Bob Lee Swagger (Mark Wahlberg) ist Scharfschütze und Ex-Marine. Er bekommt Besuch in seinem malerischen Exil und wird von Colonel Isaac Johnson (Danny Glover) überredet, vorübergehend ins Berufsleben zurückzukehren, um einen Anschlag auf den Präsidenten zu verhindern. Doch ehe er sich versieht, ist er in der Rolle des Attentäters, die Johnson für ihn inszeniert hat. Doch er entkommt dem Komplott, überlebt schwer verwundet und taucht vorerst unter. So erinnert das erste Drittel des Films eher an die Bourne Identität als an einen harten Actionfilm.
Nach der Genesung wird es allerdings Zeit, dass sich diese US-Kampfmaschine in bester Schwarzenegger, Stallone und Seagal Manier erhebt, um sich an den Zerstörern ihrer Reputation furchtbar zu rächen. Diese Absicht wird zum Auftakt einer Schießorgie, die wir seit den 80ern kaum noch gesehen haben. Und genau in deren Tradition sieht sich Antoine Fuquas neuester Film. Die Schurken werden zu Dutzenden in Fetzen geschossen oder mit Napalm gegrillt. Mitleid mit dem Feind wird hier kleingeschrieben, denn Swagger lässt es sich nicht nehmen, jeden der Initiatoren des Unrechts gegen ihn zu exekutieren, ob bewaffnet oder unbewaffnet. Die ungewohnt hohe Altersfreigabe für einen Actionfilm ist in diesem Fall gerechtfertigt. Dabei spielt nicht nur der hohe Grad an expliziter Gewaltdarstellung eine Rolle - das Blut spritzt bei „Shooter" an allen Ecken und Enden -, sondern wohl vor allem die Botschaft. Und die ist bei Fuquas Film klar: Korruption und Verbrechen muss ausgerottet werden, zur Not außerhalb des Gesetzes. Dabei finden sich diesmal nicht die Namenlosen in den Straßenschluchten der Großstädte - wie bei Winners „Ein Mann sieht rot" Reihe - im Visier des Helden, sondern die vielen noch unsympathischeren Drahtzieher und Lobbyisten in den höheren Sphären der sozialen Schichtung der USA. Swagger durchlöchert angeworbene Söldner ebenso wie vom rechten Weg abgekommene Senatoren. Im Bleigewitter Mark Wahlbergs sind alle Gegner gleich.
Fuqua schreitet mit seinem Protagonisten nun endgültig auf den inzwischen mit Gras überwachsenen Pfaden unserer Helden aus den Achtzigern. Niemand hat in den letzten Jahren auf dem Sektor des Erwachsenenactionfilms, der ausnahmsweise einmal nicht auf einer Comicvorlage basiert - wie etwa „The Punisher" - das Muster der Action- und Rachefilme aus dem vorletzten Jahrzehnt konsequenter verfolgt als Fuqua mit „Shooter". Es gibt hier kein grau. Es gibt nur schuldig und nichtschuldig. Und bei Swagger tut man gut daran, nichtschuldig zu sein. Seine stoische, kaltblütige Gnadenlosigkeit erinnert den Ballerfilmfan herzerfrischend an bessere Tage des Actionkinos. Während das Gros des A-Actionausstoßes heutzutage eine Mischung aus Familienfreundlichkeit und den Resten der Werte des alten Actionfilms zelebriert, die eigentlich nur hie und da kurz aufflackern, besinnt sich „Shooter" auf das, was der erwachsene Kinobesucher bei einem solchen Film sehen möchte. Wir sehen eine Kampfmaschine, die unbesiegbar, omnipotent und allgegenwärtig ist. Es wuseln auch keine frühreif intellektuellen Kinder durch das Plot, die Papa auf dem Kurs der Gnade halten könnten, es gibt auch keine Frauen, deren Liebe den Helden zu hehren Werten wie Milde und Besinnung mahnen könnte, und es gibt keinen Helden, der dem Zeitgeist gerecht wird, indem er an irgendeinem Punkt im Plot der Gewalt abschwört. Es gibt allerdings einen Hund im Leben des Bob Lee Swagger - und der wird von den Spitzbuben entsprechend ihrem Charakter ohne Grund erschossen. Ein Fehler, der ein Massaker auslöst, das sich gewaschen hat.
Ganz dem Zeitgeist abschwören ist allerdings auch bei Fuquas Film nicht Programm. Wo der Regisseur politisch steht, zeigte bereits sein „Tränen der Sonne", der zwar wesentlich jugendfreundlicher, aber noch gänzlich unkritisch gegenüber der Politik der eigenen Nation war. Das ist „Shooter" nicht. Die Politik und ihre Machenschaften sind ebenso Ziel Swaggers wie das Irakfiasko, korrupte Politiker und Bonzen ebenso wie gewissenlose Söldner. Man merkt an diesen auf den ersten Blick geringfügigen Änderungen der Strukturen des seinem Wesen nach konservativen Actionfilms, dass die Stimmung in den USA bezüglich der Außenpolitik ihrer Volksvertreter nicht mehr die von 2003 ist. So ist Swagger zwar - natürlich - kein Feind des Präsidenten, doch „mag er ihn nicht besonders, und seinen Vorgänger auch nicht". Die zuletzt resignative Politverdrossenheit Swaggers wirkt ansteckend und ebnet ihm und damit uns den Weg der Gerechtigkeit außerhalb des Gesetzes, das korrupte Politiker nur dazu benutzen, sich dahinter zu verstecken.
„Shooter" ist ein knallharter Selbstjustizactionfilm, den wir in dieser Form schon lange nicht mehr gesehen haben. Es wird, wie bei Filmen dieses Genres üblich, schwarz-weiß gemalt und der Realität wenig Luft zum atmen gelassen. Doch genau das ist es, was der Fan des Achtziger Ballerfilms sehen möchte. Wer die Wirklichkeit sehen will, der lese die Zeitung und merke, dass es hier keine Möglichkeit gibt, das Böse einfach aus der Welt zu knallen; Mark Wahlberg hat sie - und nutzt sie!