Review

Ein gar nicht so flotter Dreier

Jeder Filmliebhaber kennt das Gefühl: nach einer langen Dürreperiode, mit viel Mittelmaß, ein paar guten sowie mauen Filmen, kommt endlich wieder einer, in den man sich bedingungslos verliebt. Liebe auf den ersten Blick. Ein Film, den man sich sofort nochmal anschauen möchte, über den man reden & schreiben will, der einen ab diesem Zeitpunkt, den Rest deines Lebens begleiten wird. Genau das ist letztes Wochenende mit mir & François Truffauts Herzensprojekt "Jules & Jim" passiert. Einer nahezu perfekten Verfilmung eines lange Zeit unbekannten Buches. Ich liebe diesen Film - genauso wie die beiden Protagonisten Catherine lieben. Und genauso wie in dieser Triangel, tragen ein paar Kanten & Schwierigkeiten nur zur Leidenschaft bei. Für mich gibt es schlicht keinen besseren Truffaut-Film. Er gibt hier alles, was sein enormes Wissen, Leidenschaft & Talent bereit halten. Kino in Reinform, Schönheit pur, Liebe so ehrlich wie nie. Selbst wenn nur die Wenigsten einer solchen Beziehung & Frau im Leben begegnen.

In "Jules & Jim" folgen wir zwei Männern, Freunde fürs Leben, die allerdings auch sehr unterschiedlich sind. Der eine, Jim, ein französischer, hochgeschossener Beau, der andere, Jules, ein introvertierter, humorvoller Österreicher. Beider Leben verändert sich durch Catherine, ein unbändiger, anbetungswürdiger Wildfang & Klassefrau, in die sich die zwei jungen Männer unsterblich verlieben. Nun folgen wir dem charismatischen Freundschafts-/Liebes-Trio durch ihr Leben, den Krieg & die Schwierigkeiten einer anstrengenden & bedingungslosen Menage-a-trois, vielleicht DER Menage-a-trois der Kinogeschichte. 

"Jules & Jim" war pure Kinomagie, auch auf dem heimischen Sofa. Eine Geschichte voller Liebe, aber komplett ohne Kitsch, Pathos oder unrealistischen Reaktionen der Beteiligten. Hier stimmt alles, einfach alles. Catherine ist bezaubernd wie anstrengend, ein Vorbild aller gleichberechtigter Frauen. Sie ist ihrer Zeit so weit voraus, dass sie selbst heutzutage oft noch zu forsch, frech & dominant wirkt. Einer der machohaftesten, freiesten Frauen, die je auf einer Leinwand waren. Einfach der Wahnsinn, wie sie & dieser Film, der sexuellen Revolution & dem Kampf der Frauen für Gleichberechtigung & gegen Vorurteile, Aufschwung gegeben haben müssen. Daher ist der Film trotz seiner Jahrzehnte umspannenden Handlung ungemein intim, irgendwie typisch 60er & bringt uns drei gleichberechtigte Menschen so nah, wie man ihnen selten in einem Film kommt.

Truffauts Filmkunst & visuelle Tricks, sind zwar neben so einem packenden, emotionalen Kern, nur Bonus - aber wohl die schönste Staffage jener Zeit. Von Jumpcuts über Überblenden bis zu Bildmaterial aus dem Weltkrieg - langweilig wird einem schon allein auf Grund der audiovisuellen Vielfalt nicht. Nie verlief Truffauts Technik auch so gut mit der Sogwirkung der Geschichte, es wirkt nie wie Angeberei oder Spielerei. Selbst Orson Welles hatte hier sicher seine helle, technische Freude. Aber wie gesagt: der Kern um die 3 Freunde & deren verzwicktes Leben & die wahre Liebe, ist eine ehrliche Haut & absolut überzeugend. Sogar das tragische, vielleicht etwas radikale Ende, passte perfekt als Überraschung & einziger Ausweg. Das i-Tüpfelchen auf dem mir persönlich wichtigsten französischen Film aller Zeiten. Könnte ich aus jedem Land nur ein Film für den Rest meines Lebens gucken, wären unsere Nachbarn sicher mit "Jules & Jim" in meinem Schrank.

Fazit: Truffauts zeitloses Meisterwerk & eine absoluter Genuss in Sachen Kino, Liebe & Beziehungen zwischen Mann & Frau. Zudem seiner Zeit Jahrzehnte voraus & ultrahübsch... Wahnsinnig toll!

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