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Der Ripper geht in London um, und wie sein historisches Vorbild schlitzt er in den dunklen Nächten des East Ends die leichten Mädchen auf. Gleichzeitig spielt der Schauspieler Richard Sand jeden Abend im Theater Jack the Ripper, und da Richard psychisch sowieso etwas labil ist, weiß er selber nicht so genau, ob er nun des Nächtens Damen meuchelt, oder ob nicht. Sein Freund, der Kriminalarzt Dr. Morely Greely versucht ihn im Gleichgewicht zu halten, aber die Verfolger, allen voran Kriminalinspektor Dorn, rücken immer schneller immer näher. Seine Geliebte Ann hält zu ihm, und die stellt auch fest, dass ihr eigener Onkel, der das Theaterstück am liebsten verbieten möchte, dass der an den Abenden, an den die Mädchen ermordet werden, heimlich aus dem Haus verschwindet …

Und heute Abend wieder in alter Form beim Mordgeschäft!

Eigentlich, ja eigentlich wäre UNGEHEUER einer von vielen Krimis von der Stange, die in dieser Zeit gedreht wurden. Die Rialto machte es vor, und Atze Brauner mit seiner CCC machte es nach. Das Publikum freute es, wurde es doch mit viel Krimiware ausreichend beliefert, und dass die Geschichten mehr oder weniger Stangenware waren, das fiel in den Zeiten vor dem Heimkino sowieso eher weniger auf.

Uneigentlich aber bietet UNGEHEUER die kleinen Besonderheiten. Diejenigen Dinge, die aus einem 08/15-Reißer etwas Besonderes machen können. Schon in der frühen Szene in der Garderobe Richards haut Regisseur Zbonek uns das Wort Ripper gleich im Dutzend um die Ohren, und immer mit dem Gesicht von Hansjörg Felmy darunter. Und oft noch das verschlossene Gesicht des obskuren Dieners daneben. Oder der wunderbare Monolog von Kai Fischer, die als leichtes Mädchen vom Inspektor vorgeladen wird, und sich wundert was seine Fragen sollen. Ob sie die Tote kenne? Natürlich kennt sie sie, deswegen wurde sie doch schließlich vorgeladen. Oder möchte der Herr Inspektor vielleicht etwas ganz anderes von ihr? Und dann lamentiert sie ganz verdrießlich darüber, dass es ja nach Aussage des Inspektors „nur“ zwei tote Prostituierte hat … Sehr nett ist auch der Anfangsmord – Man beachte, mit welcher Grazie die Sterbende nach wie vor ihre Zigarette zwischen den Fingern hält …

Viele eindrückliche Szenen, die eben von den Kleinigkeiten leben. Das Atemanhalten, als der Teddy des kleinen Kindes genau vor die Füße des Mörders fällt, und dieser weiß dass da ein Zeuge ist der weg muss. Oder die Verfolgungsjagd des Mörders auf eine Hure entlang einer leeren Straße, unterlegt von einer gigantisch dunklen Melodie, die könnte so auch aus einem klassischen Film Noir aus Hollywood stammen. Und überhaupt, diese Musik: Martin Böttcher scheint zwar schon öfters mal seinen eigenen WINNETOU abzukupfern, aber ansonsten entpuppt er sich als der bessere Peter Thomas. Statt mit schrillem Beat und atemlosen Gezische setzt er auf Stimmung und Sentiment, und untermalt die nicht immer fesselnde Handlung erstklassig.

Denn die Handlung, nun ja, wie soll ich es sagen … Der wahre Mörder ist leider sehr früh bekannt, beziehungsweise wird das Motiv, und damit in der Schlussfolgerung eben auch der Mörder, sehr früh bekannt gemacht, was dem Film ein wenig die Puste nimmt. Die vielen roten Heringe sind schön anzuschauen, aber man merkt eben sehr deutlich welches die Heringe sind und wer der wahre Alligator im Teich ist. Bis zum handlungstechnisch vertrackten Giallo der Italiener wird es noch ein wenig dauern, aber UNGEHEUER halte ich für einen der Filme, die ganz klar die Richtung zum Giallo vorgegeben haben. Die schwarze und unförmige Kleidung, die dunkle Stimmung, das Aufschlitzen der Mädchen, das Rasiermesser als Penetrationsmöglichkeit, und einmal rennt sogar eine nackte Dame durch das Bild. Wobei gerade die Bilder des Mörders manchmal an alte US-amerikanische Gruselfilme erinnern. DER UNSICHTBARE und so … Furchterregend ist auch der Lynchmob am Ende, der Richard Sand durch ein Abbruchhaus jagt, gierig nach Blut und Tod. Eine klaustrophobisch beeindruckende Szene, bei der nur durch ihre Entstehungszeit klar ist wie sie endet, und die unheimlichen(!) Eindruck macht.

Insgesamt unterhält UNGEHEUER über weite Strecken recht gut. Hansjörg Felmy gibt den Psychopathen mit großem Einsatz, und ergänzt sich mit Dietmar Schönherr als nüchternem Morely erstklassig. Peer Schmidt und Chariklia Baxevanos haben als schusseliges Detektivpärchen die Aufgabe komisch zu sein, nerven aber leider sehr viel. Wobei auffällig ist, dass oft direkt nach der sehr anstrengenden Baxevanos Marianne Koch geschnitten wird, die mit ihrer kühlen und ruhigen Art gleich noch viel sympathischer wirkt und möglicherweise verhindern sollte, das die Leute wegen der Schmidt/Baxevanos-Kombination aus dem Kino flüchten. Koch wirkt nicht so nervenzerfressen wie die Heroinen bei der Rialto es so oft waren, sondern ist eine starke Frau mit, leider, viel zu wenig Aufgabe im Film. Und ihr erster Aufritt im raffiniert Geschlitzten (sorry für das Wortspiel) zeigt eine sexy Marianne, die mir so noch nicht bekannt war

Und sonst? Die Kameraarbeit ist hervorragend und bietet einige exquisite Momente großer Filmarbeit, und zusammen mit der Musik durchzieht ein grundlegend düsterer Ernst den Film, trotz der doofen Detektive. Wenn doch nur die Kriminalhandlung ein klein wenig trickreicher wäre …

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