Paul Riviere, Spezialagent der französischen Abwehr, hat mit dem großen Aufräumen begonnen. Sein Gegenspieler ist ein ganz übler Schurke. Dr. Kung, Chef einer grausamen chinesischen Geheimsekte, die die Welt erobern will. Mit einer neuen Wunderdroge, die Menschen willenlos macht. Hong Kong, New York, Paris - die Hetzjagd führt über den ganzen Erdball und durch die Betten schöner Frauen. Denn Paul ist nicht nur ein exzellenter Schütze, sondern auch ein Schürzenjäger par Excellence. Und wo seine Fäuste versagen, da hilft ihm sein Charme weiter. Da wird sogar eine geheimnisvolle, superschöne Chinesin schwach, die letzte Geheimwaffe, die Dr. Kung einsetzt, ehe ihn Paul schachmatt setzt."
Dieser euphorischen Zusammenfassung der Handlung auf dem Cover der „Mike Hunter" VHS ist im Grunde nicht viel hinzuzufügen. Vielleicht noch dies: Bei der angesprochenen „Wunderdroge" handelt es sich um das allseits bekannte „Acidoribonucleico" (ja, klar!), einer Droge zur „Gedächtnisverpflanzung".
DER SAR BLEIBT HEUTE ZU, diesem „k.o.-thriller im sex-rhythmus", bescheinigte der Filmdienst nach seiner Uraufführung 1967 ein „unsympathischer Actionfilm" mit einer „inhumanen Grundtendenz" zu sein. Mit solchen Urteilen wird man dem Film sicher nicht gerecht. Er war zu seiner Zeit als Mainstream-Unterhaltung sicherlich kaum tauglich, aus heutiger Sicht aber ist er zumindest für Trash-Fans ein echtes Freudenfest. Chaotisch, zerfahren, kontur- und strukturlos, dient dem Film die Jagd nach einer „geistigen Atombombe" dabei lediglich als Aufhänger für eine auf Dauer ermüdende und unerquickliche Abfolge von Prügeleien, Schießereien und Liebeleien. Der geradezu surreale Prolog auf dem Friedhof, der mit der weiteren Handlung nichts zu tun hat, gibt schon mal einen Vorgeschmack auf das, was da noch folgt. In dieser Szene öffnet sich plötzlich der Deckel eines bereits ins Grab herabgelassenen Sargs und Adrian Hoven, in der Rolle des Agenten Paul Riviere, eröffnet lachend das Feuer auf die anwesende Trauergemeinde, darunter Männer in Uniform und älteren Frauen in Schwarz mit Trauerschleier. Es kommt zu einem heftigen Feuergefecht, in dessen Verlauf auch die Frauen plötzlich mit MP's um sich schießen. Zahllose Leichen bleiben zurück, als aus dem Nichts ein Hubschrauber auftaucht und mit einem Seil den Sarg mitsamt Adrian Hoven an den Haken nimmt und damit über Paris davonfliegt. Nach dem Vorspann ist der Superagent dann schon wieder im Einsatz und wälzt sich im Schlamm eines Autofriedhofs, um seinem besten Kumpel, dem Agenten Bruno Nussak (Barth Warren), gegen eine Armada gesichtsloser und identisch gekleideter Asiaten zur Seite zu stehen. So stellte man sich damals wohl die sprichwörtliche „gelbe Gefahr" vor. Auch hier bleiben wieder unzählige Leichen zurück, niedergemäht mit Maschinenpistolen. Und so geht es munter weiter in diesem „Action-Thriller mit schönen Frauen, lockeren Sprüchen, bei dem auch das Lachen nicht zu kurz kommt". So jedenfalls trompetet der Slogan auf der „Mike Hunter" Kassette. Dummerweise sind die auf den komischen Effekt hin angelegten Szenen meist nicht sehr witzig, die komisch gemeinten Sprüche sind bestenfalls infantil und Adrian Hoven's kaum zu ertragendes Overacting, seine bis zur Absurdität zur Schau gestellte Lässigkeit als supercooler Bond für Arme, muss man schon erduldet haben, um es zu glauben. In jeder passenden und unpassenden Situation hat Hoven einen „lockeren" Spruch auf den Lippen, doch wie sagt selbst der Oberbösewicht Dr. Kung an einer Stelle so schön: „Diese Bemerkung war nicht sehr witzig!" Diesem Urteil kann man sich nur anschließen. Und dieser Dr. Kung, dargestellt von Georg Wang, bleibt im Vergleich mit asiatischen Bösewichten aus anderen Filmen doch ziemlich blass und wirkt überhaupt nicht diabolisch. Da ist weder den Drehbuchautoren noch dem Darsteller irgendetwas eingefallen, um diesen Charakter interessant zu gestalten. Statt dessen liegt der Fokus voll und ganz auf den beiden Hauptdarstellern, die sich mit amateurhaft choreographierten Prügeleien durch die Handlung balgen, dabei eine durchaus rassistische Gesinnung an den Tag legen und bis zum Ende natürlich sämtliche bösen Buben zur Hölle schicken. Zwischenzeitlich finden die beiden Superhelden aber auch noch die Muße, um mit großem Hallo und auf ziemlich plumpe Art und Weise SÄMTLICHE Frauen anzumachen, die ihnen über den Weg laufen. Das alles kann man lustig finden, das kann aber auch schnell auf die Nerven gehen. In einer kleinen Nebenrolle verschwendet dann auch noch der vorzügliche Wolfgang Preiss als Dr. Cromwell sein Talent für dieses närrische Treiben.
