Roman (Lucky McKee) arbeitet als Schweißer in einem kleinen Betrieb, wo er tagsüber seiner Arbeit nachgeht, ohne sich mit seinen Kollegen befassen zu müssen. In den Pausen allerdings wird klar, er ist nicht beliebt unter seinen Kollegen, da er als wunderlich und desinteressiert gilt. Die Kollegen ziehen ihn gerne auf, aber auch das geht ihm nicht sonderlich nahe. Seine tägliche Freude bekommt Roman zu Hause nach Feierabend. Er zieht seinen Vorhang auf, dreht den Sessel zum Fenster, öffnet sich ein Bierchen und raucht eine Zigarette. Sein Ritual, um den einzigen Lichtblick am Horizont zu genießen, den die Aussicht aus seinem Fenster auf die gegenüberliegende Wand des Apartmentkomplexes hergibt: Jeden Tag fetzt zur gleichen Zeit seine zierliche Nachbarin (Kristen Bell) an dieser Stelle vorbei. Romans Leben tritt auf der Stelle, bis zu einem Mittag am Wochenende, als Roman mit einer Tüte Bierflaschen auf dem Dach des Gebäudes den Tag und die urbane Natur genießt. Unerwartet sitzt die Nachbarin, seine einzige Lebensfreude, in einer uneinsehbaren Ecke und bemerkt ihren anonymen Nachbarn, auf den sie zugeht, um gemeinsam ein paar Bierchen zu trinken und ein paar Worte zu wechseln. So seltsam der Kerl auch ist, er scheint sehr vergnüglich und sie gewinnt Vertrauen in sein unsicheres Wesen. Doch diese Bekanntschaft nimmt für das aufgeweckte und lebenslustige Mädchen einen tödlichen Verlauf. Nach einer gewissen Zeit zieht ein neues Fräulein namens Eva (Nectar Rose) in den Apartmentkomplex und freundet sich zufällig mit Roman an. Die quirlige Künstlerin mit dem extravaganten Auftreten ist, ganz im Gegensatz zu Roman, von der Analyse ihres spannenden Lebens so gesättigt, dass sie sich in phantasievoller Todessehnsucht suhlt. Als elfenhaftes Wesen, oftmals geschmückt mit Gestecken aus Gestrüpp, so als würde sie schon jetzt unter der Erde umwuchert, ist der Tod ihr Thema Nummer eins, was Roman so gar nicht gefällt, findet er doch nach dem Ableben seines einzigen Lichtblicks gerade erst ins Leben zurück.
Apartmentkomplex
„Roman“ ist eine Erzählung über die individuellen Realitäten, in denen sich Menschen befinden und zwischen denen sie auch wandeln können. Die Wahrnehmung des Menschen von sich selbst und der anderen Personen, mit denen man sich austauscht, definieren die Realität, in der sich jedes Individuum bewegt. Roman hat keine erstrebenswerte Lebensrealität. Er geht Schweißen, er wird belächelt, er sieht seine Nachbarin, als Kracher des Tages, an seinem Fenster Vorbeistreifen und legt sich hin. Die Ausweglosigkeit aus seiner Realität wird auch nicht gemildert durch die Benutzung eines Fernsehers oder anderer Utensilien, die ihn von seiner Tristesse ablenken könnten. Roman hat keinerlei Strategien, sein Leben zu meistern. Er streift als toter Lebender durch die Welt. Er nimmt einen ersten kleinen Schritt in einer seltsam beeindruckenden Szene, wo er sich aus Kippenasche einen Fernseher an die Wand malt und vermeintlich in die Glotze schaut. So als würde er eine Art der Normalität nachahmen, die er allerdings nicht empfinden kann.
Die Erzählung des Filmes folgt einer ganz eigenen Abfolge der Relationen zwischen den Figuren und ihren individuellen Lebensrealitäten: Romans Dasein ohne jeglichen Lebenswert wird von der niedlichen Nachbarin mit Leben gefüllt. Sie erfüllt ihn mit einer Vorstellung eines erstrebenswerten Lebens und kommt bei diesem Unterfangen um ihr eigenes. Diese Handlung lässt ihn nicht los, was ihn aber dazu aufrüttelt, die Erfüllung seines Lebens anzugehen. Der Roman, der sich nach Tod seines Lebensquells in eine neue, lebenswerte Welt hineinphantasiert, wird jedoch von der vom Leben abgewandten Frau von seinem Lebenshunger entfremdet und nicht zuletzt auch an seine Tat erinnert, die ihn noch immer begleitet. Und das Geschehen endet mit einem entsprechenden Twist. Romans Leben wächst und fällt mit dem Tod.
