“Pauline Delos ist mir zum ersten Mal auf einer jener unendlich wichtigen Partys begegnet, zu denen Earl Janoth alle zwei bis drei Monate einlud – ausgewählte Mitarbeiter, persönliche Freunde, diskrete Millionäre und öffentlichkeitssüchtige Nobodys, in beliebiger Reihenfolge. An diesem Abend hatte er die Gäste in sein Haus in den East Sixties gebeten. Und obwohl es sich streng genommen nicht um eine öffentliche Veranstaltung handelte, ließen sich während der zwei bis drei Stunden mehr als hundert Besucher dort blicken. Ich selbst kam in Begleitung von Georgette; man stellte uns sofort Edward Orlin von Futureways vor – und anderen Anwesenden, die unschwer als Teile des Teams zu erkennen waren. Pauline Delos kannte ich bisher nur dem Namen nach. Zwar gab es kaum jemanden in der Firma, der nicht schon eine ganze Menge über diese Dame wusste, doch die allerwenigsten hatten sie tatsächlich zu Gesicht bekommen – und es gab fast niemanden, der sie auf einer Veranstaltung gesehen hatte, bei der auch Janoth zugegen war. Sie war groß, eisblond und umwerfend. Dem Auge bot sie nichts als pure Unschuld, doch die Instinkte witterten heiße Erotik, und der Verstand spürte die Nähe der Sünde. «Earl hat noch vor einer Minute nach Ihnen gefragt», sagte Orlin. «Er will Sie wohl jemandem vorstellen.» «Ich bin aufgehalten worden. Soeben habe ich zwanzig Minuten mit Präsident McKinley geplaudert.» Miss Delos wurde offenbar neugierig. «Mit wem, sagten Sie?» «William McKinley. Unser vierundzwanzigster Präsident.» «Ich weiß», sagte sie und lächelte. Ein wenig.“
In Washington spielend und auch von Washington handelt, ist No Way Out die insgesamt dritte Verfilmung von Kenneth Fearings 1946 veröffentlichten “The Big Clock“, ein Noir-Klassiker, bereits zeitnah als Spiel mit dem Tode (1948) mit Ray Milland, Charles Laughton und Maureen O'Sullivan, und später als durchaus bekannter Police Python 357 (1976) mit Yves Montand und Simone Signoret erschienen. Die letzteren beiden erschienenen Werke weichen beide nicht nur vom Milieu (des Journalismus und den Figurennamen) vom Roman ab, sondern auch der Mehr-Perspektiven-Sichtweise, und verlegen die Geschichte natürlich auch in die Gegenwart und die jeweilige lokale und berufliche Besonderheit, hierbei ist auch die Unterstützung eines Newcomers und der Aufbau eines Stars entscheidend, No Way Out (der von bspw. Patrick Swayze und Mel Gibson abgelehnt wurde) im August des Jahres als zweiter (moderater) Hit nach zuvor dem im Juni erschienenen Blockbuster The Untouchables - Die Unbestechlichen, ein zusätzliches Fundament; bei beiden Werken gab es auch Kritikerlob, helfend zusätzlich:
Lieutenant Commander Tom Farrell [ Kevin Costner ] wird von seinem College-Freund Scott Pritchard [ Will Patton ] zu einem Antrittsball eingeladen, bei dem er auf Verteidigungsminister David Brice [ Gene Hackman ] trifft, und zudem Susan Atwell [ Sean Young ], mit der er eine Affäre anfängt. Nur wenig später ist Farrell als Verbindungsmann für Brice und dies bezüglich Streitigkeiten um Militärausgaben gegenüber Senator Duvall [ Howard Duff ] und CIA-Direktor Marshall [ Fred Dalton Thompson ] tätig, wobei er auch seinen alten Vermieter und Freund Sam Hesselman [ George Dzundza ] wiedertrifft, der im neuen Computerzentrum des Pentagons arbeitet. Als Susan tot aufgefunden wird, wird Farrell auf den Fall angesetzt, zudem gerät deren Freundin Nina Beka [ Iman ] in Gefahr.
