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Was wäre, wenn ich heute schon weiß, was übermorgen passiert, da gestern in drei Tagen war?

Diese Frage muss Sandra Bullock („Speed“, „The Lake House“) sich plötzlich stellen, als ihr Unglaubliches widerfährt. Im Mystery-Drama „Premonition“, dem US-Debüt des Regisseurs Mennan Yapo („Lautlos“), durchlebt sie die schlimmste Woche ihres Lebens – nur nicht chronologisch. Die Frage ist wie so oft: kann sie die Vergangenheit ändern? Oder ist es eher die Zukunft? Oder die Gegenwart?

Jedenfalls geht es um Lindas Mann Jim (Julian McMahon; „Nip/Tuck“), von dem sie Donnerstag (Tag 1 in der Filmchronologie) erfährt, dass er Mittwoch einen Autounfall hatte und dabei verstarb. Eine Welt bricht für sie und ihre Töchter Bridgette und Megan zusammen. Doch bevor der erste große Schock überwunden werden kann, gibt’s gleich am nächsten Tag einen weiteren: Jim ist wieder da und macht sich gerade fertig für die Arbeit. Es ist Montag (Tag 2) – zwei Tage vor dem Unfall, weshalb Jim noch lebt. Sie hält den gestrigen Tag nur für einen bösen Traum, doch am nächsten Tag, Samstag (Tag 3), findet gerade die Trauerfeier im Haus statt.
Und schon sind wir wieder bei den Fragen von oben. Ist sie in der Lage die Geschehnisse so zu beeinflussen, dass sie weiterhin mit Jim glücklich und zufrieden leben kann? Und will sie das überhaupt, nachdem ihre Ehe in letzter Zeit nicht mehr das glückliche Paradies einstiger Tage war?

Weder reist Linda durch die Zeit, noch kann sie die Zukunft sehen, hier werden ihre Tage einfach nur mal gehörig durcheinander gewürfelt, so dass sie am Ende der Woche nicht weiß, wieso bestimmte Personen, beispielsweise der Psychiater Dr. Roth (Peter Stormare; „Unknown), sie schon kennen, sie sie aber noch nie gesehen hat, was sich dann am Anfang der Woche klären soll, wenn sie sich wirklich kennen lernen. Linda erlebt die Tage nur später. In gewisser Weise hat die Erzählstruktur „Memento“-Züge, denn auch hier geht’s abwechselnd zum Ende und dann wieder zum Beginn – nur tageweise. Das ist auch das große Plus des Films, der sonst nicht viel zu bieten hat. Denn das Storygerüst an sich ist klapprig, alt, heruntergekommen und sollte besser gar nicht betreten werden.
Die Erzählstruktur wurde in der Fachpresse oft als konfus, wirr und verworren beschrieben, allerdings ist die Realität dann doch weitaus weniger schlimm, als man er danach vermuten würde. Es gibt sieben Tage, die nacheinander durcheinander erzählt werden, und jeder, der schon mal ein Buch in der Hand hielt, sollte keine größeren Schwierigkeiten haben, in Lindas Woche mitzukommen – zumal sie sich mitten im Film noch Notizen macht, was sie bisher erlebte.
Wäre der Film chronologisch, würde er erstens nicht funktionieren, aber viel wichtiger ist, dass es zweitens somit ansprechend und interessant gehalten wird, obwohl man immer das Gefühl hat, als schalte man eine ganze Idee früher als Linda.

Was gleich zum Kritikpunkt führt: dem Tempo. Während man in anderen Filmen, die sich mit dem Thema Zeitreise auseinandersetzen („Premonition“ tut das ja nur im allerweitesten Sinne), oftmals mit einem hohen Tempo für den Quatsch, den man da gerade sieht, belohnt wird, verzichtete man hier darauf und schuf ein Mysterydrama mit leisen Tönen und zum Großteil ohne Hektik. Dadurch zieht sich der Film aber auf Grund der einfallslosen Plots so sehr in die Länge, dass ein wenig Action nicht geschadet hätte – oder vielleicht ein paar Spannungsmomente. Die werden zwar eingeflochten, wirken aber deplatziert und höchstens als Streckung ergänzt wie zum Beispiel der Vogel. Denn abgesehen von einer dezenten metaphorischen Bedeutung in Richtung Unglück und Tod, ist er ebenso überflüssig wie die restlichen kleinen Details (die Bilder, die Linda an die Fenster klebt, die rausgerissene Telefonbuchseite etc.), die sich durch die Woche ziehen, damit man sich immer erinnert, welcher Tag gerade ist. Somit gibt es des Öfteren ein Aha-Erlebnis, wie es beispielsweise dazu kam, dass die Seite nicht mehr im Buch zu finden ist. Wirklich dienlich und nötig für den Storyverlauf sind aber nur die wenigsten Dinge davon.

