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Den Schauspieler und späteren Independent-Regisseur John Cassavates kann man zweifellos - wie Meinolf Zurhorst dies in den "111Meisterwerken des Filmes" (Frankfurt/M. 1989) auch angemessen gewürdigt hat - als "Amerikas ungewöhnlichsten und kreativsten Filmemacher der siebziger Jahre" bezeichnen. Neben "Mord an einem chinesischen Buchermacher" (1975) stellt die Gangsterballade "Gloria" (1980) sicherlich einen weiteren Höhepunkt in Cassavates filmtechnischen Schaffen dar, wobei auch dieser Streifen ein intensives, ja markantes Schauspiel seiner Ehefrau und Hauptakteurin Gena Rowlands aufweist.

Äußerlich als ein eher simples Mafia-Drama mit Hide & Seek-Plot sowie einigen eruptiven Shootings daherkommend, entpuppt sich die Story um das ehemalige Gangsterliebchen Gloria, das sich widerstrebend eines sechsjährigen Buben annimmt, der das Massaker an seiner Familie überlebt hat und noch immer im Besitz wichtiger Unterlagen über mafiöse Geschäftspraktiken ist, als durchaus sensibles Beziehungsdrama: die taffe Schutzpatronin und ihr altkluger, oftmals nervender Klient entwickeln im Verlaufe ihrer merkwürdig unentschlossenen, weil immer wieder unter- und abgebrochenen Flucht (alle Wege führen nach Pittsburgh) unerwartete Gefühle füreinander, bis man tatsächlich von einem psychologisch stimmigen und emotional besetzten Verhältnis ausgehen kann.

Aber dieser Film lebt weit weniger von der (manches Mal nicht nachvollziehbaren) Handlung, als vielmehr von der Atmosphäre allgegenwärtiger, individueller wie situativer Unsicherheit. Die Vielzahl kurz angerissener und rasch wechselnder New Yorker Schauplätze sowie ein flirrender, jazzlastiger Soundtrack unterstreichen die Aura des Schemenhaften und der Orientierungslosigkeit.

"Gloria" ist ohne Zweifel ein sehenswerter Film, der als überfälliges DVD-Release seine 7,5/10 verdient und keinesfalls an seinem rein spekulativen Remake mit Sharon Stone in der Hauptrolle gemessen werden sollte.

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