Seit den 50er-Jahren war der Bürgerrechtskampf der schwarzen Bevölkerung in den USA mit Filmen wie "Flucht in Ketten" oder "Wer die Nachtigall stört" auch in Hollywood angekommen. 1967 war der Höhepunkt der Massenproteste für Frieden, Freiheit und Toleranz, die schließlich in die 68er-Revolution münden sollten, beinahe erreicht. Genau der rechte Zeitpunkt, um ein weiteres Plädoyer gegen rassistische Vorurteile und Engstirnigkeit in die Kinos zu bringen. Und "Rat mal, wer zum Essen kommt" gehört zu den schönsten Vertretern dieser Gattung.
Zwei der größten Schauspieler Hollywoods, Katharine Hepburn und Spencer Tracy, spielen in ihrem letzten gemeinsamen Film das wohlhabende und weltoffene Ehepaar Drayton, dessen allgemeine Toleranz auf eine harte Probe gestellt wird, als ihre geliebte Tochter mit einem Schwarzen an ihrer Seite auftaucht - und verkündet, ihn in zwei Wochen heiraten zu wollen. Während ihre Mutter nach dem ersten Schock ihren Segen gibt, bemerkt der Vater plötzlich, dass seine Ideale nicht mit seinen wirklichen Gefühlen mithalten können.
"Rat mal, wer zum Essen kommt" ist ein grandioses Ensemble-Stück, das überwiegend in der begrenzten Kulisse des elterlichen Hauses spielt und die verschiedenen Charaktere mit Genuss aufeinander prallen lässt. Tracy als scheinbar liberaler, dabei aber doch bigotter Vater, Hepburn als Mutter, die zwischen ihren alten Wertvorstellungen und ihren Gefühlen für ihre Tochter taumelt, dazu Sidney Poitier als formvollendet höflicher Arzt und Bräutigam John und Katharine Houghton als quirlig-naives Töchterchen, die gar nicht auf die Idee kommt, ihre Mitmenschen vor den Kopf stoßen zu können, geben eine reibungsvolle Gruppe, deren Dynamik vor allem durch die großartigen Dialoge bestimmt wird. So steigert sich der Film vor allem im letzten Drittel, wenn auch noch Johns Eltern eingeladen werden, die ebenso Vorurteile gegen eine Mischehe hegen, und alle Beteiligten in unterschiedlichen Konstellationen diverse Diskussionen führen.
Dabei werden von Anfang an ganz klare Statements abgegeben: Rassisten werden als dumm und feige bezeichnet und der Clou, die Hochzeit mit mehreren Haken zu behängen, verhilft der Situation zu zusätzlicher Komplexität: John ist auch noch viel älter und die beiden haben sich erst vor zehn Tagen kennen gelernt. Seine Hautfarbe gerät hier anfangs beinahe in den Hintergrund, nur um dann als Hauptproblem umso plötzlicher wieder hervorzubrechen. Fantastisch in diesem Zusammenhang die Szene, in der eine Kollegin Hepburn ihr Beileid wegen dieses Unglücks ausspricht und diese ihr mit eiskalter Höflichkeit klar macht, dass sie schleunigst verschwinden soll.
Der Konflikt, der hier mitunter etwas oberlehrerhaft, aber immer mit viel Herz und Wärme vorgetragen wird, dürfte zur Entstehungszeit des Films tatsächlich nicht selten gewesen sein: Das Umdenken in den Köpfen der Menschen setzt ja zunächst theoretisch ein; aber dass jemand Menschen anderer Hautfarbe im Allgemeinen nicht als minderwertig empfindet, bedeutet ja noch lange nicht, dass er sich auch entsprechend verhält, wenn er in seinem eigenen Alltagsleben damit konfrontiert wird. Diese Problematik setzt Regisseur Stanley Kramer mit viel Wortwitz, starken Schauspielern und einer simplen, aber spannenden Story um. Dass am Ende die Vernunft über alle Vorurteile siegt, ist ein kleines Stückchen Optimismus, das man einem Film aus einer solch konfliktbeladenen Zeit kaum vorwerfen kann. Mitunter wird er sogar prophetisch: Wenn nämlich davon gesprochen wird, dass irgendwann einmal Schwarze Präsident werden können, dann trifft "Rat mal, wer zum Essen kommt" genau den Zeitgeist des modernen Amerika - inklusive aller Schattenseiten. Mit Humor, einem schönen Soundtrack und packenden Dialogen ist er ganz klar einer der schönsten Anti-Rassismus-Klassiker aus Hollywoods Traumfabrik.