Oh ja, die Idee war gut! Ein ruhm- und ehrreicher Captain aus vergangener Zeit versucht, das anarchische, heruntergekommene Universum wieder zu ordnen, eine vereinte Föderation der Planeten (hier: „Commonwealth“) neu zu erschaffen, um Frieden und Sicherheit in das Zusammenleben der galaktischen Völker zu bringen. Er führt dazu das mächtigste Raumschiff der Zeit, die „Andromeda“. Er muss dabei gegen scheinbar übermächtige Gegner kämpfen. Da wären die Nietzscheaner, eine sich genetisch überlegen fühlende Rasse, die im All den absoluten Darwinismus durchsetzen will - mit sich selbst als Herrscher über die vermeintlich Minderwertigen. Und da wären die Magog - ekelige, kleine, zottelige, nicht mal halbintelligente Wesen, die mit Klauen und Zähnen über ganze Völker herfallen und in den lebenden Körpern ihrer Opfer Eier ablegen, aus denen dann irgendwann der Nachwuchs schlüpft. Als wäre das noch nicht genug, ist da auch noch ein unnatürlich scheinendes Überwesen im Hintergrund, der Abyss, der die Fäden zieht und die Magog mit einem gigantischen Weltenschiff auf das Commonwealth zutreiben lässt.
Klingt doch gar nicht übel, oder? Das alles fußt auf einer Idee von „Star Trek“-Erfinder Gene Roddenberry, dessen Witwe als Produzentin daraus einen Handlungsbogen über fünf Staffeln hinweg basteln wollte. Da sie bekennender „Babylon 5“-Fan sein soll, hätte man einiges erwarten können. Am Ende muss man sich allerdings fragen: Wie zur Hölle hat diese maximal mittelmäßige Serie bloß so lange durchgehalten?
Die Grundstory, wie gesagt, hat durchaus Potential. Zerstrittene Völker zusammenzuführen unter Eindruck eines großen Feindes, das gab’s ja schon häufiger. Politische Ränkespiele, Erfolge, Rückschläge, neue Allianzen, Verrat, kurzsichtiger Egoismus - daraus hätte man anspruchsvolle Oper machen können wie eben bei „Babylon 5“ oder auch zum Teil bei der Neuauflage von „Battlestar Galactica“. Oder wenigstens große Unterhaltung wie bei „Star Trek“ und zuweilen „Stargate“. Und was kommt bei „Andromeda“ heraus? Man wird immer wieder einfach vor Tatsachen gestellt, wer gerade mit wem was tut, was danach wieder völlig untergeht. Keine Strategie, kein Zusammenhang, kaum Motive werden erkennbar, wie unser Captain Dylan Hunt es hinbekommt, das Commonwealth neu zu bilden - zumal in so kurzer Zeit. Die vielen Einzelepisoden dazu geben nur marginal Aufschluss darüber. Während die Vorbereitung eines simplen G8-Gipfels auf einem Planeten bereits ein halbes Jahr dauert, steht das Commonwealth aus 50 verschiedenen Planeten schon nach zwei Jahren. Sehr glaubhaft.
Die Nietzscheaner als Volk zwischen Licht und Schatten - nicht so böse wie die Magog, bei weitem nicht so gut wie der strahlende Captain - haben an Bord der „Andromeda“ zunächst quasi eine Art Stellvertreter: Tyr Anasazi, der sich nur widerwillig Dylan Hunt anschließt und dabei seine eigenen Ziele weiterverfolgt. Anstatt über die Grundlage des Glaubens der Nietzscheaner - der Fitte hat stets den Schwachen zu schlagen - ernsthaft zu diskutieren, wird die Sache zwar immer wieder aufgeworfen, geht dann aber schnell in Schieß- und Klopp-Actionszenen unter, in denen dann die Nietzscheaner doch unterliegen. Wenn das alles sein soll...
Und die Magog samt Weltenschiff? Als das Thema zum ersten Mal aufgeworfen wird (am Ende der ersten Staffel), beeindruckt das durchaus sehr. Zumal ein Crewmitglied der „Andromeda“ selbst ein Magog ist, der sich jedoch von seinem Volk abgewendet zu haben scheint. Auch hier bestünde die Chance zu tieferen Auseinandersetzungen in der Frage, ob der Charakter eines Wesens oder gar eines Volkes angeboren ist oder ob jeder sozialisiert werden kann - aber: Pustekuchen. Das Crewmitglied wird (wahrscheinlich weil es aussieht wie Chewbaccas misslungener kleiner Bruder) bald entsorgt, erst später in der Serie - Ende von Season 4 - wird es in der Frage, ob die Magog sich weiterentwickeln können, noch einmal interessant (dann aber auch wirklich!).
Tja, und was das mysteriöse Hintergrund-Überwesen betrifft, gibt es auch keine richtige Aufklärung. Es taucht halt ab und zu auf - und dann wieder ab. Eine wirklich große Gelegenheit wurde hier vertan, den Kampf zwischen Gut und Böse und das Schwanken der dazwischen Lavierenden unterhaltsam, aber nicht dumm rüberzubringen.
„Andromeda“ beendet Handlungsstränge und Storys zu schnell und unglaubwürdig, begräbt sie zu häufig unter Langweil-Action oder lässt sie irgendwo unbefriedigend im Kosmos hängen. Es geschieht praktisch nie richtig viel, trotzdem bleibt der Zuschauer zu oft verwirrt zurück.