Mit dieser ermüdenden Produktion, die wohl als Parodie auf einschlägige Euro-Agenten-Abenteuer gedacht sein soll, unterläuft Adrian Hovens „Aquila" Produktionsgesellschaft ihr selbst gewähltes Motto „Aquila - The Way to Perfect Entertainment" mit bemerkenswerter Konsequenz: „Aquila - The Way to Perfect Trash".
Während die meisten Szenen des Films laut IMDb in den „Estudios Moro" in Madrid gedreht wurden, sind einige Außenaufnahmen tatsächlich auch in Hong Kong, Paris und New York entstanden, augenscheinlich mit sehr kleiner Crew und vermutlich meist ohne Drehgenehmigung.
DER SARG BLEIBT HEUTE ZU wurde am 29.09.1967 in der BRD uraufgeführt, war freigegeben ab 18 Jahren und hatte angeblich eine Länge von 2324 Metern = 85 Minuten. Die Videofassung, die bei „Mike Hunter Video" (MH 156) zum einem unter dem Titel IM ZEICHEN DES ROTEN SKORPION und zum anderen als DIE RACHE DES DR. KUNG veröffentlicht wurde, hat eine Länge von 79:36 Minuten was umgerechnet etwa 83 Minuten entspricht. Die VHS hat keinerlei Alterskennzeichnung und ist Weltweit scheinbar die einzige Veröffentlichung dieses Films seit der Kinoauswertung.
Die Filmabtastung für die VHS ist, zumindest in den ersten etwa 10 Minuten, eine ziemliche Katastrophe. Da springt das Format des Bildes permanent hin und her, mal sind die Balken schmal, mal breit und man fragt sich, welcher Amateur hier die Abtastung zu verantworten hatte.
Der Österreicher ADRIAN HOVEN (1922 - 1981) begann bereits in den späten 40er Jahren als Darsteller. Als Sonnyboy des deutschsprachigen Schnulzenfilms der 50er und 60er Jahre in zahllosen Filmen zu sehen, versuchte er sich Ende der 60er Jahre als Produzent und Regisseur von zum Teil erstaunlich ruppigen Exploitation-Filmen zu etablieren, von denen er einige mit der von ihm und Pier A. Caminnecci gegründeten „Aquila Film Enterprises" produzierte. Hin und wieder agierte er dabei unter dem Pseudonym Percy G. Parker, schrieb Drehbücher und wirkte als Darsteller mit. In dieser Zeit trat er auch in einigen von „Aquila" produzierten Jess Franco Filmen auf, war Mitte der 70er Jahre in diversen TV-Filmen und Serien präsent und erlebte eine späte Anerkennung, als Rainer Werner Fassbinder ihn für einige seiner Filme engagierte.
Der Regisseur RAMON COMAS, 1930 als Ramon Comas de Turnes in Tanger geboren, beendete 1953 ein Studium der Architektur und schrieb sich in die 1947 gegründeten Filmschule „Instituto de Investigaciones y Experiencias Cinematográficas" in Madrid ein. Zunächst arbeitete er dort als Regieassistent, bis er 1956 mit „Historias de Madrid" seinen ersten eigenen Film vorlegte. Der Film, eine von der Kritik hochgelobte sozialkritische Komödie, brachte ihm allerdings Probleme mit der Zensur unter General Franco ein und kam daher kaum zur Aufführung. Verschiedenen Quellen zufolge war Jess Franco bei diesem Film für die Musik zuständig und war zudem Regieassistent. Erst einige Jahre später konnte Comas mit „Nuevas Amistades" (1963) seinen nächsten Film realisieren, der ihm erneut Ärger mit der Zensur einbrachte. Da er weitere ambitionierten Projekte nun nicht mehr realisieren konnte, übernahm er die Regie bei Auftragsarbeiten wie DER SARG BLEIBT HEUTE ZU oder „El Padre Coplillas" (1968), zugleich sein letzter Film als (Kino)Regisseur. Zwischen 1974 und 1992 arbeitete Comas dann gezwungener Weise ausschließlich für das spanische Fernsehen. *
Aus der Werbung:
A motion picture completely different from any you have ever seen before! (Trailer)
* Quelle: Augusto M. Torres: Directores Espanoles Malditos