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Nachdem Sängerin Christine Day (Jill Schoelen) nach einem seltsamen Unfall bei einer Audition das Bewußtsein verliert, erwacht sie kurz darauf, aber viele Jahrzehnte früher, in einer Londoner Oper, wo rege Betriebsamkeit herrscht. Es scheint, als würde Christine in bewußtlosem Zustand ihr voriges Leben als junge, aufstrebende Opernsängerin in der Viktorianischen Ära miterleben. Und dieses hat es in sich. Zwar steht das hübsche Goldkehlchen noch im Schatten der berühmten Diva La Carlotta (Stephanie Lawrence), doch ein mysteriöser Verehrer wacht über sie und zögert nicht, etwaige Hindernisse brutal aus dem Weg zu räumen. Bei diesem Unbekannten handelt es sich um den Komponisten Erik Destler (Robert Englund), auch bekannt und gefürchtet als das Phantom der Oper, der nach einem Pakt mit dem Teufel als grausig entstelltes Monster sein Unwesen treibt (immerhin ist er nun eine Art musikalisches Genie; allerdings ist das bei der schaurigen Fratze, die er zur Schau trägt, nur ein Tropfen auf den heißen Stein). Als das musikbesessene, scheinbar übermenschliche Phantom sein Objekt der Begierde (= natürlich Christine) in die Katakomben entführt, eskaliert die Situation.

Die 1989 in Budapest gedrehte Verfilmung von Gaston Lerouxs weltberühmtem Roman spickt die allseits bekannte Geschichte zeitgemäß mit derben Splattermomenten (SFX by Kevin Yagher), die in einem der unzähligen Slasherfilme dieser Dekade wohl besser aufgehoben gewesen wären. Da hängt ein gehäuteter, noch lebendiger Mann in einem Schrank, und der abgetrennte Kopf einer Frau verirrt sich in einen Suppentopf. Robert Englund legt das Phantom als besessenes, verschlagenes und gewissenloses Monster an, das seine ekelhafte Visage hinter zusammengenähten Hautstücken und Unmengen an Schminke versteckt. Mitleid oder gar Sympathie kommt mit diesem Scheusal zu keiner Zeit auf. Jill Schoelen ist souverän als naive Schönheit, die in die Fänge des Dämons gerät und um ihr Leben fürchten muß. Ihr besorgter Freund wird von Alex Hyde-White gespielt, und in einer Nebenrolle ist Bill Nighy zu sehen. Auch der Rattenfänger (Yehuda Efroni) hat ein paar Auftritte; glücklicherweise ist er nicht so durchgeknallt wie in Dario Argentos Verfilmung der Geschichte.

The Phantom of the Opera beeindruckt mit einer üppigen Ausstattung, tollen Kostümen und einer dichten Atmosphäre, wodurch die längst vergangene Epoche dem Zuseher recht glaubhaft vermittelt wird. In seinen besten Momenten hat der sehr schön photographierte Streifen sogar eine traumähnliche, unwirkliche Qualität. Leider schafft es Regisseur Dwight H. Little nicht, den Stoff packend umzusetzen, denn trotz der hinreißenden Hauptdarstellerin bleibt man stets auf Distanz, anstelle vom Geschehen mitgerissen zu werden. Außerdem bleiben die tragischen Aspekte der Geschichte zugunsten einer simplen Schwarzweiß-Malerei völlig außen vor; so ist das Phantom nur ein weiterer eindimensionaler Butzemann á la Freddy Krueger. The Phantom of the Opera ist schön anzusehen, gut gemacht, und unterhält adäquat. Zu mehr reicht es leider nicht.

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