Review

Ich habe mich in der Vergangenheit schon häufiger gefragt, woher manche Filmemacher nur das Glück nehmen, ihre Produkte in Form einer Veröffentlichung auf die Welt loszulassen und damit auch noch Geld zu verdienen. Das denke ich bei mikrobudgetierten Machwerken wie dem legendär schlechten „Voyeur.com“ ebenso wie bei manch deutschem Amateur-Regisseur, der Unterhaltungswert allein aus den fünf Dutzend Eimern Kunstblut zu ziehen versucht, die er für seinen Film verwendet. Da kann ich es im Ansatz wenigstens verstehen: Es gibt nun einmal genügend Slasher-Fans und die sogenannten Gorehounds, die für alles löhnen, was nur irgendwie nach Horror und Gewalt aussieht. Wenn ich mir aber mit „Onna harakiri: Sange“ den vermeintlich ersten Teil einer dubiosen sechsteiligen Harakiri-Serie von 1990 vor Augen führe, die immerhin in Japan und den USA auf DVD herausgebracht wurde, fällt mir wirklich nichts mehr ein – gar nichts.

45 Minuten lang sieht man einer Frau im orangefarbenen Bademantel dabei zu, wie sie erst zaudert, sich ein Messer in den Bauch zu rammen, es dann doch tut und sich quälend lange vor Schmerzen auf dem Boden windet, herumkriecht und schließlich stirbt. Das eine Handlung zu nennen, wäre eine Frechheit jedem noch so anspruchslosen Gorefilm gegenüber. Sehr wahrscheinlich ging es der Regisseurin und gleichzeitig einzigen Darstellerin Yûri Sunohara lediglich darum, den Akt des qualvollen Sterbens vorzuführen und so auf der Kunstschiene zu fahren. Wenn dem so ist, wird das Leid des Todeskampfes aber nicht spürbar, denn der Zuschauer hat selbst einen Kampf auszufechten, und zwar den, die Dreiviertelstunde durchzuhalten, egal wie. Hinzu kommt, daß „Sange“ rund die Hälfte benötigt, bis der Messerhieb endlich ausgeführt ist. Bis dahin kniet die Frau auf dem Boden, legt ihre Brüste frei und streichelt sich minutenlang über den Bauch. All das ist das filmische Äquivalent zu der Tätigkeit, einem Eimer Farbe beim Trocknen zuzusehen und fühlt sich sicherlich exakt so lang an.

Allerdings kommt selbst das Wort „filmisch“ einer Lüge gleich. Offenbar irgendwo in einem Keller aufgenommen vernimmt man die ganze Zeit über das beständige Grundrauschen, das jedem vertraut ist, der sich selbstgedrehte Videos mit der Billigkamera im Fernsehen mit Ton anschaut. Auch das Knacken etwa beim Druck auf die Zoom-Taste ist deutlich vernehmbar, während man mitunter den Kameramann zu hören glaubt, wenn er sich in Bewegung setzt und um die Schauspielerin herumtigert. „Sange“ versprüht somit den Charme eines alten Homevideos, wie ich sie als Kind und Jugendlicher ständig drehte. Folglich gibt es auch keine musikalische Untermalung. So naturalistisch wie möglich, schien die Devise, und dennoch sind Blut und die angedeuteten heraushängenden Gedärme nichts, was man als realistisch bezeichnen könnte.

„Onna harakiri: Sange“ ist hierzulande beschlagnahmt, was sich auf die gesamte Filme-Box erstreckt, und somit in gewissen Kreisen von beträchtlichem Interesse. Das wahrhaft Erschreckendste allerdings ist für mich die Vorstellung, daß es überhaupt fünf weitere Teile gibt, die sich auch noch „inhaltlich“ und formal ähneln sollen. Wer sich durch die alle durcharbeitet, den beglückwünsche oder bemitleide ich wahlweise wegen seiner besonders ausgeprägten masochistischen Ader, ich hingegen werde dankend darauf verzichten.

Da kein wirklicher Film in dem Sinne, was ich darunter verstehe, eigentlich auch keine Wertung möglich. Ich gebe trotzdem ratlose 1/10.

Details