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„Nur noch 72 Stunden“ ist ein ordentlicher Polizeifilm, aber eher eine Fingerübung für Don Siegel, der später mit „Dirty Harry“ einen wahren Klassiker auf diesem Gebiet schuf.
An sich erzählt Siegels Film zwei Geschichten, wobei die wichtigere davon den deutschen Titel zu verantworten hat: Die Cops Daniel Madigan (Richard Widmark) und Rocco Bonaro (Harry Guardino) wollen einen Verbrecher verhaften, doch der übertölpelt sie und klaut ihre Dienstwaffen. Da es sich dabei um einen Mörder handelt und einige Kollegen sie absägen wollen, gibt man ihnen nur 72 Stunden Zeit den Verdächtigen aufzulesen. Im Original ist auch einer von ihnen für den Titel verantwortlich, nämlich „Madigan“.
Auf der anderen Seite haben wir die Story des Polizeichefs Anthony X. Russell (Henry Fonda), der verfügt, dass die beiden immerhin 72 Stunden Zeit bekommen, um ihren Fehler auszubügeln. Doch dieser hat selbst genug Probleme: Tonbandaufzeichnungen bezichtigen einen seiner ältesten Freunde der Korruption, einflussreiche Bürger bezichtigen einige seiner Polizisten zu grob gewesen zu sein usw.

Wenn „Nur noch 72 Stunden“ eines ist, dann ist es ein sehr realistisches Porträt des Polizeialltages: Niemand ist vor unangenehmen Überraschungen gefeit, das Privatleben muss unter der Arbeit leiden und vor allem ist nicht jeder ein Superbulle, der Fälle im Handumdrehen löst. So endet die Tätersuche nicht unbedingt aufgrund besonderen Spürsinns, sondern eher wegen eines Zwischenfalls mit Todesfolge, der den Täter in die Enge treibt, sodass die Cops ihn mit ihren kargen Hinweisen erwischen können. Dazwischen stehen viele Falschinformationen, unergiebige Fährten und ein Wettlauf mit der Zeit. Stets bleibt „Nur noch 72 Stunden“ dabei glaubwürdig, ja fast ernüchternd mit seinem Realismus.
So wird auch das private Umfeld der Cops im Gegensatz zu vielen anderen Polizeifilmen einbezogen: Die Ehefrauen bzw. Geliebten warten daheim und werden vernachlässigt, sodass Ehekrise oder das Ende eines Verhältnisses schnell ins Haus stehen können. Vor allem Madigan bemüht sich darum, seine Ehe trotz des beruflichen Stresses noch zu retten, aber trocken zeigt „Nur noch 72 Stunden“, dass dies nicht einfach wird, egal wie viel Mühe er sich gibt.

Leider hat dieser sehr auf Realismus fixierte Stil auch seine Schattenseiten, denn teilweise ist „Nur noch 72 Stunden“ ziemlich dröge und zieht sich mitunter mal. Oft gerät die Tätersuche viel zu sehr aus dem Blickfeld und der Film schweift einfach zu sehr ab. So hätte man das Privatleben der Cops durchaus knapper darstellen können (es ist schon wirklich sehr ausgiebig) und auch der Handlung rund um den Polizeichef fehlt eine klare Linie: Mal greift man den besten Freund, mal die Geliebte und dann wieder den nörgelnden Bürger auf, aber nie scheint einer dieser Stränge wirklich konsequent verfolgt zu werden. Stattdessen kommen alle zu einem schwammigen Ende, sobald die Tätersuche endet. Diese endet immerhin mit einer dramatischen Überraschung, die zeigt, dass „Nur noch 72 Stunden“ kein gewöhnlicher Polizeifilm ist. Im Gegensatz zu anderen Filmen dieses Genres gibt es auch kaum Action zu sehen, was dem Realismus einerseits zugute kommt, die Längen in der Handlung aber nicht gerade ausbügelt.
Schauspielerisch gibt es hingegen gute Kost zu sehen: Henry Fonda gibt den zerknirschten Polizeichef sehr überzeugend und stiehlt dem Rest der Truppe ganz eindeutig die Schau. Richard Widmark und Harry Guardino sind ganz solide, aber gegen Fonda kommen sie bei weitem nicht an, da keiner eine wirklich einprägsame Leistung erbringt.

Alles in allem ist „Nur noch 72 Stunden“ ein lebensnahes und nüchternes Bild von Polizeiarbeit. Aufgrund des aber nicht so prickelnden Spannungsbogens und einiger Längen kein Polizeifilmklassiker wie „Dirty Harry“.

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