Review

Es ist in diesen Tagen nicht leicht, anders zu sein. Von dieser Erkenntnis kann auch die attraktive Dawn ein Lied singen, an der die sexuelle Revolution komplett vorbeigerauscht zu sein scheint und die aus diesem Grunde als überzeugte Fürsprecherin einer Enthaltsamkeitsorganisation flammende Keuschheitsreden an ihrer Highschool hält. Wie es der Zufall so will, lernt das unschuldige Blondchen eines Tages den erst kürzlich in die Gegend gezogenen und äußerst schnuckeligen Tobey kennen, der ihre heiligen Grundsätze komplett ins Wanken bringt. Zwischen den beiden Jugendlichen entwickelt sich eine erste, zarte Liebe, doch Dawn's weiterhin eingehaltener Schwur auf strikte Enthaltsamkeit fordert schließlich ihren schrecklichen Tribut. Als Tobey nicht mehr an sich halten kann und an einem abgelegenen See über Dawn herfällt, kommt es jedoch nicht zu der eigentlichen Vergewaltigung, da sich das bis dato unberührte "Schmuckkästchen" der jungen Frau plötzlich von einer äußerst wehrhaften Seite zeigt und Tobey mit einem kräftigen Biss von seinem besten Stück trennt. Während der entmannte Teenager noch an Ort und Stelle verblutet, sucht die völlig verängstigte und verstörte Dawn daraufhin im Internet nach Informationen und stößt dabei auf die in vielen Kulturen verbreitete Legende der rätselhaften "Vagina Dentata". Von ihrer intimen Anomalie zunächst bestürzt, erkennt Dawn daraufhin die Möglichkeiten ihrer mit Reißzähnen besetzten Vagina und begibt sich auf einen blutrünstigen Vergeltungszug gegen den sittenlosen Sexualtrieb der Männer, dem alsbald Penis um Penis zum Opfer fallen soll...


Ähem. Zunächst einmal muss an dieser Stelle wohl vorab festgehalten werden, dass es sich bei diesem Review keinesfalls um einen obskuren Scherz handelt. Dieser doch recht spezielle Film um eine bösartige Mördermöse und reichlich intravaginale Kastration existiert tatsächlich und findet unter dem markant auf den Punkt gebrachten Titel Teeth dieser Tage seinen Weg auf den hiesigen DVD-Markt. Vermutlich aus dem Bestreben heraus, die Emanzipation nun auch in Bezug auf amoklaufende Geschlechtsteile durchzusetzen, so sind schließlich putzmuntere und sinistre Penisse im Horrorgenre längst keine Ausnahme mehr, ist Teeth bereits der zweite Film, der seinen Fokus auf eine psychopathische Pussy setzt. So widmet sich die amerikanische Independent-Produktion aus dem Jahr 2007 beinahe dem selben Thema, das bereits von dem britischen Trashfilm Penetration Angst - Fick mich und du bist tot vier Jahre zuvor umgesetzt wurde, hält dabei aber einen essentiellen Unterschied parat. Während das eben erwähnte Werk nur für hartgesottene C-Movie-Fetischisten noch mit einem kleinen Rest an Hirnzellen zu überstehen war, lässt Regisseur Mitchell Lichtenstein dem Thema in seinem Debutwerk eine erstaunliche Ernsthaftigkeit zukommen und inszeniert Teeth darüber hinaus sogar als soliden, vielschichtigen und vor allem unkonventionellen Genremix irgendwo zwischen Teeniedrama, Liebeskomödie und blutreicher Horrorgroteske, der in seiner Gesamtheit durchaus mehr zu überzeugen weiß, als man es anhand der Thematik noch stirnrunzelnd für möglich gehalten hätte.

