US-Regisseur Taylor Hackford lieferte mit „Blood in, blood out“ eines der großen Hollywood-Epen der 90er-Jahre, das zwar nicht ganz so tief ins kollektive Gedächtnis einging wie andere ähnlich gelagerte Werke, aber trotzdem mit seiner tragischen und psychologisch vielschichtigen Story zu den großen Hollywood-Würfen jenes Jahrzehnts zählt: Die Geschichte dreier „Brüder“ (zwei tatsächlich, einer im Geiste) aus den lateinamerikanisch dominierten Ghettos von Los Angeles, die zwischen Bandengewalt, Gefängnis, Drogenkriminalität, Polizei und Kunst ihre Wege suchen, kann beinahe drei Stunden lang mit packenden Entwicklungen, tragischen Wendungen und schweren Schicksalen unterhalten.
Anhand des zentralen Dreiergespanns wirft der Film einen kritischen und differenzierten Blick auf das Milieu der Bandenkriminalität der 70er-Jahre. Aus übermütigen „Scherzen“ zwischen jungen Männern verfeindeter Clans kann schnell brutale Gewalt entstehen, die Schicksale beeinflusst: Ein angehender Künstler wird verletzt und gerät über seinen dauerhaften Schmerzen in Drogenabhängigkeit; ein anderer wird angeschossen und landet in San Quentin, einem knallharten Knast, in dem er sich mit einer weiteren lateinamerikanischen Bande verbindet, um zu überleben. Und der Dritte wandelt sich vom ehr- und blutbesessenen Gangster zum Cop, der die Kriminalität seines Heimatviertels auszutilgen versucht. Diese Konstellation sorgt immer wieder für spannende und dramatische Konfrontationen, die mit Begriffen wie Ehre und Loyalität das Problemfeld absteckt, innerhalb dessen hier Entscheidungen getroffen werden. Dass das alles Ausdruck hochproblematischer toxischer Männlichkeit ist, wird vielleicht nicht direkt kritisiert, aber immerhin schonungslos offen gezeigt (auch wenn das permanent um Härte und Dramtik bemühte Dauer-Macho-Gepöbel gegen Ende doch etwas anstrengt).
Überhaupt ist „Blood in, blood out“ ein sehr typischer 90er-Jahre-Film, im Guten wie im Schlechten: Dramaturgie und Darstellungsweise erinnern oft eher an eine (sehr gut gemachte) Seifenoper denn an einen großen Kinofilm (melodramatisches Schreien, übertriebene Umarmungen oder Handzeichen der Zugehörigkeit, schwere Schicksalsschläge). Teilweise wirkt die Handlung trotz der epischen Laufzeit etwas gehetzt und springt sehr schnell vor, wodurch manche Sequenzen nicht ihr ganzes Potenzial ausspielen können und der eine oder andere Charakter unterentwickelt bleibt. Und dass Frauen hier nur marginale Rollen als Objekte der Begierde oder keifende Mütter erhalten, mag mit den realen Gegebenheiten in einem solchen Milieu zusammenhängen, lässt den Film aber zu einem altmodischen Männerfilm verkommen, der mit der Zeit recht eintönig wirken kann.
Dennoch überzeugt „Blood in, blood out“ über weite Strecken. Die leicht melodramatische Inszenierung erzeugt immerhin ein gehöriges Maß an Spannung, etwa wenn es zu plötzlichen Schießereien, einem dramatisch schiefgehenden Raubüberfall oder komplex choreografierten Mehrfachmorden in Gefängnissen kommt. Die ruhige Kamera, die meisterhaft zwischen Distanz und großer Nähe zu den Agierenden wechselt und nie in hektische Ausreißer verfällt, erzeugt in Kombination mit dem umso dramatischeren und in einzelnen Szenen bombastischen Score eine packende Atmosphäre, die von den hellen, leicht grobkörnigen Bildern einer längst vergangenen Großstadtrealität untermauert wird. Hier entwickelt sich im besten Sinne klassische, dreckige 90er-Jahre-Ästhetik.
Auch erzählerisch hält der Film durchgehend bei der Stange, begleitet die Schicksale und Entwicklungen der einzelnen Figuren konsequent und stringent und zeigt eine durchgehend glaubhafte Änderung der Charaktere. Dass der Außenseiter zum brutalen Bandenchef aufsteigt, der ehrversessene Gangster Polizist und der drogensüchtige Künstler ein tragischer Verlierer wird, gibt der Gesamtstory einen wahrlich epischen Touch, der bis zum Schluss das Interesse aufrecht erhält. Alles in allem hat Taylor Hackford hier trotz mancher Klischees, übertrieben melodramatischer Momente und anderer kleiner Schwächen einen furiosen Mix aus Familiendrama und Gangster-Thriller kreiert, der noch dazu mit Stars wie Ving Rhames, Danny Trejo oder Billy Bob Thornton in frühen Rollen aufwartet.