Selbst unter eingefleischten Fans der Edgar Wallace-Filme genießt Helmut Ashleys einziger Beitrag zu der deutschen Kultfilmreihe „Das Rätsel der roten Orchidee“ alles andere als einen guten Ruf. Der Film beinhalte nicht die „typischen Merkmale“, sei zu „klamaukig“, nicht atmosphärisch genug, zu amerikanisch, etc., etc.
Eigentlich schade, denn „Das Rätsel der roten Orchidee“ ist Gangster-Theater par Excellence, voll von ironischem bis makabren Humor und spitzbübischen Dialogen, dazu noch erstklassig besetzt. Regisseur Ashley und Drehbuchautor Egon Eis (wieder unter dem Pseudonym Trygve Larsen) der bereits das Drehbuch zum ersten Wallace-Film „Der Frosch mit der Maske“ verfasste (und der damit legitimiert sein dürfte, Neuerungen am „typischen“ Stil vorzunehmen), versuchen gar nicht erst, an die Machart und die Stimmung der vorangegangenen Gruselkrimis anzuknüpfen, lassen hingegen von vornherein erkennen, das ihr Ziel nichts weiter als eine spritzige Gauner-Posse ist.
Eine düstere Atmosphäre, bedächtigen Handlungsaufbau und menschliche Abgründe stehen hier nicht im Vorderpunkt, statt zu rätseln und zu mitzufiebern lädt der Film vielmehr dazu ein, sich großartig zu amüsieren. Und genau das gelingt ihm auch, unterlässt man den wenig dienlichen Vergleich mit vorangegangenen und folgenden Werken. Den Kontrapunkt des Stilbruchs muss er sich nicht einmal gefallen lassen, schließlich liebte auch Wallace selbst den schwarzen und grotesken Humor was unter anderem sein komödiantischer Roman „Der Doppelgänger“ verdeutlicht, ebenso interessierte er sich für die amerikanische Unterwelt (hier möchte ich auf „Nach Norden, Strolch“ verweisen) und das der Humor auch der früheren Filme nicht gerade unauffällig und subtil von statten ging ist wohl kein Geheimnis- Eddi Arent lässt grüßen, hier wie dort. Somit ist der Film auf den zweiten Blick sogar Wallace pur.
Woher also diese Ablehnung? Ich verstehe es wirklich nicht. Jedenfalls kann man dem „Rätsel der roten Orchidee“ weder Langeweile noch Einfallslosigkeit vorwerfen. Schritt um Schritt folgen innerhalb der gerade mal 80 Minuten Laufzeit Schlag um Schlag aufeinander und sorgen für ein mörderisches Tempo, ebenso mörderisch wie die Gangster im Film. Das ist zwar nun weniger Suspense als vielmehr Action, aber wen stört’s… Selbst die vergleichsweise an der Oberfläche dümpelnde Charakterzeichnung der Protagonisten fällt in diesem Fall nicht negativ auf.
Auch Komponist Peter Thomas hatte die augenzwinkernde Intention sofort begriffen und unterstützt die komödiantischen und überzogenen Szenen nach Kräften. Wenn Eddi Arent in voller Militärs-Montur (!) auf dem Dach des bedrohten Oberst Drood auf- und ab marschiert, erklingt beschwingte Marschmusik und als der „schöne Steve“ (Klaus Kinski) die Zusammenkunft mit der Minelli-Gang verlässt ertönt „Auld long syne“, ein altes schottisches Abschiedslied. Auch sonst wirkte das Thema des Films scheinbar höchst inspirierend auf den Musiker so dass alleine seine Untermalung das stilechte Gefühl eines Mafia-Films, besser gesagt einer Mafia-Farce erzeugt. Auch sind bestimmte Personen jeweils mit einem eigenen Thema versehen, das bei jedem ihrer Auftritte erklingt, ein Schema, das in der Wallace-Reihe einmalig bleiben sollte. Sicherlich ist dieser Soundtrack zu Thomas’ originellsten und markantesten Arbeiten zu zählen.
Zum Gelingen des Ganzen trägt aber vor allem das spielfreudige Ensemble bei. Auch wenn der Österreicher Adrian Hoven, später einer der wichtigsten Exploitation-Pioniere im deutschsprachigen Raum („Hexen bis aufs Blut gequält“, „Hexen geschändet und zu Tode gequält“), als Inspektor Weston etwas statisch wirkt, so ist diese Interpretation der Rolle doch beinahe erforderlich, denn nur so können sich die neckischen Szenen mit ihm, der toughen und sinnlichen Marisa Mell („Gefahr: Diabolik“) und Pinkas Braun voll entfalten. Innerhalb der teilweise unfreiwillig komischen Schnulz-Szenen, die man bisher immer zwischen dem jeweiligen „Filmpaar“ erleben durfte eine erfrischende Abwechslung.
Besondere Attraktion ist auch Gaststar Christopher „Dracula“ Lee, war er doch damals einer der wenigen internationalen Stars, die für Wallace vor der Kamera standen. Als trockener und cooler FBI-Captain Allerman macht er eine ausgezeichnete Figur, stets würdevoll aber immer präsent. Auch scheint er sich hier- ebenso wie beim zuvor entstandenen „Das Geheimnis der gelben Narzissen“- in der deutschen Fassung selbst synchronisiert zu haben. Sehr vergnüglich ist auch Erik Pohlmann als Kirky Minelli, der als verschlagener Mafioso unter seiner banal-geschwätzigen Ehefrau Cora (Christiane Nielsen) zu leiden hat. Die kleinen Scharmützel der Beiden sind teilweise zum niederknien. Eddi Arent fügt sich hier wundervoll ins Geschehen ein und absolviert wohl einen seiner gelungensten und witzigsten Wallace-Auftritte als ebenso steifer wie clownesker „Todesbutler Parker“ dem das Drehbuch ein perfektes Timing auf den Leib schreibt. Zu Klaus Kinski muss ich wohl nicht viel schreiben, als aalglatter Steve macht er eine gewohnt brillante Figur. Ansonsten erfreut noch das Wiedersehen mit dem eindrucksvollen fränkischen (Nürnberger;-) Grandseigneur Fritz Rasp.
Auch wenn viele Fans nun aufschreien werden: In meinen Augen ist „Das Rätsel der roten Orchidee“ ein wirklich ausgezeichneter Vertreter seiner Zunft, der zwar auf die in den vorigen 8 Filmen aufgestellten „Regeln“ pfeift (im wortwörtlichsten Sinn), dafür aber mehr Selbstironie und komödiantischen Wert besitzt als jedes andere Werk der Reihe. Das sorgt für spaßige kriminalistische Kurzweil die handwerklich auf gewohnt hohem Niveau- alleine die Kameraarbeit von Franz Xaver Lederle weiß nicht so recht zu überzeugen- eine Gangster-Geschichte amerikanischer Spielart ins Wallace-Gewand steckt und zeigt, wie gut es ihr zu Gesicht steht. Keine Krimikomödie, aber ein ausgesprochen komischer Krimi mit hohem Unterhaltungswert und einer interessanten Besetzung, wie sie in einer solchen Konstellation nicht noch einmal zustande kommen sollte. Vorhang auf für eine gewitzte Gangsterposse made in Germany!