Review

"Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal vor der Befreiung fürchten würde."

Holland, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Nachdem der Unterschlupf durch eine Bombe zerstört und ihre gesamte Familie bei einem Fluchtversuch erschossen wird, schließt sich die jüdische Sängerin Rachel Stein (Carice van Houten) der Widerstandsbewegung an. Während dem schmuggeln von Waffen lernt sie zufällig den deutschen Offizier Ludwig Müntze (Sebastian Koch) kennen, der offensichtlich gefallen an ihr findet. So beschließt ihre Gruppierung sie auf den Offizier anzusetzen um wichtige Informationen aus der Zentrale des Sicherheitsdienstes zu erhalten, in dem Müntze stationiert ist. Dort trifft sie auf Günther Franken (Waldemar Kobus) den sie als Beteiligten an dem Massaker an ihrer Familie erkennt.

Seit der letzten Regiearbeit von Skandalregisseur Paul Verhoeven ("Hollow Man", "Starship Troopers", "Basic Instinct") sind sechs Jahre vergangen. Im Unterschied zu den letzten Werken wurde "Black Book" in Europa mit einem übersichtlicheren Budget als in Hollywood produziert. Dies merkt man besonders an der nur mäßigen Aufmachung, die auf sich meist auf kleine Schauplätze begrenzt.
Im Gegensatz dazu wurde an der Ausstattung nicht gespart. Anzüge und Kleider wurden entsprechend den Zeiten angepasst, die Fabriken und schummrigen Schuppen sowie die üppig eingerichtete Sicherheitsdienstzentrale passend eingerichtet. Die Atmosphäre ist stimmig.

Angeblich auf tatsächlichen Ereignissen beruht die Geschichte um die jüdische Widerstandskämpferin. Mein zweifelhafter Standpunkt definiert sich aus häufig vorkommenden, unglaubwürdigen Situationen oder nicht ansprechend genug geschauspielerten Passagen. So kann man Rachels Schmerz nach der Ermordung ihrer Familie nicht einmal erahnen. Sie bleibt durchweg die starke Frau die sich durch nichts erschüttern lässt. Ebenso zweifelhaft sind diverse Standpunkte des SD-Chefs Müntze.
Einige Charaktere folgen einem klischeehaften Bilderbuch. Bösewicht Günther Franken hat eine Narbe im Gesicht, ist übergewichtig und abstoßend, die Frau an seiner Seite frivol. Die "Guten" dagegen haben ein ansprechendes Aussehen und durchweg gute Absichten. Für Aussetzer oder fragwürdige Handlungen in diesen schwierigen Zeiten, die den Charakteren mehr Tiefe hätte geben können, gab es wohl keinen Platz mehr im Drehbuch.
Der Charakteraufbau erweist sich als sehr beschwerlich, besonders in den Anfangsphasen. Dadurch dass die Handlung ausschließlich um seine Hauptprotagonistin geschnürt wurde, kommen viele Nebencharaktere recht kurz, obwohl sie zu späteren Zeitpunkten eine wichtige Rolle spielen. Hinzu kommt, dass die Handlung streckenweise sehr unstrukturiert erzählt wird und plötzlich von einem Schauplatz zum nächsten wandert.

Streckenweise ist der Film vorhersehbar und langatmig. Trotz einigen überaschenden Wendungen und einem temporeichen Ablauf, besonders im letzten Drittel, will sich keine rechte Spannung aufbauen. "Black Book" bremst sich immer wieder durch eingeschobene Abschnitte, die eine Erklärung für das Geschehen suchen, selbst aus. Die kurzweiligen, actionreicheren Szenen können da nur wenig ausrichten.
Im übrigen starrt man hilfesuchend auf den Abspann, da der merkwürdige Schluss erst nach einiger Überlegung (oder durch Hinweise anderer Zuschauer) Sinn ergibt.

Von Alleszeiger Verhoeven ist man schon einiges gewohnt. Insbesonders die exploitativen Sexszenen in Basic Instinct sowie diverse Gewaltexzesse in "Total Recall" oder "Starship Troopers" bereicherten uns mit vielen Artikeln der Presse und Kritiker. "Black Book" ist dagegen sehr zurückgenommen. Natürlich dürfen diverse Frauen ihre Brüste entblößen, die Hauptfigur ihre Schambehaarung in Nahaufnahme färben oder gar einen Bottich mit (Kunst-)Fäkalien über sich ergießen lassen. Diese Szenen fallen aber weniger skandalös und voyeuristisch als erwartet aus.

Verhoeven setzt alles auf die Handlungsstränge um die Widerstandskämpferin die er mit der ausdrucksstarken Carice van Houten besetzt, die hierzulande bisher recht unbekannt ist. Diese weiß durchweg zu überzeugen. Somit kann man über die mangelnde Screentime anderer Darsteller hinweg sehen.
Erwähnenswert sind die deutschen Schauspieler Sebastian Koch ("Das Leben der Anderen") und Christian Berkel ("Der Untergang", "Das Experiment"). Schlecht erwischt hat es die noch frische Halina Reijn sowie den meist aus Serien bekannten Derek de Lint, die in ihren übersichtlichen Auftritten nicht die Möglichkeiten haben sich voll zu entfalten.

Grundsätzlich ist "Black Book" ein (Nach-)Kriegsdrama, dass sich durch eine herausragende Besetzung der Hauptfigur und die atmosphärischen Details in das Mittelfeld rettet. Leider mangelt es an einprägsamen Momenten und einer realistischen Charaterzeichnung. Ich persönlich vermisse noch die anspruchsvollen Zusätze die Verhoeven im Fall von "Robocop" beispielsweise in Form derber Gesellschaftskritik hinzufügte. So bleibt "Black Book" hinter Verhoeven's vergangenen Werken (von "Hollow Man" vielleicht abgesehen) oder vergleichbaren Filmen wie "Schindlers Liste" und "Die Grauzone", die mehr Wert auf Charaktere und eine ansprechende Optik beinhalten.

5 / 10

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