Einen Film wie Teeth auch nur annähernd in Worte fassen zu wollen, dürfte das Fassungsvermögen eines zartbesaiteten Publikums bereits um Längen übersteigen. In 90 unberechenbaren, irrsinnigen und schlüpfrigen Filmminuten versorgt Mitchell Lichtenstein, seines Zeichens Sprößling des berühmten Malers Roy Lichtenstein, seine Zuschauer dabei mit einem breiten Spektrum an romantischen Frühlingsgefühlen, inzestuösen Handlungssträngen, genitaler Verstümmelung und allumfassender Skurrilität, was letzten Endes wohl nicht jeden begeistern wird, dafür aber ein recht unvergleichliches Filmvergnügen verspricht. Zunächst einmal sollte man sich dabei allerdings von der Erwartung trennen, in Teeth womöglich eine Art neuen Stern am Himmel der Horrorcomedy zu sehen, denn Lichtenstein setzt seine Akzente insgesamt merklich allumfassend in mehr als nur dieses eine Genre. Einen ersten Eindruck seines Potentials weiß der ungewöhnliche Film dabei schon in seiner ersten Hälfte zu vermitteln, in der überwiegend noch die unterschiedlichen Charaktere vorgestellt und näher beleuchtet werden. Selbstredend geht es dabei nicht all zu realitätsnah zur Sache, denn bereits das Blonchen Dawn präsentiert sich als vollkommen überzogene Personifizierung sämtlicher amerikanischer Prüderieklischees. Dem gegenüber werden fast ausschließlich alle männlichen Protagonisten, allen voran der analfixierte und aufsässige Stiefbruder mit Kampfhund im Zimmer, als triebgesteuerte und primitive Vergewaltiger dargestellt, vor denen sich ein unschuldiges und gutherziges Teeniegirl wie Dawn zur Not auch mit rabiaten Methoden zur Wehr setzen muss. Während der Film vor der Kulisse eines strahlenden und einladenden Vorortes zunächst noch als unschuldige Teenie-Romanze beginnt, machen erste Anspielungen jedoch bald klar, welchen Tenor Teeth in seinem weiteren Verlauf noch anschlagen wird. Den Übergang setzt dabei eine herrlich schräge Masturbationsszene, in der sich Dawn erstmalig ihren aufkeimenden Gelüsten stellt, was dann von einem orchestral-infernalischen Score unterlegt wird, von dem sich selbst der Soundtrack zu Das Omen noch eine Scheibe abschneiden könnte. Herrlich!

Mit einem beinahe erschlagenden Ausmaß an Symbolismus und Metaphorik angereichert, vergisst Lichtenstein über einer netten Romantik- und Prüderiepersiflage jedoch nicht, was er seinem Publikum schuldig ist und wartet dann in der zweiten Hälfte mit einigem an graphischem Phallus-Splatter auf, bei dem einem die abgebissenen Pullermänner in allen Details nur so um die Ohren fliegen. Von einem aufdringlichen Gynäkologen, über einen hohlbratzigen Mitschüler bis hin zum lüsternen Stiefbruder ist dabei niemand vor Dawn's männerfeindlicher Venusfliegenfalle sicher, was dem Publikum natürlich so manchen blutigen Coitus Interruptus und einen nicht zu bestreitenden Unterhaltungswert beschert. Die größte filminterne Überraschung dürfte dann allerdings zweifellos die sein, dass Teeth trotz Perversionen und debilem Nonsens mit einem kleinen Mindestmaß an Niveau daherkommt und so den Spagat zwischen Nischen- und Mainstreamkino perfekt meistert. Dies wird darüber hinaus sicherlich auch von einer durchgehend soliden und technisch versierten Inszenierung gestützt, die Teeth sogar nur mit Müh' und Not noch als B-Movie durchgehen lässt. Bei all diesen formidablen Attributen mag man es folglich auch kaum glauben, dass dieses ausgefallene Kuriosum eines Films kaum mehr als einen knapp überdurchschnittlichen Eindruck hinterlässt. Die begrenzten Möglichkeiten, die sich aus dem Plot um ein blutrünstiges Geschlechtsteil ziehen lassen, werden vor allem gegen Ende langsam ersichtlich, vor dem zwar zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Langeweile entsteht, das aber gleichzeitig keine Sekunde zu früh über den Bildschirm flimmert. Die großteils bereits Serien- und Filmerfahrenen Darsteller agieren derweil jedoch allesamt absolut annehmbar und verleihen ihren oftmals ironisch überzeichneten Figuren so manche interessanten Aspekte.   
 
Teeth funktioniert in seiner Gesamtheit letztendlich wesentlich besser, als man dies von einem Film über eine bezahnte und äußerst böswillige Vagina erwarten würde und überzeugt dabei vor allem durch die kunterbunte Mischung aus leichtlebiger Teenieromanze, selbstironischer Genital-Splattergroteske und nicht all zu unterschwelligen Anleihen amerikanischer Gesellschaftskritik. Mitchell Lichtenstein gelang hiermit ohne Frage ein sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch durchaus brauchbares Regiedebut, bei dem sich die anfängliche Begeisterung allerdings auch schnell wieder verabschiedet und das eigentliche Mittelmaß hinter der bizarren Grundidee offenbart. Eine uneingeschränkte Empfehlung sei hiermit dennoch an all jene ausgesprochen, die sich auch für ungewöhnliche Filmkost zu begeistern wissen und zum Lachen nicht den Keller aufsuchen.


Teeth
USA 2007, 90 Min.
Freigabe: Keine Jugendfreigabe
Regie: Mitchell Lichtenstein

Darsteller: Jess Weixler, John Hensley, Josh Pais, Hale Appleman, Vivienne Benesch, Paul Galvan, Julia Garro, Trent Moore, Ava Ryen Plumb, Amber M. Rogers

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