Es scheint so, als seien die 80er Jahre eine besonders hoch frequentierte Haltestelle für Zeitreisen (gewesen). Heute zieht es die Zeitmaschinen aus nostalgischen Gründen wieder besonders stark dorthin, aber schon damals steppte der Bär am Zeitreise-Bahnhof. Eine Killermaschine reiste (ungefähr in neun Jahren von jetzt an) ins Jahr 1984, um die Zukunft zu verändern, ein DeLorean entführte 1985 einen neugierigen Teenager in die 50er, um geschehenes Unglück zu revidieren. Soweit zu den beiden berühmtesten Beispielen diesbezüglich. Dazu gesellten sich aber die Abgesandten unzähliger Science-Fiction-Beiträge, die weniger klangvolle Namen hatten und durch ihre relativ hohe Anzahl für Verkehrschaos auf dem Zeitstrahl sorgten. Einer von ihnen ist Bruchpilot und hört auf den Namen Bigglesworth. James Bigglesworth.
„Biggles“, im Deutschen auch „Biggels“, ist eigentlich eine Schöpfung des britischen Schriftstellers W.E. Johns und hat mit Zeitreisen grundsätzlich einmal nichts am Hut – sieht man davon ab, dass die fast 100 Abenteuer über ein halbes Jahrhundert verteilt sind, ohne dass der Alterungsprozess der Romanfigur dabei richtig zu spüren gewesen wäre. Der Autor war selbst Pilot im Ersten Weltkrieg und entsprechend bewandert in der Luftfahrt, so dass das Erbe seiner Werke im fertigen Film auf der Hand liegt: Es ist selbstverständlich das Element der Luft und das Szenario des Ersten Weltkriegs, nicht etwa der Sprung durch die Zeit.
Dass „Der Biggels Effekt“ zum Bedauern des britischen Publikums jedoch nicht einfach ein Kampffliegerfilm geworden ist wie in den Geschichten, sondern vor allem ein Zeitreisefilm, lässt den eingangs angedeuteten „Zurück in die Zukunft“ in den engeren Kreis der Verdächtigen treten, was die Einflussnahme angeht. Und überhaupt; ein junger Amerikaner (Alex Hyde-White) in der Hauptrolle, der von einem Mentor (Peter Cushing) in die Grundlagen des Zeitreisens eingeführt wird? Das ist eine frappierend an McFly und den Doc erinnernde Konstellation, für die sogar der eigentliche Titelheld (Neil Dickson) als ominöser „Man from Nowhere“ in den Hintergrund gedrängt wird.
Der Einfluss durch Robert Zemeckis’ Zeitreise-Klassiker scheint auf der Hand zu liegen, obwohl man wohl davon ausgehen muss, dass er nicht die einzige Inspiration aus dem amerikanischen Kino war. Man muss vermutlich noch ein Stück weiter zurück gehen, den Fokus erweitern und von einem generellen Einfluss durch die „Neue Abenteuerlust Hollywoods“ sprechen, die mit Steven Spielbergs „Jäger des verlorenen Schatzes“ entfacht wurde. In artverwandten Filmen wie „Dakota Harris“, der ebenfalls mit Fliegern und Zeitlöchern hantiert, ist der Indy-Einfluss schließlich kaum mehr zu übersehen – vom Titelschriftzug bis zur Rekonstruktion der Kostüme, Sets und Stunts.
Auch vorliegende UK-Produktion ist spürbar von der Lust am Ausritt beseelt. London ist Ausgangspunkt, die Tower Bridge ist jederzeit durch die Fenster der Büros und Hotelzimmer sichtbar. Von hier aus schreit die große Freiheit ihre neun Buchstaben in den Himmel. Angetrieben wird sie auf den ersten Blick von abenteuerlichem Steampunk-Flair und unwiderstehlichen Anachronismen, die zeitweise das ganze Bild für sich einnehmen: Dampfende Röhren und rotierende Getrieberäder verbergen sich in den Eingeweiden der englischen Hauptstadt, bedeckt von einer modernen Fassade. Die Behausung des von Cushing gespielten Altoffiziers ist gespickt mit verheißungsvollen Relikten, die zum Fantasieren animieren. Die Kostümierung des geflügelten Helden mit dem putzigen Namen sieht gleichermaßen albern wie tollkühn aus.
