Dem jungen Iren Redmond Barry gelingt es, durch verschiedene Gaunereien und geschickte Aktionen, in die Englische Adelsgesellschaft aufzusteigen und schließlich gar die reiche, angesehene Lady Lyndon zu ehelichen. Doch sein zunehmend zynisches, intolerables Verhalten bewirkt bald einen Bruch in seiner Karriere und schickt ihn schließlich in die Verbannung.
Handlung
Der junge Ire Redmon Barry ist unsterblich in seine Cousine Nora verliebt. Sie ist ebenfalls von ihm angetan, kann ihn aber nicht heiraten, da sie bereits einem reichen Offizier, welcher der Familie somit einen guten Batzen Geld einbringt, versprochen wurde. Barry kann sich damit aber nicht abfinden, demütigt den Offizier öffentlich und fordert ihn schließlich zum Duell. Er gewinnt dies, meint, so einen Mord begangen zu haben und flieht mit dem Geld, was ihm seine Mutter anvertraut, Richtung England. Unterwegs wird er ausgeraubt und da er nun vollkommen ohne Geld dasteht, verpflichtet er sich in den Dienst der Englischen Armee.
Kritik
Zwei Jahre nahmen die Dreh- und Nacharbeiten zu diesem überlangen Kostüm- Drama in Anspruch und mit ihm zeigte Regisseur Kubrick, der sich schon länger mit der Zeit der Aufklärung auseinandersetzte und von einem Film über diese Zeit träumte, wohl am deutlichsten, daß ihm Publikumsbedürfnisse und Erwartungen wenig interessierten. Seinerzeit ein grober kommerzieller Flop (was Kubrick besonders kränkte, da er den Film stets innig liebte), der nur von einigen Kritikern ob seiner Detailfreude, opulenten Ausstattung und majestätischen Würde gelobt, von vielen aber als langsam, zäh, kühl und eben am Zuschauer vorbei produziert gescholten wurde, zählt das Werk bis heute zu seinen unbekannteren Werken, obwohl es in Stil und Flair genau das enthält, was einen „echten Kubrick“ ausmacht.
Mit viel Sarkasmus, ja bisweilen gar Zynismus, der sich schon in der Eingangssequenz zur Geschichte manifestiert (wenn der „Off“- Kommentar, der den ganzen Film begleitet, verkündet, daß wenn Redmonds Vater nicht erschossen worden wäre, hätte er sicher Karriere gemacht), warf der Mann einen genauen Blick auf die barocke Zeit des 18. Jahrhunderts, sezierte geschickt Verhaltensmuster, Gegebenheiten, Moral und Sitte jener Zeit.
Auf geradezu nüchterne, distanzierte Art, die sich allein in der gesamten Darstellung Redmonds wiederfindet, lag es ihm besonders daran, die Grundsätze der „Aufklärung“ zu thematisieren. (Fortschritt, Veränderung des Weltbilds)
So sind auch die inneren Konflikte Redmonds erklärbar. Er grenzt die Dinge aus seinem Weltbild aus, die er nicht rational erklären kann. (Liebe, Tod) Da alles, was für Unruhe im Unterbewußtsein sorgt, ein Ventil benötigt, führt dies zu einem Konflikt. (Falls man keinen Spaß daran hat, diesem Ventil freien Lauf zu lassen.) Redmonds Konflikt entlädt sich in Gewalt. (Gewalt als Ventil)
Zudem ließ Kubrick es sich nicht nehmen, die facettenreiche Geschichte regelrecht auszubreiten, Momente zu zelebrieren, wie etwa der geradezu magische Moment auf dem Balkon, als Lady Lyndon und Redmond sich zum ersten Mal küssen, und so das ohnehin geringe Tempo, das die Handlung bestimmt, bewußt zu drosseln.
Aufgeteilt in zwei Teile, die einmal von Aufsteig Redmonds, andererseits von Fall seiner Person erzählen und in der tat durch eine Pause (mit Titeleinblendung) getrennt wurden, gleicht die gesamte Fotografie Gemälden jener Zeit, ist derart künstlich und farbig, daß man den Film definitiv zur Spitze der Historien- Ausstattungsfilme zählen muß.
Jede Einzelheit spiegelt den Perfektionismus des Regisseurs wider, der ja durch seine übertriebenen Einstellungswiederholungen bekannt wurde und man kann sich lebhaft vorstellen, daß es hier besonders schwer war, die Vision zu treffen, die der Mann vor Augen hatte.
