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"Chinatown" ist 70's-Kino vom Allerfeinsten, ein wahres Muß für jeden Filmfreund und gleichzeitig Hommage an den Detektivfilm und die schwarze Serie, sowie wunderbares Schauspielerkino mit gehörig Spannung und einem kompliziert-verwickelten Plot, eingefangen in Bilder, wie man sie im sterilen Popcornkino von heute kaum noch sieht.

Ich weiß nicht, ob das hier Polanskis bester Film überhaupt ist, aber ein Anwärter auf die Krone ist er allemal. Angerichtet hat das Robert Towne, dessen grandios verzetteltes Drehbuch dann auch zurecht mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Doch der Superlative sind viele in "Chinatown".

Bleiben wir jedoch noch bei der Handlung. Der Versuch, den Fall, dem Privatdetektiv J.J.Gittes hier nachgeht, inhaltlich zu folgen, verlangt schon reichlich Aufmerksamkeit und Ausdauer, etwas, daß in modernen Drehbüchern recht selten verlangt wird. Die Folgen, die der recht gewöhnliche Ehebruchsauftrag für den Detektiv hat, sind schon kurios genug, um in den ersten zwanzig Minuten mit den Ohren zu schlackern. In ruhigen, intensiven und optisch herrlichen Bildern schwelgt der Film in den Gegensätzen von L.A., eingeklemmt zwischen Ozean und Wüste, mit all den Problemen, die dies mit sich bringt. Nach der Einführung schlägt der Film dann mehr auf eine geschäftliche Intrige mit mörderischen Folgen sowie einem großangelegten Wasserversorgungsbetrug an, bis er nach knapp anderthalb Stunden noch einmal die Kurve auf eine schreckliche Familienaffäre zu bekommt, die dann auch im desillusionierenden Showdown endet.
Das alles ist wahnsinnig geschickt konstruiert, keine Szene überflüssig, kein Bild verschwendet, fast überall Hinweise, Charakterschaffung, Plotelemente.

Gehalten wird das alles von Nicholsons "Privat Eye", der als Ex-Polizist, inzwischen im schicken Anzug und auf Ehebruch spezialisiert, versucht, in das Gewirr von Intrigen, Lügen, Verbrechen und Korruption einen Sinn zu projezieren. Gittes ist eine Hommage an Bogart, eher wortkarg, eigentlich ein Verlierer, aber zäh und nicht aufzuhalten. Trotzdem wird der Film für ihn mit einer Niederlage enden, wenn es in Chinatown, seiner alten Wirkungsstätte als Polizist auf das Ende zugeht. Daß die Sache zu groß für ihn ist, wird mehr und mehr klar, denn abgesehen von seinem aufklärerischen Talent, steckt Gittes immer wieder Niederlagen ein, wenn es um körperliche Auseinandersetzungen geht. Mehrfach wird er darauf hingewiesen, daß der Fall seine Macht übersteigt, doch stur macht er weiter, um am Ende doch alles zu verlieren.

Dieser gewisse Nihilismus ist aber im Zuge des Films nicht überraschend, denn die Anzeichen deuten frühzeitig auf die Komplexität hin, der ein einfacher Mann nicht gewachsen ist. Während Bogart am Ende den Bösen immer noch erschoß, bleibt Gittes nur das bloße Leben und die Tatsache, noch einmal aus der Sache rausgekommen zu sein, auch wenn er das nicht will. Doch Polanski kommt es weniger auf das Ergebnis an, wichtiger ist die Gesamtkomposition und da beweist er Meisterschaft.

Herausragend vor allem die Farbfotographie und die Kameraführung, die in unspektakulären, aber denn stets ungewöhnlich-aufregenden Blickwinkeln das Geschehen einfängt. Der Schnitt ist adäquat und die leise begleitende Musik vermittelt den nötigen melancholischen Ton in eine vergangene Epoche.

Nicholson bringt eine Spitzenleistung als Gittes, der in seiner Komplexität trotz Einzelgängerei tiefer geht, als sonst je ein Schnüffler der schwarzen Serie gekommen wäre. Passend dazu Dunaway als spröde Mordverdächtige und rätselhaftes Objekt der Begierde. John Huston, eher für seine Regiearbeiten berühmt, zeigt als der mächtige Mann im Hintergrund eine souveräne Leistung als der alles Bestimmende, für den der Sieg an sich eine Selbstverständlichkeit ist. Der Rest des Casts ist durchweg hervorragend.

Besonders erwähnungswürdig sicherlich auch Polanskis Fähigkeit, die Fäden bei dieser extrem verwickelten Angelegenheit stets in der Hand zu behalten und nie das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren, so daß dem Zuschauer allzu Kompliziertes zwischendurch in Schichten immer wieder erklärt wird, falls er es sich anhand der Bilder nicht selbst zusammenreimen konnte.

Wenn es überhaupt etwas zu meckern gibt, dann das der Plot zwischen Intrige und Familiendrama kurzfristig eine dramaturgische Durststrecke erlebt (trotz inhaltlicher Notwendigkeit), wenn Nicholson und Dunaway im Bett landen und sich kurz darauf wieder entfremden, weil Dunaway mit der unangenehmen Wahrheit nie ganz rausrückt und der zwar weltberühmte, aber dennoch recht konstruiert wirkende Showdown, der mehr auf Ergebnis als auf wirkliche innere Logik abzielt.

Trotzdem bleibt "Chinatown" klare Weltspitze in Sachen Kino und gehört zum Elementarwissen wahrer Filmfans selbstverständlich dazu. (9,5/10)

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