Die Installation einer jungen Hauptfigur in ein solches Gerüst trägt allerdings Verpflichtungen mit sich, und zwar in einer Disziplin, die Michael J. Fox in seiner parallelen (Zeitzwillings- …?) Rolle zur Perfektion getrieben hat. Was dagegen Alex Hyde-White abliefert, der in seinen jungen Jahren optisch ein wenig an Topher Grace erinnert, gleicht wohl eher den Testaufnahmen von Eric Stoltz in Fox’ ikonischer Rolle. Er sieht gut aus und funktioniert dann, wenn das Drehbuch trockene Witze auf Kosten der Würde seiner Figur einbaut. Diese Gags, in denen der Zeitreisende in der jeweiligen Zeitzone wie ein bunter Hund aus der Reihe fällt, kommen immer mit Ansage. Ihr Humor basiert auf dem über Jahrzehnte bewährten Einsatz von situativer Comedy, die im vorliegenden Fall besonders gut passt, da die Zeitwechsel in furztrockenen Matchcut-Montagen stattfinden. So wird die Unmittelbarkeit der neuen Situation betont und damit auch die Pointe. Da Hyde-White über weite Strecken keine Miene verzieht, meistert er Szenen wie jene, in denen er mit WWI-Uniform von einer Putzfrau im Londoner Hotel aufgefunden wird, entsprechend mühelos. Umgekehrt wird der gleiche Effekt bei Neil Dickson verwendet, um seine Coolness zu unterstreichen – wenn Biggles als erfahrener Pilot beispielsweise erstmals einen Helikopter steuert und innerhalb von Minuten herausfindet, wie man ihn unter Kontrolle bekommt, ist das die heldenhafte Entsprechung zum ungeschickten Gepolter seines Zeitzwillings.
Allerdings geht es eben auch um Überraschungen und Überrumpelung, und da ist es dann recht unvorteilhaft, wenn der Protagonist durch ein Zeitloch fällt und dabei ein Gesicht macht wie Ferris Bueller bei einer Klassenarbeit. Auch Peter Cushing verströmt in seiner letzten Rolle bei weitem nicht mehr die Energie, die seine Rolle erfordert. Weil außerdem einige andere Nebenfiguren recht unentschlossen geschrieben sind (insbesondere jene aus dem Büro-Umfeld der Hauptfigur) und das Jon-Anderson-Main.Theme mit seinen synthetischen Toms mindestens zwei Nummern käsiger ausfällt als in Filmen mit vergleichbarer Abenteurer-Thematik, scheinen die Akzente bei der Verschiebung der Schwerpunkte Richtung Hollywood-Abenteuer nicht immer ganz glücklich gesetzt.
Dafür überzeugen die Aufnahmen in der Luft mit einigen eindrucksvollen Manövern und schönen Ausblicken auf London. Die gigantische Schirmwaffe der Deutschen, obgleich ihre Bedrohung akustischer Natur ist, sorgt für optisch sehr interessante Stroboskop-Effekte. Und wenn durch die Überkreuzung der Zeitebenen dann moderne Hubschrauber über einem Schützengraben des Ersten Weltkriegs auftauchen, dann bekommt man wahnsinnig tolle Kino-Augenblicke serviert, die man nicht unbedingt erwartet von einem Film, über den die Zeit hat Gras wachsen lassen.
Es ist schon zu verstehen, weshalb „Der Biggels Effekt“ die Filmgeschichte nicht gerade mit dem Flügelschlag des Schmetterlingseffekts aufgewühlt hat, so dass man trotz der vielfältigen Auswahl an Romanvorlagen bis zum heutigen Tag auf eine zweite Adaption wartet. Für England nicht authentisch genug, für den Rest der Welt zu nichtssagend, war dem Namen „Biggels“ eine signifikante Verbreitung nie vergönnt. Dabei darf man im Zuge der großen 80er-Retrospektive durchaus mal ein Auge darauf werfen, denn bei allen Schwächen verströmt die Mischung aus Zeitreise-Abenteuer und Kriegsfilm im Gefäß der familienfreundlichen Abenteuerkomödie genau die Note, die man bei vergleichbaren Werken jener Epoche sucht. Und bekommt womöglich noch die ein oder andere positive Überraschung dazu.