Schlaghosen, Pünktchen- und Karomuster, lange Haare und eine funktionale Architektur in einfachen Formen: Die Familie Brady lebt noch in den 70er Jahren. Wie ihr Haus, welches sie als einzige Familie im Viertel nicht an einen Immobilienhai verkaufen will, sind auch die Eltern, ihre sechs Kinder und die Haushälterin Alice Anachronismen, die mit ihren Werte- und Moralvorstellungen nicht so recht in die 90er Jahre passen wollen. Das Format der zwischen 1969 und 1974 produzierten Fernsehserie Drei Mädchen und drei Jungen, in welcher immer wieder Teenieprobleme angesprochen und elterliche Ratschläge präsentiert wurden, wurde ohne Modernisierungen also einfach in die 90er Jahre übertragen.
Was zunächst als durchaus originelle Idee anmutet, verliert jedoch schnell seinen Reiz. Die elterlichen Ratschläge wirken trotz erkennbarer Ironie altbacken vorgetragen und der Humor des Films, der sich zum größten Teil aus dem Clash der Zeiten und Moralvorstellungen zusammen setzt, zündet nur selten. Die 70er Jahre sind die heile Welt, in der das Verhältnis innerhalb der Familie trotz sechs Kinder (drei männlich, drei weiblich) in den verschiedensten Adoleszenzstufen unter einem Dach stets ein harmonisches ist und keine veritable Sexualität fernab von schwärmerischen Harmlosigkeiten und zweideutigen Anspielungen zu existieren scheint. Ein Kuss mit einem Jungen ist bei den prüden Brady-Kindern schon das Äußerste.
Selbst der einzige wirkliche Konflikt mit „Potenzial" innerhalb der Familie, bei dem sich Jan (Jennifer Elise Cox) als mittlere Tochter stets im Schatten ihrer beliebteren großen Schwester benachteiligt fühlt, wird am Ende spielend leicht durch die Liebe und den Zusammenhalt der Familie, die auch gern mal spontan Sackhüpfen im eigenen Kunstrasen-Garten zum Heben der Stimmung veranstaltet, gelöst. Und alle anderen Kinderfiguren zeichnen sich durch ihre mangelnde Charakterzeichnung aus, die durch die Reißbrett-Prädikate wie „stets weibstoll, aber erfolglos", „schwächlicher Looser" oder „altkluger Bengel" ersetzt werden.
Alles also Friede, Freude, Eierkuchen, würden nicht außerhalb dieses penetrant gut gelaunten Mikrokosmos noch die „bösen" 90er Jahre existieren. Die Nachbarskinder können die Brady-Sonderlinge nicht leiden und hören laut-wilde Rockmusik, der Nachbarsvater Dittmeyer (ohne Valensina) ist ein gereizter Immobilienhai, der die Bradys aus ihrem Haus treiben will, um Profite zu scheffeln. Da trifft es sich gut, dass die Bradys gerade 20 000 Dollar bei der Steuer in der Kreide stehen und ihr Haus versteigert werden soll. So richtig tangiert das aber die Gutmenschen von Brady-Eltern nicht, bekommt doch Vater Mike, seines Zeichens Architekt, einen Vorschuss, wenn er einen seiner Entwürfe an den Mann bringt. Klar, dass das nicht funktionieren wird, wenn man immer nur den gleichen, angestaubten 70er Jahre-Stil für Burgerbuden und Tankstellen vorstellt. Gut nur, dass sich die Kinder autonom dazu entschließen, an einem Musikwettbewerb teilzunehmen, deren erster Preis mit - welch Zufall - genau 20 000 Dollar dotiert ist. Naivität und mangelnder Realitätssinn angesichts der mäßigen Fähigkeiten der hasenmüßigen Kiddies also, wohin man schaut.
Immerhin besannen sich die Casting-Agenten von Die Brady Family darauf, neben den kaum bekannten Schauspielern in den Hauptrollen kleine Gastrollen mit in den 70er Jahre populären Persönlichkeiten zu besetzen. So tritt Florence Henderson, schon in der Fernsehserie Ende der 60er Jahre dabei, als Brady-Großmutter auf und drei Mitglieder der Retortenband „The Monkeys" (Ende der 60er Jahre populär) sind kurz als Juroren beim Auftritt der Bradys gegen Ende zu sehen. Das ändert zwar nichts an dem reichlich harmlos-naiven Gesamteindruck, schafft aber nette zeitgeschichtliche Referenzen. Die Frage ist dabei jedoch stets, ob man den Film anders sieht, wenn man die Fernsehserie kennt oder mit ihr aufgewachsen ist. Ich kann dies für mich nicht behaupten.
Die heile und gute Welt, welche sich durch Zusammenhalt in der Nachbarschaft und intakte Familie, also die Wahrung traditioneller Werte auszeichnet, geht dem Zuschauer früher oder später ebenso auf den Senkel wie die prüden Smile-and-kiss-but-dont-fuck-for-Peace-Hippies und ihre sorglose Mentalität. Das hat auch mit der Inhaltslosigkeit des Films zu tun, dessen dünne Handlung sich zwischen den Pseudokonflikten der Teenies mit der großen Schwester oder mit der eigenen Popularität an der Schule und einigen klamaukigen Einlagen verliert. Ein kunterbuntes, aber eben auch unfreiwillig komisches Trash-Spektakel ohne Sinn und Verstand.