Review

Wir schreiben das Jahr 1996. Der Horrorfilm ist tot. Tot? Nein, ein unverbesserlicher Regisseur der schon seit Jahren, nein Jahrzehnten abgeschrieben schien, schickt sich an ein ausgereiztes Genre wieder zu beleben. Wes Craven, ja der Typ der im letzten Haus links wohnt und Alpträume von Ringelbepulliten Pizzagesichtern hat ist tatsächlich so dreist den jungen, unkundigen Teenies der neuen Generation einen Film vorzusetzen mit dem sie eigentlich gar nichts anfangen können. Natürlich hat sich eigentlich gar nicht soviel verändert in der Gesellschaft. Trotz Porno-Overkill sind wir „Youngsters“ verklemmter denn je zuvor und die Prom Night ist immer noch der Höhepunkt des Schullebens. Ich meine, hey, wir reden hier schließlich von Amerika, einem Land in dem der weltweit größte Prozentsatz an jugendlichen Abtreibungsgegnern und Verächtern von vorehelichem Sex existiert, zeitgleich aber die meisten Geburten von unter 16-jährigen/ 1.000 Einwohner leben und das Porno-Business die meisten Produktionen vorzuweisen hat. 

Muss man da nicht folgerichtig damit rechnen dass der Valentinstag blutig wird? Das der Buhmann hinter einer gesichtslosen Maske verborgen das Halloweenfest zu einem grausigen Abschluss bringt? Und dass Freitag der 13. wirklich zum Unglückstag wird? Tja, wir hatten alle vergessen, dass das Grauen hinter der Fassade des alltäglichen lauert. Und Craven, der damals mit einem rauen Rape-and-Revenge-Thriller die Aufmerksamkeit der Jugendwächter auf sich zog, erinnerte uns wieder daran. Im nach hinein muss ich wohl zugeben, das Scream – Schrei damals wohl mein erster richtiger Horrorfilm war – oder Slasher, wie ich ihn heute bezeichnen würde. Und so richtig begeistert war ich dann doch nicht. Dafür gab es zwei Gründe. Erstens handelte es sich damals bei diesem Film (zusammen mit dem über alle Zweifel erhabenen Starship Troopers) um meinen ersten 18er (beide hatte ich mir, dank der großartigen Unterstützung meiner Kusine, bzw. deren Ausweises, in der Videothek um die Ecke besorgt) und zweitens wurde meine Erwartungshaltung (FSK 18!) gerade im Vergleich zu Verhoevens Film Goremäßig absolut enttäuscht. Was sollte das denn bitte? Ja gut, optisch ganz nett, aber wo sind da die coolen Effekte? Schließlich ist doch Independence Day gerade einer meiner Lieblingsfilme! Vielleicht war ich nicht reif genug dafür. 

Nun, einige Jahre später fand ich in der Müller-Wühlkiste meines Vertrauens eben diesen Scream und es kam wie es kommen musste, 3 Euro wechselten Ihren Besitzer und die DVD wanderte trotz beschädigter Hülle in meine Tasche. Es sollten zwei weitere Jahre vergehen bis ich mich aufraffen konnte sie in den Player zu legen. Weitere Jahre in denen ich ein Groß an Erfahrung im Horrorbereich sammeln konnte. Pinhead, Freddy, Jason und Leatherface wurden zu guten Bekannten, Bruce Campbell, Jeffrey Combs und Robert Englund zu Helden, Clive Barker, Sam Raimi, Alexandre Ajas, Tobe Hooper und Dario Argento zu Idolen. Ja, ich war gewappnet. Und, JA, ich hätte das lustige Telefonquiz gewonnen! 

Nun hat Scream ein großes Problem. Und dieses Problem heißt Scary Movie. Ein Film der damals auf jeder Hausparty lief, jeden bierseligen Männerabend perfekt machte und den ich einfach viel zu oft gesehen hatte. Und dessen Rahmenhandlung nunmal eine 1:1 Kopie des Scream-Plots war. Und selbst jetzt, einige Jahre nach dessen letzter Sichtung wirkte sich das auf Cravens Werk aus. Keine Szene bei der ich nicht ein selten dämliches Zitat im Kopf hatte – und leider nur allzu oft auch laut aussprach. Und wisst ihr was? Scream funktionierte trotzdem noch vortrefflich. Denn diese augenzwinkernde Hommage an die alten Zeiten, die ständigen Klischees … nun, die funktionierte auf einmal (im Gegensatz zu meiner ersten Sichtung). Plötzlich bekam alles einen Sinn. Der gesamte Handlungsstrang spielt wunderbar mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, erfüllt sie sogar und ist sich trotzdem nicht zu schade den Zuschauer vorzuführen. Es sind einfach Szenen, wie der Videonerd, der sich Halloween reinzieht und Jamie Lee Curtis zuruft „Hinter Dir!“ während hinter ihm tatsächlich der Killer steht, die mich an mich selbst erinnerten. Ich meine, hey, wie oft möchte man in den Fernseher springen und der tumben Tussi eins auf die Nuss geben für ihre Blödheit, aber wie würde man sich in so einer Situation selbst verhalten? Als distanzierter Beobachter hat man nun mal einige Vorteile. Scream macht eigentlich alles richtig. Spielt mit dem Genre, hat eine nette Idee (ja, die Horrorfilme sind schuld ;), bietet Filmzitate am laufenden Band („Was soll das werden? Ich spuck in deine Garage?“) und hat einige nette (rückwirkend betrachtet) Cameos (Planet Terror Rose McGowan). Blut gibt es, wenn auch im Rahmen und kein Vergleich zu den heutigen Metzelorgien und, meine Güte, es ist einfach ein grundsympathischer Film. Leider haben die hunderttausenden Nachfolger das Gesamtbild zerstört – und zwar für immer und ewig. Dank des ganzen „Ich weiß was du letzten …“-, „Düstere Legenden“-, etc-Drecks erwischte ich mich ständig bei diesen „Kenn.ich-schon“ Momenten. Ich erwähne jetzt extra nicht die 80er Slasher, denn die sind wichtige Vorraussetzung für Cravens Film. Achja, und es wäre schön gewesen wenn Robert Englund noch mitgespielt hätte. 

Trotzdem, sehr guter Film und sicher nicht die schlechteste Wahl für Nichtkenner. Aber die gibt es ja hoffe ich nicht mehr.


PS: Der alte Gag - In diesem Review sind ein paar Filmtitel versteckt, wer sie findet darf sie sich kaufen.

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