„You brought music back into the house. I had forgotten.“ -
Es gibt bis heute wahrscheinlich wenige Werke, die auf eine solch kuriose Geschichte zurückblicken können, wie die Film-Adaption von THE SOUND OF MUSIC: In den deutschsprachigen Ländern - eigentlich Schauplatz des Stückes - bei Erstaufführung nur gekürzt zu sehen, und von Kritik und Publikum gleichermaßen geschmäht, avancierte das Leinwand-Musical weltweit, allen voran in den Vereinigten Staaten zum Massenerfolg, und zählt zusammen mit der ROCKY HORROR PICTURE SHOW wohl zu den einzigen Musikfilmen, die eine wirkliche Happening-Kultur und einen Kultstatus heraufbeschwören konnten, der von Christina Aguilera bis hin zu Lars von Trier weit in die heutige Popkultur hineinreicht.
Naheliegend ist es sicherlich, die unterschiedliche Rezeptionshaltung des deutschen und amerikanischen Publikums an der historischen Aufarbeitung des Films selbst festzumachen, der zwar - im Gegensatz zur vorangegangenen Bühnenversion des Stückes - den Anschluss Österreichs durch die Nazis nicht beiläufig, sondern auch offensiv optisch einfängt, gleichzeitig aber auch die eigentliche Ambition des Werkes noch weiter in den Vordergrund schiebt: THE SOUND OF MUSIC im positiven Sinn ein amerikanischer Film, eine Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema, welches in dieser Form wohl nur von Leuten vollbracht werden konnte, die nicht direkt in die europäischen Konflikte der vergangenen zwanzig Jahre involviert waren; die kein kollektives Trauma aufarbeiten mussten, sondern denen daran gelegen war, den historisch vorbelasteten Stoff künstlerisch zu abstrahieren.
Wie ein roter Faden, ernennt auch der Film dabei seinen eigenen Titel selbst zum Konzept: THE SOUND OF MUSIC ist keine politische Parabel, kein Heldenlied auf den österreichischen Widerstand oder die Biographie der Familie Trapp, sondern im Grunde seines Herzens ein klassisches Märchen: Ein Film über die Kraft der Musik, der in ekstatischer Fröhlichkeit von der wahren Liebe aller Widrigkeiten zum Trotz, und von der Überwindung des Bösen durch das Gute erzählt, und welcher keinerlei Ambitionen hegt, die geschichtliche Verortung seines Plots näher auszuleuchten, als im selbstgesteckten Rahmen nötig erscheint. Und doch greift das Script den Gefahren einer möglichen Romantisierung der Gesamtsituation zumindest insoweit vorweg, als das es ebenso prägnant wie überzeichnend Stellung bezieht, indem er die Nazi-Anhänger als jene Opportunisten-Truppe inszeniert, die sie vermutlich waren.
Nichtsdestotrotz: Wenn irgendwo zwischen Nazi-Aufmärschen und weltpolitischer Eskalation über Berge und Apfelstrudel gesungen wird, mag vielen diese Art der Auseinandersetzung naiv und weltfremd erscheinen, und doch sind es die ursprünglichen Essenzen zweier Genres, die hier vorgetragen werden: Musical und Heimatfilm sind beide auf ihre Art und Weise Eskapismus, Überhöhung - ja vielleicht sogar Verklärung - der Wirklichkeit, wahlweise Realitätsflucht oder -verweigerung - und entziehen sich damit automatisch einer auf reine Rationalität abzielenden Kritik. Man kann all das nun freilich als Kitsch abtun, man kann - oder vielmehr: sollte - diesen Anspruch aber in erster Linie als einen wesentlichen Grundpfeiler der gesamten Film- und Unterhaltungskultur ansehen.