Mehr als oft klappt da die Kinnlade herunter, angesichts der Pracht, die da allerorts auf Zelluloid gebannt wurde. Dabei kamen nur Originalschauplätze zum Einsatz und man ist erstaunt, wie es gelang, Lichtverhältnisse und Farbdramaturgie derart exakt abzufassen, was besonders für die Außenaufnahmen gilt.
Bemerkenswert sind außerdem jene Innenaufnahmen, die bei Kerzenschein gedreht wurden. Dabei gelang es, fast völlig auf künstliche Lichtquellen zu verzichten, so daß diese Szenen besonders atmosphärisch und lebendig wirken. Um dies zu bewerkstelligen, kamen speziell entwickelte Objektive zum Einsatz, so daß jene Szenen ein Novum darstellen.
Da wechseln sich lange Einstellungen mit elegischen Kamerafahrten ab, so daß man teilweise kaum merkt, wie sich plötzlich der Bildausschnitt ändert. Plötzlich werden die Figuren zu Nebensache und es entfaltet sich ein barockes Gemälde, das als Gesamtkomposition wirkt und in Verein mit der fast kontinuierlich eingesetzten Klassik- Musik somit das Lebensgefühl der damaligen Zeit besser repräsentiert, als Dialoge oder Situationen. (Ruhe, Eleganz, Dekadenz)
Trotz all der optischen Reize, die ebenfalls von den teilweise geradezu ironisch statisch, deswegen aber wohl kaum unrealistisch inszenierten und choreografierten Schlachtszenen ausgehen, strapaziert der Film mit seinen 177 Minuten Länge das Sitzfleisch des Zuschauers recht arg. Nicht, daß das Geschehen nicht spannend wäre oder man nach einer Weile das Interesse verliert. Es ist wohl das hohe Maß an Aufmerksamkeit, das er erfordert. Die Aufmerksamkeit die es braucht, um die aussagekräftigen Dialoge zu verstehen, die Details zu erfassen, die teilweise auch nur im Hintergrund geschehen und das geringe Tempo mancher Szene, die das Gefühl vermitteln, man hätte sie besser etwas kürzer abhandeln können. (Das beste Beispiel ist wohl das abschließende Duell Redmonds, das sehr spannend inszeniert wurde, aber es mit Blicken, feinen Gesten und Ausreizung der Ruhe fast übertreibt.) Außerdem ist die Schauspielkunst, die man erlebt, teilweise scharf am „overacting“ und karikiert eher, als das es glaubhaft wirkt. Auch läßt das Geschehen mitunter merklich kalt und man fragt sich am Ende sogar, ob man Redmond nun bedauern soll, oder ob er einem gerechten Schicksal zugeführt wurde.
Um nochmals zum Thema Musik zu kommen, so konnte Kubrick hier seiner Liebe zur Klassischen Musik besonders frönen. Wirkte das Zusammenspiel zwischen Optik und Akustik in seinen früheren Filmen (besonders in „2001“ und „A Clockwork Orange“/“Uhrwerk Orange“) künstlich und noch ironisch brechend, so ist sie hier neben dem untermalenden, Gefühle unterstreichenden und Emotionen heraufbeschwörenden Medium auch unabdingbares Requisit. Ein Kritikpunkt von intelligenter Seite gegen Kubrick bestand darin, daß man den Einsatz von Schuberts E-Moll Klaviertrio für nicht authentisch hielt. In der Tat ist das Stück erst viel später entstanden und der Romantik zuzuordnen. Kubrick verteidigte sich natürlich gegen solche, ich nenne es mal so, billigen Angriffe, indem er erklärte, daß die Musik des 18. Jahrhunderts das Thema der tragischen Liebe nicht kenne. (getreu dem Grundsatz der „Aufklärung“)
Fazit
Sicherlich nicht der einfachste Kubrick- Film und sicher auch nicht sein uneingeschränkt bester, jedoch mit einigen unvergeßlichen Szenen, Momentaufnahmen und Inhaltsdetails gespickter und insgesamt doch unbedingt sehenswerter Film, den man sich doch mindestens ein Mal angeschaut haben sollte. Und sei es nur, um sich ein eigenen Bild machen zu können.