Es lebe die Revolution! Ähnliches haben sich die Macher von „Scream“ damals wahrscheinlich auch gedacht, als sie ein bis dato eher dunkles und ernstes Genre prägend veränderten. Der Slasher war, bis auf wenige Ausnahmen, im Grunde nur für Leute mit einem Faible dafür ansprechend, weil das Blutige und Düstere nun wahrlich nicht jedermanns Sache ist. Nach „Scream“ forderten aber viele mehr davon.
Das Erfolgskonzept ist denkbar einfach wie genial.
Selbstironie und ein gewisses Grad an Bodenständigkeit sind die Stichworte. Man will sich selbst gar nicht wirklich zu ernst nehmen. Konventionen sind natürlich auch notwendig, damit der Klamauk nicht überhand nimmt. Deshalb war man auch bemüht wesentliche Elemente des Slasherfilms konsequent beizubehalten, so dass sich die Genre-Zugehörigkeit trotz gravierender Änderungen nicht angezweifelt werden kann.
Die Schnittmenge zwischen alt und neu erweist sich als imponierende Kombination. So darf der kostümierte Mörder in atmosphärischen Highschool-Kulissen ordentlich schlitzen. Spannend ist das allemal, weil eine groteske Mischung aus Vorahnung, Befürchtung, aber auch Unberechenbarkeit in Hinblick auf Opfer und Plot ständig in der Luft liegt. Den düsteren Anstrich einiger Klassiker erreicht man nicht, aber auf diese Art und Weise wird der Spannungsbogen anderweitig, innovativ gespannt.
Ferner lockt „Scream“ durch kleine Rätselspielchen, weil die Identität des Killers bis zuletzt nicht bekannt ist und einfallsreich aufgelöst wird. Das Rätseln war selten so reizvoll.
Unklarheiten über die Verbindung zwischen dem mysteriösen Mord an der Mutter von Sydney Prescott (Neve Campbell) und den gegenwärtigen Schlitzorgien sorgen zusätzlich für Würze.
Derartige, kleine Finessen kennzeichnen das hervorragende Drehbuch von Kevin Williamson. Ob Anspielungen auf Klassiker oder allgemeine Teenie-Problemchen - all das wird erfrischend in Dialoge verpackt und solide von Neve Campbell und Co. vorgetragen.
Dabei sind das die einzigen Szenen, in denen sich die Leistungen der Schauspieler vom Standard abheben, aber auch hier wirkt der Ironie-Faktor. Angemessene Gestik und Mimik haben Seltenheitswert, schließlich verhalten sich auch Mörder und Opfer nicht wie Perfektionisten und glänzen das ein oder andere Mal durch dumme, (un)freiwillig komische Aktionen. Beispielsweise lässt der Mörder grundsätzlich keine Falle aus und fällt, scheinbar aus Respekt vor den Opfern, immer wieder gerne darauf rein.
Das ist aber auch nicht weiter schlimm, denn diese Besonderheiten sind der Reiz an „Scream“. Gegensätze prägen das Geschehen. Einerseits systematisch geplante Morde, andererseits peinlichste Aktionen bei der Ausführung.
Normal ist in "Scream" ohnehin wenig, denn die Art und Weise der Umsetzung ist erfrischend überraschend und immer noch qualitativ unerreicht. Konservative und revolutionäre Strukturen (was für ein Gegensatz) wurden hier perfekt vereint und ein Genre für einen Zeitraum neu definiert. (9/10)