Review
von Carbusters
Das Plakatmotiv, das für „King of California“ wirbt, zeigt den irgendwie optimistisch dreinschauenden Michael Douglas, ein Leuchten in den Augen, etwas wie einen Heiligenschein hinter dem Kopf. Trotz geschlossener Lippen scheint er die Zukunft anzugrinsen. Dazu sein zauseliger Bart: Wir erwarten eine Komödie um einen nonkonformistischen Lebenskünstler.
Das ist zwar richtig, trifft aber nur zum Teil. Wenn komisch, so ist der Film bestenfalls eine Tragikomödie (falls wir solche Schubladen brauchen). Tatsächlich handelt es sich um eine Familiengeschichte (einer SEHR kleinen Familie: Tochter und Vater) und um ein weiteres Bild der modernen USA, das sich zu anderen USA-Bildern in meiner Film-Kanon-Galerie gesellt, wie z.B. „Pump Up The Volume / Hart auf Sendung“ oder „House of Sand and Fog / Haus aus Sand und Nebel“.
Eindringlich konfrontiert uns „King of California“ mit den übermächtigen Zeichen für „USA“: Logos von Fast-Food-Lokalen, Handelsketten, Supermärkten, blauem Himmel, Reihen von Neubauten in der Wüste (die wir von den Fotografen Lee Friedlander, William Eggleston oder Joel Sternfeld kennen) (man kennt sie, oder auch nicht; ich will jedenfalls nur mit meinem Wissen angeben. Seisdrum: Sie hängen nun mal groß in MEINER Galerie).
All diesen Bildern und Filmen ist gemeinsam, daß sie großartig fotografiert sind, quasi „state of the art“, uns eine neue Sicht, nicht nur auf Objekte, Landschaften und Menschen, sondern auch auf Farben bieten.
Und daß sie von der US-amerikanischen Unruhe handeln, einem Entdeckungsdrang, einer Unzufriedenheit mit dem Status Quo, einer Vision. (Deshalb leuchten Michael Douglas' Augen auf dem Plakat: Es sind die Augen eines Visionärs.) Deshalb müssen ständig Siedlungen ins Brachland gebaut werden (das Bauen und Verbauen, das Vordringen in die Erde ist ein Leitmotiv in „King of California“, zugleich für die zwei Hauptfiguren ein Motiv der Bedrohung, der Einkreisung, der Vertreibung), deshalb nur beginnt die Geschichte des Films: Die Entdeckung/Eroberung des amerikanischen Kontinents liefert den Anlaß für Charlies besessene Suche. Und deshalb gibt sich der heutige Entdecker/Schatzsucher, Vater Charlie, nicht zufrieden mit dem bescheidenen Leben, das seine Tochter Miranda eingerichtet hat.
Sie mußte es sich für sich allein einrichten, weil Vater Charlie abwesend war. Jetzt hat sie resigniert, sich eingefügt und reagiert entnervt auf den Elan, den ruhelosen Veränderungsdrang des heimgekehrten Vaters. Wie in einem Märchen kehren sich die Rollen um: Die minderjährige Tochter wird zur verantwortlichen Erwachsenen, zur selbständigen „Starken Frau“(sie hat übrigens keine Liebesaffäre im ganzen Film), sie arbeitet, wäscht ab und kauft Autos; der rauschebärtige Vater, ein Musiker/Künstler, ist das Kind, das mit Schaufelbaggern und Metalldetektoren im Sand spielt, düstere Höhlen erforscht und Haschmich mit der Polizei spielt („Räuber und Gendarm“). Der einen Freund und sogar ein Techtelmechtel mit einer Frau hat.
Und märchenhaft endet der Film auch: mit einem unmöglichen Tauchgang (in ein Wasser, wo wahrgewordene Visionen leuchten wie die Augen auf dem Plakat), mit einem abreißenden Ariadnefaden, mit einem selbstleuchtenden Schatz, mit fremdartigen Meeresbewohnern, die an den Strand krabbeln. Miranda begrüßt sie mit dem Thema des Films „Willkommen [in Kalifornien]!“
Vater und Tochter fliehen, vor Neubauten, Schule, Klapsmühle, schwabbligen Swingern und unfähiger Polizei. Sie sind stets die Außenseiter, bleiben unbeugsam, die wahren Erben der ersten Eroberer, graben die Vergangenheit aus, erinnern an den Völkermord an den Ureinwohnern, mit einem Diorama für den Schulunterricht wie mit ihren Grabungen, mit denen sie sogar den Strand zutage fördern, der unter dem Pflaster liegt – ein Stück des Strandes, an dem, an anderer Stelle, chinesische Boat People landen, Globalisierungsverlierer, die der American Way of Life zur Flucht aus ihrer Heimat getrieben hat: Eine weitere Facette zu dem Amerikabild, das der Film zeichnet. „Willkommen!“ sagt der Film. In Kalifornien.