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Nach einem schweren Autounfall hat Arthur mit Erinnerungslücken und -bruchstücken sowie Visionen zu kämpfen. Nach und nach kommen seine durcheinandergewirbelten Erinnerungen zurück und führen ihn auf die Spur eines längst zurückliegenden Verbrechens – und auf die eines Mörders, der in seinem nächsten Umfeld wütet.

Der französische Mystery-Thriller „Black Box“ tobt sich so richtig mit Genre-Versatzstücken aus, findet aber zu keinem Zeitpunkt eine eigene Handschrift, von einer zusammenhängenden Story ganz zu schweigen. Als Zuschauender merkt man ziemlich schnell, dass hier inhaltlich so einiges im Argen liegt: Nicht nur, dass die Ausgangssituation nicht ganz logisch erscheint (anfangs wirkt es, als habe Arthur wochenlang im Koma gelegen – immerhin hatte Krankenpflegerin Marion Cotillard genug Zeit, ein ganzes Notizbuch mit seinem Gebrabbel zu füllen – nach seiner Entlassung aber heißt es, er sei nur einige Tage im Krankenhaus gewesen, und niemand, weder seine Eltern noch seine Arbeitskollegen, haben ihn wirklich vermisst), auch der weitere Verlauf bleibt wirr und nicht so ganz verständlich. Eine Zeitlang denkt man vielleicht noch, das hat mit der Kopfverletzung und geistigen Verwirrtheit des Protagonisten zu tun, irgendwann aber erschließt sich, dass das Drehbuch einfach nicht ausgearbeitet ist. So wird der Identitätswechsel seiner Geliebten nach kurzer Verwirrung ebenso wenig problematisiert wie eine scheinbare Erinnerung an Sex im Parkhaus, die erst noch geschieht, und die Erkenntnis, dass sein Bruder bereits als Kind gestorben ist und somit nicht die verlassene Wohnung gemietet haben kann, die Arthur mehrmals aufsucht. Und warum er zwischendurch noch unbedingt Drogen nehmen soll, die erst so richtig seine Albtraumvisionen befeuern, bleibt völlig unschlüssig.

Irritierend ist neben der Tatsache, dass vieles von dem, was hier als visionendurchtränkter Holzweg aufgemacht wird, nicht erklärt wird, auch das ungemein hohe Tempo der Inszenierung. Bereits kurz nach der Einleitung wirkt alles seltsam gehetzt, es gibt keinerlei Zeit für Figurencharakterisierung, Darstellung des Lebens vor dem Unfall, Einbettung all des Unerklärlichen in einem gewöhnlichen Leben. Stattdessen torkelt Hauptdarsteller José Garcia durch den Film, als wäre er James Bond, permanent auf der Suche nach Erklärungen, und dabei nicht einmal sonderlich sympathisch – hilfsbereite Nachbarn überfällt er zwei Uhr nachts und drängt sie grob zu Unterstützung, seinen nervigen Chef macht er vor versammelter Runde zur Schnecke und bekommt dafür Applaus aller anwesenden Kolleginnen und Kollegen (eine wirklich lachhafte Szene). Permanent werden neue Rätsel aufgemacht, von denen nur wenige irgendwann auch mal geschlossen werden. Und die Morde, die plötzlich in Arthurs Umgebung einsetzen, rufen erstaunlich wenig Reaktionen bei allen Beteiligten hervor (bis auf ein Good-Cop-Bad-Cops-Verhör, das genauso lächerlich daherkommt wie die Szene mit dem Chef). So bleibt der Film durchgehend seltsam distanziert und emotionslos und gibt dem Zuschauenden keine Gelegenheit, sich mit irgendwem wirklich zu identifizieren.

Das ist schade, denn die Einleitungsszene lässt sich noch durchaus vielversprechend an: Da wird aus der verschwommenen Sicht des im Koma Liegenden das Krankenhaus gezeigt, dazu auf der Tonspur ein Stream of Consciousness aus Erinnerungsfetzen, Gedanken und gehörten Satzfetzen der Umgebung. Formal gefällt auch die düstere Atmosphäre, die unterkühlt-ästhetisch daher kommt, die Kamera, die immer wieder komplexe und elegante Fahrten aufnimmt, und der dunkle Score, der viel zur Atmosphäre beiträgt. Rein visuell kann „Black Box“ wirklich gefallen, auch wenn die Anleihen an moderne Genre-Klassiker wie „The Machinist“ allzu deutlich sind.

Doch das wahrlich wirre Drehbuch, die gehetzte und nur bedingt aufeinander aufbauende Dramaturgie, die sich auch gerne mal in belanglosen Nebenhandlungen wie der Affäre des Vaters ergeht, arg künstlich wirkende Kulissen, eher schwache Darstellende und viel zu viele offen bleibende Lücken trüben das Vergnügen an diesem Mystery-Schocker ganz erheblich. Neben der großteils gelungenen Form hätte man sich hier durchaus auch mal um den Inhalt kümmern sollen.

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