Lebenswelt
Der Film ist ergreifend, wie er gleichsam abstoßend ist. Der Zuschauer folgt einer kranken Person, bei der man freilich Probleme hat, Sympathien zu entwickeln. Auf der anderen Seite begreift man seine Problematik und bindet sich emotional an seine Lebensunfähigkeit und sein ungeschicktes Sozialverhalten. Im Kontrastprogramm schockiert es den Zuschauer durchgängig, wenn er liebevoll mit einem ehemalig lebensfrohen und nunmehr vergammelnden Leichnam kommuniziert. Roman bewahrt seine niedliche Nachbarin in Eis gepackt in der Dusche auf, unterhält sich mit ihr, phantasiert sich in lebendige Träume, die ihn in eine erstrebenswerte Realität versetzen. Sein eigener Prozess des Wachsens in ein erfülltes Leben verläuft analog zur Zerstückelung der Leiche, mit deren Einzelteilen er wochenends einen feierlichen Trip ins Grüne unternimmt, wo er, vor Entsorgung der einzelnen Gliedmaßen, es sich nicht nehmen lässt, mit ihnen jeweils gemeinsam ein Bierchen in der friedlichen Natur zu genießen.
Dabei wird der Horror des Films nur selten grafisch. Das Geschehen wird nicht wie ein Blutbad inszeniert, sondern ganz diskret gehandhabt. Teilweise driftet die Erzählung in einen bitterbösen, schwarzen Humor ab, der nicht plakativ, sondern als ein eigener Höhepunkt der Skurrilität daher kommt, etwa wenn Roman versucht, ein stinkendes Bein in seiner Bude unterzubringen, als seine Flamme vor der Tür steht und vernascht werden will. Des Weiteren wird eine Art komödiantischer running gag installiert, der nie sonderlich komisch wirkt, aber dessen Intention es sicherlich ist, dem Geschehen einen indifferenten Touch zu verleihen. So schaut sich der nebenan wohnende Verwalter des Apartmentkomplexes ununterbrochen Pornos an, was in der Wohnung von Roman zu einer recht launigen Klangkulisse aus billiger Pornomusik und Gestöhne führt.
Und falls sich der Leser gegenüber seinen Kollegen vom kompletten Außenseiter zum beliebten Kollegen wandeln möchte, so sei es laut Film empfohlen, den Herstellungsprozess von Fleisch und Bohnen in Dosen wiederzugeben.
Was vom Leben übrig blieb
„Roman“ ist ein Film, der den Zuschauer in einen dauerhaften Spannungszustand versetzt, ohne jedoch einen expliziten Spannungsbogen aufzuweisen. Trotzdem fesselt einen das Geschehen, da die Figuren und die Handlung mitreißend sind. Die eingefügten, traumartigen Bilder von Romans eigenhändig getöteten Lebenstraum, halten die eigentliche Tragik des Filmes, dass ein sinnloser Tod einer liebenswürdigen Figur Romans Aufwachen einläutet, dauerhaft am Leben. Welch eine Ironie. Man hat es hier nicht mit einem niederträchtigen Film zu tun, der mit Schockmomenten zugepflastert ist, sondern mit einem Portrait einer Figur, die lebensbejahend ist, ohne jedoch den Funken einer Fähigkeit zu besitzen, diesen Traum umzusetzen.
Das Ergebnis ist ein kleines, äußert liebevoll geschriebenes und inszeniertes Werk. Visuell erscheint Roman in einem etwas diffizilen DV-Gewand. Sehr ruhig gefilmt, nimmt die Kamera die Eindrücke, die sich in Romans Leben abspielen, auf und liefert ein Protokoll der Hoffnungslosigkeit.
"Well aren't I just the most perfect little creation?" - Der Lebenswert wird durch die Realität definiert, in der sich das Individuum bewegt.