Review

Realistisch und unterhaltsam muß sich in punkto Film nicht unbedingt gegenseitig ausschließen. "Kleine Haie" ist so ein Film.
Zumindest ist er so nah an der Realität, wie ein Unterhaltungsfilm überhaupt dran sein kann. Und wenn das dann auch noch Sönke Wortmanns Abschlußfilm auf der Filmhochschule ist, kann man so manches verstehen.
Tatsächlich ist Wortmanns Kinodebut sein menschlichstes und am meisten zu Herzen gehendes Werk, das meisterlich zwischen Komödie, Drama und leiser Tragödie hin- und herpendelt.
So gilt dann auch seine Sorgfalt den drei Protagonisten, die aus unterschiedlichen Gründen unterwegs zur Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule Otto Falkenberg in München unterwegs sind. Ingo ist eigentlich Kellner und flieht mehr vor seinem vorbestimmten Schicksal, als er mittels eines simplen Wutausbruchs vor der Essener Kommission einen tiefen Eindruck macht. Johannes ist Schauspieler aus Passion, leidensfähig und bis dato ohne Erfolg, doch mit dem Willen, weiterzumachen.
Ali schließlich, das verwöhnte Kind, macht die Reise mehr aus egoistischen Gründen, weil ihm die Schauspielerei als nicht so langweilig wie vieles übrige vorkommt.
So unterschiedlich die Charaktere auch sein mögen, so nuanciert und aufeinander abgestimmt ist doch ihr Spiel, erst auf dem Trip, dann während der abenteuerlichen Tage in München.
Tatsächlich sind Reise und Prüfung am Ende die Highlights, doch kann man Wortmann einen sauberen Spannungsbogen (stille, innere Spannung) bescheinigen.
So wird der Film eigentlich zum Road Movie und zur Reise in sich selbst, ehe die Prüfung am Ende wieder die Realität abbildet, und der Tenor des Geschehens wieder traurig wird und die Bewertungen nach nicht nachvollziehbaren Maßstäben ablaufen. Doch so ist es, wie ich aus informierter Quelle weiß, tatsächlich; selten werden die offensichtlich talentierten Bewerber an solchen Schulen genommen, weil die Prüfer mitunter auf völlig unterschiedliche Dinge wert legen.
Doch mit so tragischem Unterton sollte der Film aber nicht enden und so folgt mitten im Abspann noch ein Epilog, in dem Ingo den Zuschauer über das weitere Fortkommen der Figuren informiert und so einen versöhnlichen Schluß bietet.
Attraktiv wird das Geschehen immer wieder durch humorvolle Einschübe erster Güte, deren bester Einfall die Einführung wohl Armin Rodes "Ulf" ist (genannt: Bierchen), ein Rocker von der schlimmsten Sorte, der Ingo und später alle bis nach München mitnimmt und ihn später auch wieder aufgabelt. Rohdes knappe Kommentare in seinen wenigen Szenen verliehen ihm in Rekordzeit Kultcharakter ("Fahrbier find ich okay!"), doch auch die Vorspielszenen, in denen bisweilen immer dieselben Kandidaten (ein Hammer: Rufus Becks Woyzeck) in immer denselben Rollen immer dieselben Marotten offenbaren, reizen zum Lachen.
Die Ruhe, die dieses Werk trotz allem in jeder Szene ausstrahlt, mag dem actionorientierten Zuschauer manchmal ein wenig ungewohnt vorkommen, doch wer sich darauf einläßt, erlebt ein Meisterwerk des deutschen Films der 90er.
Der Titel des Films rührt übrigens von einem Lehrbuch für Schauspiel-Aspiranten her, dem sogenannten kleinen Hey.
Wenn die Gelegenheit zur Begutachtung mal wieder kommt, sollte man sie nutzen, denn selten ist ein Film, den man sieht, so wahr und gleichzeitig so unterhaltsam. (9/10)

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