"Der letzte Zug" mit zusammengetriebenen Juden wird als besonderes Geburtstagsgeschenk für Adolf Hitler im April 1943 auf die Reise zum Vernichtungslager Auschwitz geschickt. Schon die Fahrt wird zur unmenschlichen Tortur: Ohne Nahrung und Wasser, bei treibhausartigen Temperaturen sterben die dicht zusammengepferchten Menschen, die Nerven liegen blank, Fluchtversuche scheitern. Doch eine Handvoll Gefangener gibt den Versuch nicht auf, der Vernichtungsmaschinerie der Nazis zu entkommen.
Mit diesem bedrückenden Thema setzt Regisseur Joseph Vilsmaier den Millionen Opfern des NS-Wahnsinns ein filmisches Denkmal. Wie so viele andere deutsche Filme, die die Shoa und das Dritte Reich behandeln, verhebt er sich dabei jedoch an dem Versuch, die deutsche Schuld zu sühnen, indem er das Leid der Opfer vorführen will.
"Der letzte Zug" ist eine große deutsche Kinoproduktion, das sieht man nicht nur den größtenteils aufwendigen Settings und Kulissen an, sondern auch der technischen Umsetzung. In dramaturgischer Sicht jedoch fällt der Film arg plakativ aus: Da wären zum einen die wiederholt eingestreuten kurzen Rückblenden, die einzelne Situationen aus der glücklichen Vergangenheit einiger Gefangener aufzeigen, dabei jedoch so knapp und oberflächlich bleiben, dass sie nichts zur tieferen Charakterisierung der Figuren beitragen. Ganz abgesehen davon, dass ein verliebtes Pärchen, das sich lachend im Park jagt, nun wirklich ein uraltes Bild-Klischee ist, wenn es um "vergangene glückliche Tage" geht.
Trotz der zumindest teilweise namhaften Besetzung - Gedeon Burkhard als verzweifelter Familienvater und Sibel Kekilli als kämpferische junge Ehefrau - überzeugen auch die Darsteller nur bedingt. Das betrifft besonders die Nazi-Figuren: Die Dialoge zwischen den SS-Obersten fallen unglaubwürdig und allzu erklärend aus, wenn sie sich etwa gegenseitig versichern, die Ausrottung der Juden müsse schneller vorangetrieben werden. Und auch wenn hier öfters herumgeschrien oder wild in die hilflose Menge geschossen wird, gelingt es dem Film nicht, die grundlegende Menschenverachtung der Nazis in den Handlungsweisen der einzelnen Agierenden zu verdeutlichen. Dafür fällt schon die anfängliche Szene, in der die Juden nachts aus ihren Wohnungen geholt werden, viel zu harmlos aus - da wird sich noch mit den Gefangenen unterhalten und die Befehle klingen beinahe nach eindrücklichen Bitten. Hier wird deutlich, dass man die Darstellung der Grausamkeit nicht übertreiben wollte, um ja noch eine FSK-Freigabe ab 12 zu erhalten. Eine wirklich heuchlerische Attitüde für einen Film, der sich so viel humanistische Bedeutung auf die Fahnen schreibt.
Tatsächlich braucht der Film mehr als die Hälfte seiner zweistündigen Laufzeit, bis sich der Zuschauer von dem Leid, das ihm geboten wird, wirklich berührt fühlt. Dazu trägt vorrangig der starke Kameraeinsatz bei, der die kaum erträgliche Überfülle im Viehwaggon beklemmend vermittelt (auf einige bemüht originelle Kameraperspektiven, wenn der Zug durch die nächtliche Landschaft rast, hätte man dagegen gern verzichten können). Die emotional aufgeladene und mit der Zeit immer verzweifeltere Atmosphäre zwischen den Gefangenen kommt intensiv und weitestgehend glaubwürdig herüber. Und im letzten Drittel endlich erwächst die erschütternde Dichte angesichts des zutiefst unmenschlichen Leids der aller Würde beraubten Opfer, auf die es "Der letzte Zug" so abgesehen hat. Wenn schließlich der Abspann mit einem letzten Bild auf das Holocaust-Denkmal in Berlin eingeleitet wird, fühlt man sich schmutzig und entsetzt und hat ein kleines Stück weit begriffen, welche grundlegende Perversion dem Völkermord im Dritten Reich zugrunde lag.
Emotional kann "Der letzte Zug" sein Ziel also durchaus noch erreichen: Er klagt an, zeigt die Schrecken des Rassenwahns auf, visualisiert die Hilflosigkeit der Opfer, lobt aber auch die Stärke, bis zum Ende zu kämpfen. Dass er dabei immer wieder in dramaturgische und inszenatorische Klischees zurückfällt, die notwendige Tiefgründigkeit für sein Thema nie erreicht und vor allem mit einem kitschigen Geigen-Soundtrack stört, tut seiner Grundaussage leider etwas Abbruch. Aber als erster Einblick in die Schrecken der Shoa ist er definitiv geeignet.