“Was ist denn mit dieser Puppe eigentlich?“ - “Sie ist tot.“
Die Hauptstadt erwachend im Morgengrauen, das Capitol, die legendären Bauten, ein Rundflug über die imposante Szenerie, eine Vorstellung von der Macht dahinter, von dem Geklüngel und der Diplomatie; ein eigenes Skript hier, eine neue Zeitphase, ein blutverschmierter Offizier, kein Gentleman, ein Verhör, ein verletzter Mann, dann “Sechs Monate Früher“. Die Welt war noch in Ordnung, sie schien heile, es wird ein Massenempfang auf Einladung gegeben, es wird einander vorgestellt, die ersten Fäden gezogen, Politik und Militär. Formelles und Formalitäten hier, narrative Formeln, viel personelle Infrastrukturen, noch weniger Informationen, und selbst die müssen nicht stimmen. Ein erstes Gespräch, eine Souveränität, etwas Zynismus, wenig Aufklärung. Auch hier gibt es eine Stadtrundfahrt, aber vom Boden aus, die Liebesszene in der Limousine hat es zum eigenen kleinen Klassiker und zur Parodie gebracht, der Film hat auch mehr zu bieten, aber wie so oft in den Achtzigern: Sex sells, sieht man zumindest einmal die Architektur aus der nächtlichen Nähe, eine erste Bekanntschaft, eine kurze Annäherung. Ein Geheimnis wird gemacht, die Folgen weiß man jetzt noch nicht, sie sind verheerend, sie kosten Leben und Karrieren.
Abgelenkt wird man erstmal durch andere Angelegenheit, ein Manöver bei schweren Seegang, eine Rettung aus Seenot, später eine Diskussion über den Wehretat, über die Kürzungen beim Verteidigungsministerium, die Zusammenhänge erfährt man später, man schwankt zwischen Niederen und Hochoffiziellen, ein komplexer Prozess, ein komplizierter Zusammenhang, sechs Monate eine längere Zeit zum Erzählen, die nimmt man sich hier auch, es gibt einiges zu bereden. Ein neuer Job im Pentagon wird verschafft, es fallen allerlei Schlagworte, die CIA, ein spezielles Projekt, Basiswissen von der 'Firma', Senatoren, Machtgier, Computerzentrale, die Nationale Sicherheitsbehörde, ein neuer Auftrag, viele Ansprechpartner, Unterlagen für das NATO-Treffen. Eine persönliche und eine professionelle Beziehung wird aufgebaut und aufgewirbelt, bald ist man tief im eigenen Schlamassel verstrickt, ein Dilemma par excellence, man weiß es nur noch nicht. Zwei Männer und eine Frau, das ist die Ausgangslage aller bereits existierenden Verfilmungen und der Vorlage, mit vielen Fallstricken gespickt, teilweise faustdick hinter den Ohren, mal auf direktem Wege, mal hinterrücks.
Hackman (als dessen Vorgänger u.a. Robert Mitchum, Paul Newman, James Coburn und Gregory Peck angefragt wurden) hat einen Vertrauten hier, einen Assistenten für die Drecksarbeit, Costner hat auch Beziehungen, anderer Natur, ein Duell entspinnt, manche sitzen zwischen allen Stühlen, die Beteiligten sind sich ähnlich und doch anders, die Nebenriege an Darstellern ist auch entscheidend, es geht nicht bloß um Grundsatzfragen im Staatsdienst, es wird geschachert und intrigiert, die Prämisse lässt sich allerdings Zeit. Eine Romanze wird eingeführt, der Thriller kommt später, ein anderer Jahrgang hier noch, Werbeaufnahmen könnte man zwischenzeitlich meinen, Stil über Substanz, das ist am Täuschen. Zuweilen erinnert der Film an den späteren Absolute Power (1997), dort auch ein verwirrendes Geflecht, ganz oben in der Ebene, keine Normalität, nur Exklusivität, dort ein Ausbruch der Gewalt, hier ebenso, ein Wutanfall, eine tödliche Gefahr, ein Mord im Affekt, “Wir müssen den Mann findet, der sie gesehen hat.“, das oberste Gebot, die Priorität. Eine Geschichte wird aufgebaut, ein Gespinst entwickelt, eine Theorie entwickelt, nach einem Maulwurf gesucht, quasi nach sich selber. Ein Spion soll aufgespürt werden, ohne Beteiligung der anderen Behörden, eine Krise am Entwickeln, eine Fassade in mehrerlei Richtungen vorgespielt, ein Katz-und-Mausspiel, eine Simulation auch, eine Manipulation, eine Ablenkung.
