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Regie-Shootingstar Dr. Uwe Boll hat spätestens mit seinem Meisterwerk Alone in the Dark zur Elite der Hollywoodregisseure aufgeschlossen. Mit seiner Boll KG, die sich als „Weltmarktführer in der Verfilmung von Videospielen“ ansieht, ist er nach dem Megaerfolg von Alone in the Dark (überragende 5 Mio. Dollar Einspiel in den USA bei 20 Mio. Dollar Produktionskosten) inzwischen ganz oben angekommen. Von einigen Kritikern zwar mit Häme bedacht, tut das der Popularität unter seinen Fans keinen Abbruch (siehe z.B. seine Homepage www.uweboll.com).

In Sanctimony sind bereits alle Stärken, die House of the Dead und Alone in the Dark zu Kultklassikern haben werden lassen, deutlich auszumachen. Allerdings befindet sich Sanctimony noch nicht auf dem Terrain der Videospielverfilmungen, sondern es handelt sich um eine überaus originelle Mischung aus American Psycho, Sieben und anderen Serienkillerfilmen; die Handschrift des Meisters ist aber klar erkennbar, so dass Sanctimony keinen seiner zahlreichen Fans enttäuschen dürfte. Das von Dr. Boll höchstselbst verfasste Drehbuch bricht komplizierte Zusammenhänge auf ein für jedermann verständliches Maß herunter und vereint dabei Glaubwürdigkeit und ein hohes Maß an Originalität mit überaus scharfsinnigen, geschliffenen Dialogen. Dadurch gelingt es Boll in aufsehenserregender Art, sämtliche möglichen Fettnäpfchen, Logiklöcher und Klischees sauber zu umschiffen.

Doch ein gutes Script kann nicht mehr als nur die Grundlage für einen Hochspannung garantierenden Thriller der Extraklasse sein. Worauf es in erster Linie ankommt, ist die Fähigkeit des Regisseurs, alle Stärken des Drehbuchs zu bündeln und mit dem richtigen Auge fürs Wesentliche zur Geltung zu bringen. Dass Boll gerade dafür ein besonderes Händchen hat, ist mittlerweile bekannt, und so kann es nicht überraschen, dass die Inszenierung von Sanctimony selbst höchsten cineastischen Ansprüchen mühelos gerecht wird. Mehr noch, Uwe Boll ist zweifellos das, was man einen „Actors’ Director“ nennt; wie Quentin Tarantino schafft er es, selbst aus Darstellern, die gemeinhin der zweiten oder dritten Garde zugezählt werden, oscarwürdige Leistungen herauszukitzeln. Schaut man sich beispielsweise Christian Slater oder Tara Reid in Alone in the Dark an, dann muss man doch neidlos anerkennen, dass der Regisseur da etwas richtig gemacht hat.

Vor allem Caspar van Dien und Jennifer Rubin danken es hier dem Regisseur damit, dass sie den Zuschauer mit einem vor erotischer Spannung knisterndem Psychoduell, das dem Zuschauer kaum Zeit zum Atem holen lässt, verwöhnen. Caspar van Dien scheint die Rolle des gelangweilten, versnobten Feierabend-Serienkillers sowieso auf den Leib geschrieben zu sein, so wie er in seiner Rolle aufgeht und des Killers Motivation absolut glaubhaft und nachvollziehbar vermittelt. Damit übertrumpft er selbstverständlich Christian Bale in American Psycho mit Leichtigkeit, aber das ist kein Wunder – Sanctimony liegt gegenüber jenem Film ohnehin in jeglicher Kategorie klar vorn. Aber hervorheben muss man auch den stets zu Unrecht verkannten Michael Paré – seine Darstellung als hartnäckiger Detective zählt sicher zu den bemerkenswertesten der letzten Jahre.

Zu einem guten Serienmörderthriller gehört eine überraschende und schockierende Schlusspointe genauso dazu wie umfangreicher Gebrauch von Zeitlupen und Bullet Time zu einer Videospielverfilmung, und hier gelingt es Boll souverän, seinen Film grandios abzurunden. Ich möchte nichts vorwegnehmen, um die Spannung nicht zu verderben, aber so und nicht anders muss ein derartiger Film aufhören. Einfach genial.

Fazit: Wer Bolls neuere Werke mochte, kommt auch um Sanctimony nicht herum. Wahrscheinlich wird die Filmgeschichte Uwe Boll vor allem als den großen Visionär unserer Zeit auf dem Gebiet der Videospielverfilmungen zu feiern wissen, wodurch Werke wie Sanctimony vielleicht nicht ganz den Bekanntheitsgrad erreichen, den sie verdienen und zu einem Schattendasein als bloße Geheimtipps verdammt sein werden. Natürlich, an ein Überwerk wie Alone in the Dark kommt Sanctimony nicht ganz heran – selbst ein Könner wie Boll kann so etwas nicht beliebig aus dem Hut zaubern – , aber der Film ist dennoch ein würdiges Exponat in seinem Oeuvre und große Filmkunst eines Visionärs und Querdenkers, der durchaus das Zeug dazu hat, eines Tages zu Größen wie Ed Wood aufzuschließen. Ganz dicke 2/10 dafür.

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