Nächster Punkt: innere Logik - das Thema, an dem sich die Geister bei Genrefilmen immer scheiden. Sicherlich sollte man nicht wissenschaftlich an solch eine Art Film gehen, aber wenn dann wirklich ein paar grobe Schnitzer den Weg in den Film finden, dann sollten die schon erwähnt werden. Dass die Klasse eines „11:14“ in Sachen Continuity nicht erreicht wird, wäre noch zu verschmerzen, aber ein wenig sorgfältiger hätte man da schon nachschauen sollen.
Beispiele? Bitte…
Fall 1: Am sechsten Tag, Sonntag, unterhalten sich Linda und Jim über ihre Beziehung. Am siebten Tag, Mittwoch, nimmt Jim in einem Telefonat Bezug auf dieses Gespräch. Merke: für ihn sind zwischenzeitlich zwei Tage vergangen. Trotzdem erwähnt er beide Male, dass es „gestern“ war. Für Linda und den Zuschauer war es tatsächlich gestern, für ihn aber ganz sicher nicht.
Fall 2: Bridgette, die ältere Tochter, hat ebenfalls im Verlauf des Films, am Dienstag (Tag 4), einen Unfall, verletzt sich aber nur leicht. Donnerstag (Tag 1) ist davon aber noch nichts zu sehen. Erst Samstag (Tag 3) sieht man ihre Verletzungen, die dann gleich für Aufruhr sorgen. Es wirkt gerade so, als wollte man die Verletzung unbedingt reinbringen, aber zeitgleich hatte keiner einen Gedanken daran verschwendet, dass sie dann auch anfangs einen Sinn ergeben muss.
Fall 3: Wie eigentlich immer in thematisch ähnlich gelagerten Filmen ist das Ende dann ebenfalls völlig entgegen aller Logik, deren Begriff man bis dahin sowieso immer schon weit dehnen musste.

ACHTUNG SPOILER: Schlussendlich ist Linda dafür verantwortlich, dass Jim stirbt, da sie erst durch ihre Rettungsaktion dazu beiträgt, dass der Unfall auch wirklich stattfindet - kein Happy End steht sicherlich auf der Habenseite. Aber wenn wirklich das Ende der Woche so verlief, wie sie es schon vorher erlebte, müsste sie theoretisch wissen, dass sie verantwortlich ist. Tut sie aber natürlich nicht. SPOILER ENDE

Somit ist das Mitraten, wenn man denn seine kostbare Zeit, die man momentan im Kino verschwendet, damit verbringen möchte, auch nicht ganz einfach, da zum Schluss auch der letzte Hauch Realität völlig über Bord geworfen wird.
Das dritte Problem hatte beispielsweise auch „Déjà vu“ in einem ziemlich ähnlichen Fall. Der war aber so temporeich inszeniert, dass man da wenigstens keine Chance hatte, sich darüber große Gedanken zu machen, weshalb man auf Grund des daraus resultierenden Unterhaltungswerts über dieses Logikloch hinwegsehen konnte. Aber „Premonition“ fehlt dieser wichtige Teil ebenfalls…

Dafür gibt’s aber extrem sentimentalen, religiösen Moralkitsch zum Schluss, der so klebrig und widerlich ist, dass dann auch noch die letzten paar guten Erinnerungen an den Film fast vollständig ausgelöscht werden. Da hilft nur eins: verdrängen und hoffen, dass man die wenigen guten Szenen im Gedächtnis retten kann.

Noch dazu stapeln selbst die Schauspieler nicht besonders hoch – wie es in einem Drama aber besser sein sollte. Sandra Bullock, die sich noch nie richtig hervortat, hatte schon deutlich bessere Tage; sie wirkt immer ein wenig müde (im wahrsten Sinne des Wortes) und fast schon zu emotionslos, wenn sie nicht gerade schreien darf.
Und mein guter Freund Julian McMahon hatte einfach das Pech der Rolle, die ihm gar keinen Raum für irgendetwas ließ. Sowieso schon mit wenig Screentime bedacht, ordnet er sich dann auch noch in jeder Szene Linda unter und verkommt zum Weichei mit einer derartigen Ausdruckslosigkeit, dass er seine kostbare Zeit lieber in andere Projekte hätte stecken sollen.

Inhaltlich ist das also natürlich, genretypisch, wieder mal kompletter Stuss. Aber auch der könnte Spaß machen – „Premonition“ tut das aber leider herzlich selten. Zu wenig aufregend sind viele Kamerafahrten (als Linda am zweiten Tag aufwacht, dachte ich, die Szene endet nie), zu uninteressant und bekannt die Story, zu aufgesetzt die Moral, zu irrelevant die ganzen kleinen Gegenstände, die die Tage für Linda verknüpfen.
Dabei rettet die von vielen Kritikern verdammte Erzählstruktur, für mich fordernd, aber nicht überfordernd, auch nur wenig, obwohl ich prinzipiell ein Fan des Genre um Zeitreisen bin – egal, wie sie schlussendlich zustande kommen. Der genaue Grund für das Hin und Her wird hier auch nicht geliefert. Mit der Moral im Rucksack wirkt er fast schon wie ein ausschließlich belehrender Film, der nur genau das Ziel verfolgt, weshalb es einfach so ist, wie es ist.
Insgesamt also ein erschreckend schwaches Suspensedrama, das nie Fahrt aufnimmt und erst im Showdown ein wenig Spannung erzeugen kann, davor aber einen Großeil seiner vorhandenen Chancen verspielt.

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