Review

Das Theaterstück von Oscar Wilde, das auf eine Begebenheit aus dem Neuen Testament der Bibel basiert, "Salome" wurde oft für die Bühne oder für die Leinwand adaptiert. Clive Barkers Interpretation des klassischen Stoffes ist eine der wohl ungewöhnlicheren Aufarbeitungen der Geschichte.

Warum? Weil Barkers Fassung von "Salome" nun gar nicht "geschichtlich" ist, sondern fast jegliches Erzählen über Bord wirft. Es gibt keine Dialoge, nur Sound und Musik. Die Inszenierung und der Schnitt helfen uns nicht sonderlich bei der Orientierung und bei dem Verständnis für das Gezeigte. Es sind die Bilder, die pure Kraft der Bilder, die hier den Ausschlag geben. Barkers Geschichten, egal ob sie man auf seine Bücher ("Das Buch des Blutes"), oder auf seine Filme ("Hellraiser") bezieht, waren nie aufgrund ihres Inhaltes einzigartig, sondern immer aufgrund seiner Technik, wie er sie erzählte. Im Roman war es seine blumige, elaborierte Ausdrucksweise, die die Profanität und Vulgarität des Blutes, des Todes und der Gedärme, und deren Konnektivität zu sexuellen Gelüsten, plötzlich literarisch etablierten; im Film seine extremen Splattereffekte, die kindliche Urängste heraufbeschworen, eingebettet in einem gewöhnlichen Mainstream-Umhang.

Hier, bei seinem filmischen Debüt aus dem Jahre 1973, erst zig Jahre später für die Öffentlichkeit entdeckt, geht er den Weg der bildhaften Codierung, und bezieht sich dabei eindeutig auf das Underground-Kino aus den Sechzigern, am deutlichsten auf die Filme von Kenneth Anger. Zwar findet der Zuschauer noch Versatzstücke aus der "Salome"-Geschichte, jedoch werden sie eher beiläufig wahrgenommen. Denn was bei "Salome" zählt, ist das unglaublich düstere, ursprüngliche Feeling, das Barker hier technisch überraschend versiert hervorruft. Dieser 18-minütige Kurzfilm wurde auf 8mm-Material gedreht; die Kulissen wurden in den Hinterräumen und Kellern eines Blumenladens gedreht. Und obwohl Barker erst 18 Jahre alt war, und er die filmischen Gegebenheiten eines Homevideos vor sich hatte, schafft er es den Film anders aussehen zu lassen. Er setzt das Licht durchweg perfekt, schafft erschreckend gute Kontraste und filmt Close-ups von seinen Figuren, die zwar eindeutig von Anger geklaut sind, ihre Wirkung aber keinesfalls verfehlen.

Barkers "Salome" ist sein allererster Film. Man merkt diesem Experimentalfilm zu jedem Zeitpunkt seiner kurzen Laufzeit an, dass Barker von Theaterexperimenten und Undergroundfilmen beeinflusst war, und dass er sich weniger für die zu erzählende Geschichte, als für seinen eigenen, individuellen, enigmatischen Style interessierte. Damit ist "Salome" vielleicht auch der Film Barkers, der am ehrlichsten und unverfälschten mit seiner eigenen Vision umgeht. Denn seine späteren Filmversuche, seien sie auch noch so groß-budgetiert und gut angesehen, haben allesamt nie die unterirdische, leidenschaftliche Kraft von "Salome" erreicht.

Details
Ähnliche Filme