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Das dänische Drama "Der Traum" erzählt die Geschichte des kleinen Frits, der im Sommer 1969 auf die Schule des tyrannischen Direktors Svensson kommt. Als dieser ihn für ein Vergehen bestrafen will und ihm dabei ein Ohr beinahe abreißt, sind sowohl Frits' Eltern als auch sein junger, modern denkender Musiklehrer der Meinung, nun sei Svensson zu weit gegangen. Mit allen Mitteln fordern sie Konsequenzen für die brutale Misshandlung, die der Direktor als Erziehungsmaßnahme ansieht. Doch der Kampf gegen das in alten Doktrinen erstarrte System ist lang und hart.

In ruhigen, unspektakulären Bildern und ohne große formale Spielereien zeichnet der Film die Atmosphäre in Dänemark während der 68er-Revolution nach. Anhand vereinzelter Schicksale wird so die Mühsal deutlich, mit der die junge Generation gegen die alten Konventionen ankämpfte, hinter denen sich allzu oft Rassismus und Chauvinismus verbargen. Dabei gelingt der Spagat zwischen der Darstellung des friedlichen Landlebens und dem gesellschaftlichen Druck, sich den herrschenden Wertvorstellungen anzupassen und unterzuordnen, der selbst bis in diese entfernten Regionen vordringt. Der erzkonservative Direktor fungiert als Symbolfigur für die Kriegsgeneration, gegen deren engstirnige Denkweise sich die Revolution wendete. Er hält Prügelstrafen für angemessene und wichtige erzieherische Mittel, redet im Zusammenhang von Blues und Rock von Negermusik und gibt sich selbst den Anschein, stets das Beste seiner Untergebenen und der Kinder im Sinn zu haben. So stellt der Film auch sehr anschaulich die Mechanismen heraus, mit denen der Direktor - stellvertretend für den Staat - seine Mitmenschen manipuliert, besticht und sogar bedroht - vorgeblich für das Gemeinwohl, aber tatsächlich nur, um seine eigene Machtposition zu bewahren.

Ebenso detailgetreu wird dargestellt, wie die revolutionären Gedanken ganz allmählich ins Denken der jungen Generation einsickern. Frits hört sich Reden von Martin Luther King an und nimmt ihn sich als großen Humanisten zum Vorbild - seine Rebellion gegen die Konventionen beginnt mit der Weigerung, sich eine Kurzhaarfrisur schneiden zu lassen, und endet mit einem offenen Affront gegen den scheinbar unantastbaren Direktor. Das alles wird in authentischen Kulissen und mit viel Feingefühl für zwischenmenschliche Töne inszeniert.

Einziges Manko dieses sympathischen, familienfreundlichen Pro-68er-Films sind die nur mäßig begabten Schauspieler - besonders in extrem emotionalen Szenen wirkt die Darstellung aller Beteiligter meist recht gestelzt - und die mehr als fragwürdige Auflösung. So schießt das an sich hochdramatische und mitreißende Finale weit über das Ziel hinaus, wird erst schwer pathetisch und dann sogar schlicht reaktionär. Das tragische Ende als göttliche Gerechtigkeit zu verklären, widerspricht komplett den Ansichten des zuvor so häufig im Film erwähnten Martin Luther King. Hier wäre ein wenig mehr Besonnenheit im Drehbuch angebracht gewesen.

Nichtsdestotrotz unterhält "Der Traum" als überzeugendes Abbild einer erstarrten Gesellschaft, die nur durch schweren Kampf aufgebrochen und erneuert werden kann. Und auch wenn hier wahrscheinlich eines der friedlichsten Bilder der 68er-Bewegung gezeichnet wird, können auch junge Zuschauer einiges über Zivilcourage und Individualität lernen.

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