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Los Angeles an einem x-beliebigen Tag: 22 Menschen gehen ihren gewöhnlichen Beschäftigungen nach, ohne zu ahnen, dass dies mehr oder weniger einschneidende Auswirkungen auf das Leben der jeweils anderen haben wird.

Robert Altmans „Short Cuts“ lässt alleine aufgrund der Inhaltsangabe Vergleiche mit Paul Thomas Andersons späterem Werk „Magnolia“ zu, in Wahrheit jedoch sind beide Filme grundverschieden. Während P.T. Anderson nämlich zu seiner unübersichtlichen Verschachtelung besondere Menschen mit ihren ganz eigenen Attitüden hernimmt, hält uns Altman einen Spiegel vor, indem er Leute wie du und ich zeigt, die einen ganz normalen Tag verbringen.

Dabei gehen die kleinen Alltagsanekdoten wie Zähnräder ineinander über, was zunächst allerdings eher Verwirrung hervorbringt, denn Altman führt innerhalb einer groß angelegten Insektenvernichtungsaktion mittels Hubschraubern alle Charaktere ein, was für Schauplatzwechsel im Minutentakt sorgt, ohne einen Überblick zu bekommen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich alle Figuren bewusst ähneln, um ihren Alltagstrott glaubwürdiger erscheinen zu lassen und dem Zuschauer Identifikationsmöglichkeiten zu geben.

Wenn man sich nach ungefähr einer Stunde aber erst einmal eingefunden hat, macht „Short Cuts“ irgendwie süchtig: Das hin- und herschwenken von einem Ort zum anderen sorgt für Kurzweil, zudem wird das Interesse geweckt, wer denn mit wem genau zusammenhängt und wessen Aktionen Auswirkungen für wen hervorrufen werden.

Die Figuren werden einem vielleicht bekannt vorkommen, aber sicher nicht sympathisch sein. „Short Cuts“ ist fast ein Sittengemälde der frühen 90er, da hier alle in irgendeiner Weise unmoralisch handeln, vor allem in Sachen Sexualität beschreiten die Charaktere extreme Wege (Telefonsex, fremdgehen, nackte Leiche im Wasser etc.). Das besondere daran ist, dass keinem wirklich bewusst ist, dass er falsch handelt, sogar vermeintlich gute Leute wie die Finnigans, die ihren Sohn durch einen tragischen Autounfall verloren haben, geben sich nicht der angebrachten Trauer hin, sondern wollen nur den Kerl finden, der ihnen Drohanrufe hat zukommen lassen.

Garniert mit einem eigentlich kaum zahlbaren Cast (der Name ‚Altman’ dürfte da einige dazu bewegt haben, auf ihre üblichen Honorare zu verzichten) ist „Short Cuts“ einer der interessantesten Filme der frühen 90er, der für Episodenfilme neue Maßstäbe setzte, weil er nicht eine nach der anderen ablaufen lässt, sondern alle intelligent verschachtelt. Mit hintergründigem Biss inszeniert und voll von Symbolik ist der Film auch einen zweiten Blick wert, zumal die drei Stunden wie im Flug vergehen, sobald man sich halbwegs eingefunden hat. Klare Empfehlung meinerseits!

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