Dabei merkt man, dass das Konzept gleich mehrmals komplett umgeworfen wurde. Die Qualität der Staffeln untereinander schwankt daher fast noch stärker als die zwischen einzelnen Folgen. In Season 1 und 2 konzentriert man sich auf Vergehen und Neu-Entstehung des Commonwealth, bis es eben urplötzlich wieder da ist. Zwischendurch werden die Magog samt Abyss zum Hauptfeind der „Andromeda“. Während der 3. Staffel wendet sich das frisch auferstandene Commonwealth selbst - warum auch immer - gegen Dylan Hunt und die „Andromeda“. Jetzt scheinen die Magog irgendwie verschwunden zu sein und die Nietzscheaner rücken mehr in den Mittelpunkt, bis diese Problematik gelöst wird und die Magog danach unvermittelt wieder da sind. Als die Magog-Gefahr mit einem großen Knall zum Finale der Staffel 4 erst einmal gebannt wird, waren die Ideen für das ganze Universum offenbar gänzlich ausgegangen, so dass sich eine komplette quälende Season 5 lang die Crew einen Weg aus einem höchst merkwürdigen Planetensystem bahnen muss. Und durchweg werden die story arks völlig zugunsten langatmiger Schema-F-Einzelepisoden weggedrückt. Die Serie wirkt durch dieses Hin und Her völlig inkonsistent. Erst ganz am Ende zum Serienfinale wird mit der Brechstange versucht, auf Teufel komm raus alles zusammenzuführen und dem Ganzen einen Überbau zu verschaffen, was jedoch äußerst gekünstelt wirkt und wegen der üblichen Wirrnis nicht recht gelingen will.
Nun müssen große Handlungsstränge und Storys nicht alles sein. Mit „Farscape“ und - ganz radikal - „Lexx“ gibt es auch gelungene Sci-Fi-Serien, in denen die Charaktere mit ihren ureigenen Problemen im Vordergrund stehen, hinter denen das große Ganze zurückstehen muss. „Andromeda“ versucht hier einen Spagat: Wohl in der Einsicht, keinen großartigen story ark hinzubekommen, werden häufig die Charaktere, ihre Vergangenheit, ihre Komplexe und selbstbezogenen Pläne in den Vordergrund gestellt. Aber auch hier scheitert „Andromeda“ bei Stringenz und Glaubwürdigkeit.
Die Charaktere neben dem Captain sind gar nicht so einfallslos ausgewählt. Außer dem Nietzscheaner und dem Magog, deren Potential an Charakterentwicklung anfangs noch spannungserzeugend aufgezeigt wird, die im Verlauf der Serie aber zu Abziehbildern degenerieren, haben wir da eine hervorragende Pilotin, einen genialen Mechaniker und ein Wesen, das sich später als „Avatar einer Sonne“ (sic!) herausstellt. Bei allen Charakteren gilt im Prinzip dasselbe: Sprüche ersetzen Gespräche, Behauptungen ersetzen Psychologie, jähes Schwanken zwischen den Extremen ersetzt glaubwürdig in Szene gesetzte innere Zerrissenheit. Das liegt zum Teil an dünnen Drehbüchern, zum Teil an den nur begrenzten Möglichkeiten der Darsteller. Dass die nüchterne Androidin Rommy glatt den authentischsten Charakter abgibt, ist da keine Überraschung mehr.
Die sprunghaften Charaktere passen demnach zu der unstetigen Handlung. Um dem Ganzen dennoch einen gewissen Anspruch zu verleihen, möchte man gern ein philosophisches Tuch über die Serie werfen. Nach Nietzsche wurde ja sogar ein ganzes Volk benannt. Am Anfang jeder Episode wird bedeutungsschwanger ein Satz mit einer möchtegern-philosophischen oder -gewitzten Botschaft eingeblendet, die sich allerdings schon beim ersten Lesen meistens als schwülstiger Mumpitz entlarvt. Die Dialoge tun ebenfalls oft sehr pompös und pathetisch, können aber ihre Oberflächlichkeit und Nichtigkeit zumeist nicht verbergen. Und schließlich haben auch viele Storyelemente mit Science rein gar nichts mehr zu tun, sondern eher mit „Esotericism Fiction“.
Wie also konnten da fünf Staffeln mit 110 Folgen entstehen? Die Serie ist zwar nur durchschnittlich, aber nicht grottenschlecht. Es gibt zwischen dem Allerlei und Tralala immer wieder Episoden mit spannender Story und bisweilen Höhepunkte in den Handlungsbögen, die sich dann doch atmosphärisch und inhaltlich von anderen Sci-Fi-Serien absetzen können. Die Spezialeffekte sind zwar alles in allem höchstens Mittelmaß, aber der erste Anblick des Magog-Weltenschiffs zum Beispiel ist beeindruckend. Auch macht ein gerüttelt Maß an Selbstironie viele Dialoge und Folgen erträglich. Und nicht zuletzt gelingt es dem Casting immer wieder, hübsche Frauen (und Männer?) unterzubringen.
Der Gesamteindruck, der nach fünf Staffeln Durchhalten bleibt, ist, einer Serie mit einigem verschenkten Potential beigewohnt - und viel Zeit verschwendet zu haben.
4,5 von 10 Punkten.