Donaldson inszeniert das edel bis ruhig, er legt den Grundstein für das Materielle, eine inszenatorische Vorabstellungnahme, ein Gespenst gejagt, ein Sonderkommando, dazu “Berufsmörder“, eine Todesschwadron engagiert, es wird auf Hierarchie und Bürokratie gegangen, viel hinter geschlossenen Türen spekuliert, Gerüchte in Umlauf gesetzt, es werden die Hebel angesetzt. Ein zumeist verbales Komplott, viel Befehl und Anordnung, eine Top Secret Verordnung, ausgerechnet Patton hat zumeist die Fäden in der Hand, Hackman in der zweiten Halbzeit ein komplettes Wrack, als actionreicher Höhepunkt eine Auto- und Fußjagd durch die halbe Stadt, ein Wettlauf gegen die Zeit, eine Kronzeugin in Gefahr hier. Die Räume werden ständig enger, liegen teilweise nebeneinander, nur über Flure verbunden, alles auf einer Etage, Türen öffnen und schließen sich, eine diverse Mordermittlung mit Verschwörung, Vertuschung und Verstecken, wem kann man trauen und wem nicht, ein Theaterstück gespielt, ein taktisches Ablenkungsmanöver, von der Regie in Übersicht und mit steigender Konzentration. “Wir sind hier alle schwer im Stress.“, bald hat man Anhängsel, dann gibt es wieder zu viele Mitwisser, eigentlich wäre der Fluchtgedanke der erste, der einem durch den Kopf geht, nur raus aus der allgegenwärtigen Beklemmung, nur fort von hier.
“Er blickte mich unsicher an, und mir fiel auf, dass ich ein wenig betrunken war. «Ich glaube nicht. Es handelt sich um ein rein mechanisches Problem, entwickelt für ganz spezielle Aufgaben.» Ich konzedierte also, er sei vielleicht nicht der beste Mathematiker der Welt, aber gewiss der schnellste; anschließend redete ich mit einem kleinen juristischen Rädchen einer großen politischen Maschinerie. Und danach mit Janoths neuester Erfindung aus der Welt der Lifestyle-Leitartikler. Und mit vielen anderen, darunter einige verdammt wichtige Leute, die das aber nicht wussten. Einige hatten keinen blassen Schimmer, dass sie echte Gentlemen waren oder Gelehrte. Andere ahnten noch nicht, dass sie eines Tages zu den prominenten Flüchtlingen zählen würden, verfolgt von den Hütern des Gesetzes. Ein ganzer Trupp Verrückter, die man niemals verdächtigt hatte und die nie in Verdacht gerieten. Bemerkenswerte Insolvenzen künftiger Zeiten und rätselhafte Suizide – in zehn oder zwanzig Jahren, von heute an gerechnet. Womöglich eines Tages ruhmreiche Mörder. Oder die Väter und Mütter wahrhaft bedeutender Menschen, die mir nie begegnen würden. Kurzum: Die große Uhr tickte wie gewöhnlich, und es wurde Zeit, nach Hause zu gehen. Manchmal rasten die Zeiger der Uhr, und manchmal ruckten sie unmerklich vor. Der Uhr war das vollkommen gleichgültig. Die Zeiger mochten rückwärts laufen, die Zeit, die sie anzeigten, wäre dennoch die richtige. Sie liefe einfach weiter wie gewöhnlich, weil alle anderen Uhren sich nach der einen großen zu richten hatten, die sogar über den Kalender herrscht und an der jedermann ganz automatisch sein gesamtes Leben ausrichtet.
Verglichen mit diesem Uhrwerk zählte der Mann mit der Rechenmaschine immer noch mit den Fingern.“