Review

Rund ein Jahr nach der Ermordung ihrer Mutter beginnt für Teenager Sidney erneut das Grauen: Eine Mordserie versetzt die Kleinstadt Woodsboro in Angst und Schrecken, weshalb sich die Polizei gezwungen sieht, eine Ausgangssperre zu verhängen. Sidneys Freunde - hin- und hergerissen zwischen Nervenkitzel und Entsetzen - organisieren daraufhin eine echte Horrorparty, die sich auch der Täter nicht entgehen läßt und die Gelegenheit nutzt, fröhlich weiterzumetzeln...
Wes Craven („Nightmare on Elm Street“) belebte mit seinem unglaublich erfolgreichen, krassen Horrorschocker 1996 den in den 70ern und Anfang der 80er so populären Splatterfilm wieder, was zur Folge hatte, daß seitdem zahlreiche Plagiate in unsere Kinos geschwemmt werden, die zwar die Herzen der Fans dieses Subgenres erfreuen dürften, jedoch das Gemüt des anspruchsvolleren Filmeguckers grob verletzen. Dabei steht eindeutig fest, daß keiner der „Gnadenloser-Mörder-tötet-unschuldige-Teenager“-Filme an die Qualität von „Scream“ heranreicht. Die meisten dieser minderwertigen Filmchen beschränken sich lediglich auf die Aneinanderreihung von blutigen Gewaltszenen - „Scream“ hingegen nimmt bei allem Blutreichtum (der hierzulande natürlich eine Indizierung nach sich zog) die bedeutendsten Vertreter des Schlitzer-Genres gekonnt - mit ausgeprägtem Humor - auf die Schippe. Eine Fülle von Zitaten und Klischees erinnern an große Klassiker wie „Halloween“ oder „Freitag der 13.“. Sprüche wie „Bring mich nicht um, ich will noch im zweiten Teil mitspielen“ oder Randys vier Horrorregeln (u.a. sei man dem Tode geweiht, wenn man die Worte „Ich komm‘ gleich wieder“ in den Mund nimmt) gehören wohl mittlerweile in das Repertoire jedes „Scream“-Fans. Sogar Cravens selbst erschaffene Figur Freddy Krueger findet hierin ihre Erwähnung in Form eines Hausmeisters, der einen rotgrün gestreiften Pullover samt verbeulten Hut trägt und Fred heißt, übrigens von niemand Geringerem als Wes Craven verkörpert wurde. Gern verwendet der Regisseur auch die typischen Schreckeffekte, bei denen der Zuschauer hinter jeder Ecke den geheimnisvollen Mörder mit seinem schwarzen Umhang und einer erschreckend dämlichen Maske (übrigens Edvard Munchs weltberühmtem Bild „Der Schrei“ entliehen) erwarten kann. Immer wieder werden Türen aufgerissen, hinter denen man ihn vermutet, um daraufhin doch ins Leere zu blicken. Um so mehr erschrickt man, wenn er dann doch unvermittelt ins Bild schnellt und mit einem Messer auf den bedauernswerten Protagonisten losgeht. Dieser Effekt zieht sich von Anfang bis Ende durch „Scream“ - und dennoch ist er jedesmal extrem wirkungsvoll.
Den Höhepunkt des Films bietet zweifelsohne bereits der nervenzermürbende Beginn, in dem Casey (Drew Barrymore mit ihrem glorreichen Comeback als neue „Scream“-Queen) von dem Bösewicht angerufen und mit einem Horrorquiz konfrontiert wird, das bald darauf blutiger Ernst wird, als sie eine Frage falsch beantwortet. Schließlich hängt sie aufgeschlitzt an einem Baum in ihrem Garten. Diese Viertelstunde bietet alles, was sich der gemeine Horrorfilmfan nur wünschen kann: Spannung, Nervenkitzel, starke Atmosphäre, gaaanz viel Blut und ein hübsches Opfer. Wen diese Szene kalt läßt, dem ist nicht zu helfen. Ein bombastischer Startschuß, der über einen längeren Zeitraum nachwirkt, und nicht einmal von dem irren Showdown im Haus getoppt wird. Hierbei verblüfft die Täterauflösung des ganzen grausamen Massakers, die im Rahmen des Genres einmal eine gänzlich neue Variante bietet.
In den Nebenrollen glänzen die relativ unbekannten und noch unverbrauchten Schauspieler Matthew Lillard (zu mimisch unvorstellbaren Grimassen fähig) und Skeet Ulrich (sieht Johnny Depp in seinen jungen Jahren verblüffend ähnlich), während der schmächtige Jungpolizist Dewey (David Arquette, Bruder der weitaus bekannteren Patricia und Rosanna) mit seiner schusseligen Art eine große Sympathiefigur darstellt. Neve Campbell („Party Of Five“) in der Hauptrolle kommt dagegen nicht aus dem Durchschnitt heraus, ist aber immerhin optisch ein Augenschmaus.
Freilich ist „Scream“ nicht frei von logischen Schwächen, die jedoch bei den zahlreichen Spannungsmomenten relativ gut untergehen. So wird Sidney beispielsweise per versteckter Kamera, die die sensationsgeile Reporterin Gale Weathers (Courtney Cox, „Friends“) auf der Party untergebracht hat, Zeugin, wie sich der Täter einem ihrer Freunde nähert. Dennoch weiß sie nur wenige Augenblicke später nicht, ob sie diesem trauen kann.
Die nachfolgenden Fortsetzungen konnten die Qualität dieses Films nicht mehr erreichen, wobei der zweite Teil dennoch keineswegs verkorkst ist.

Fazit: Hochspannendes, mit einem hohen Maß an Humor, Zitaten und Querverweisen auf andere erfolgreiche Horrorfilme angereichertes Popcornkino, das das Splattergenre neu belebte, weshalb „Scream“ bereits jetzt unter vielen Fans als Kultfilm bezeichnet wird. Durchgehend kurzweilig und handwerklich gekonnt inszeniert. Von der verstümmelten und daher gerade am Ende unlogischen FSK-16-Fassung sei abgeraten. 9/10.

Details
Ähnliche Filme