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Zu Bernard Herrmanns schwelgerisch-schönen Saxophonklängen, fährt Travis Bickle durch die Nacht New Yorks. Das wunderschön-verspielte Saxophon-Thema ist nicht nur einer der besten Soundtracks aller Zeiten, auch der dazugehörige Film - "Taxi Driver" - ist einer der besten Filme. Martin Scorsese liebt New York, liebt die Nacht, liebt den Film und seinen Inhalt. Das Meisterwerk über Gewalt, Liebe und eine Zeitepoche, die Amerika bis heute nicht bewältigt hat.
"Taxi Driver" ist eine Charakterstudie. Ein Film über den jungen Vietnamheimkehrer Travis Bickle. Sein Leben ist wertlos, der Krieg geht im Kopf weiter; Travis leidet an Schlafstörungen. Um aus seiner permanenten Wachheit Kapital zu schlagen, fängt er als Taxifahrer an. Travis fährt nur nachts. Hier wird er mit dem lebendigen Schmutz und Abfall konfrontiert. Er ist der Chauffeur der untersten Bevölkerungsschicht New Yorks. Perverse, Drogensüchtige, Nutten, oder alle drei in einer Person. Travis fährt sie alle.
Tagsüber sehnt sich Travis nach menschlicher Nähe. Durch die Wahlkämpferin Betsy (Cybill Shepard) scheint dies eine Weile möglich zu sein. Sie gehen Kaffee trinken, plaudern. Travis zeigt sich von seiner besten Seite. Doch er legt sich selbst einen Stein in den Weg. Erst als er sie ins Kino ausführen will, wird deutlich, wie unterschiedlich beide Menschen sind. Denn Travis lädt sie tatsächlich in ein schmuddeliges Pornokino ein, aus dem sie empört flüchtet. Sie bricht den Kontakt zu dem verstörten Travis ab.
Nach dem schnellen Ende seiner Freundschaft, sieht Travis nur noch eine Möglichkeit aus seiner Tristesse: Gewalt. Er bereitet sich auf eine Explosion vor. Der Amoklauf wird geplant. Ein Anschlag auf den Präsidentschaftskandidaten soll Bickle retten. Er steht vor dem Spiegel und probt schon mal das coole Reagieren. Die Szene, in der Bickle mit seinem Spiegelbild spricht ist ja nun wirklich legendär. "Talkin' to me? You talkin' to me? YOU talkin' to ME?"
Der einzige Hoffnungsschimmer ist die 14jährige Prostituierte Iris (Jodie Foster in einer sehr frühreifen Rolle). Das Ende entlädt sich dann spektakulär und schonungslos. Nachdem das Attentat auf den Präsidenten scheitert, mäht er mit unkontrollierbarer Gewalt Iris' Zuhälter Sport (Harvey Keitel) und dessen Bande nieder. Dieses Finale ist überraschend heftig in Szene gesetzt. Bickle schießt jemandem die Hand weg, deformiert jemandes Gesicht. Die perfekte Visualisierung von befreiender Gewalt. Bickle gerät in einen Blutrausch, metzelt alles nieder, was ihn aufhalten möchte. Als er dann schließlich Iris findet, wird er als Held gefeiert, der das arme minderjährige Mädchen befreit hat.
Sogar ein Zeitungsbericht wird veröffentlicht. Und Bickle fährt wieder in die Nacht hinein... bis zur nächsten Entladung seines inneren Frustes.
Bedrohlicher und bedrückender könnte ein Film gar nicht enden. Nach dem Trip des durch Schauspielgenie Robert De Niro erschreckend gut dargestellten Travis Bickle ist die Situation für den Zuschauer eine andere. Der Betrachter des Schicksals des verwirrten Mannes weiß, welch psychopathischer und labiler Geist in Bickle wohnt, und dass es wohl nicht lange dauert, bis die nächste Gewalttat folgt. Und dennoch wird er als Held gefeiert. In einer der letzten Szenen wird sogar ein Dankesbrief der Eltern Iris' aus dem Off vorgelesen. Da kann der Zuschauer nur denken: "Wenn die wüßten..." Und dann geht einem das Licht auf. Vielleicht sind wir alle in solchen fatalen Irrglauben geraten - und unser bester Bekannter ist eigentlich ein Psychopath. Schon ziemlich harter Stoff, den Martin Scorsese uns da vorhält.
"Taxi Driver" ist ein düsterer, genialer New-York-Film mit absolut wahnsinnig-guten Darstellern und dem schönsten Tenorsaxophon der Filmgeschichte. Dieser Nachttrip gehört ins Pflichtprogramm eines jeden Cineasten.