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SCORPION - DER KÄMPFER

Martial Arts made in Frankreich? Da hat man sofort Filme wie KISS OF THE DRAGON, THE TRANSPORTER oder GHETTO GANGZ auf der Rechnung! Doch nicht so schnell: Mit SCORPION - DER KÄMPFER erschien 2007 ein Martial Arts-Drama, welches auf ganzer Linie überzeugt und somit als absoluter Geheimtipp gehandelt werden darf…

Angelo (Clovis Cornillac) ist ein junger Kämpfer, der sich physisch in absoluter Höchstform befindet. Sein Trainer versucht immer wieder, ihm klarzumachen, dass auch mentale Stärke enorm wichtig sei, doch Angelo kann mit diesen Ratschlägen nichts anfangen und schießt immer wieder über seine Ziele hinaus. Die Situation eskaliert, als ein anderer Kämpfer an seiner Stelle zu einem wichtigen Turnier fahren darf und Angelo ihn aus lauter Wut in einer Seitengasse zu Tode prügelt.

Angelos Karriere ist am Ende und nach sechs Jahren Gefängnis kehrt er als Wrack zurück. Über seinen Kumpel Moîse (Tony Mpoudja) lernt Angelo den Promoter Marcus (Francis Renaud) kennen und bestreitet für diesen erfolgreich einige illegale „Freefight“-Kämpfe. Angelo scheint sich auf dem Weg nach oben zu befinden: Er kann sich eine noble Wohnung und teure Klamotten leisten. Ebenso bahnt sich zwischen ihm und der attraktiven Bedienung Virginie (Karole Rocher) zaghaft eine Beziehung an.

Der gierige Marcus versucht, immer mehr Kohle mit Angelo zu scheffeln und hat mit dem K-1-Fighter Elias (Jérôme Le Banner) schon einen neuen, schier unüberwindbaren Gegner gefunden. Als Angelo jedoch mitbekommt, dass Virginie mehr als nur eine Bedienung ist und von Marcus auf den Strich geschickt wird, muss er eine Entscheidung treffen: Eine Karriere als kämpfendes Werkzeug von Marcus oder doch lieber durchbrennen, um mit Virginie und deren kleinen Sohn woanders ein neues Leben zu beginnen…

Da die Kampfszenen zwar keinen geringen, aber auch nicht den bestimmenden Teil von SCORPION ausmachen, werde ich hierzu nur die nötigsten Worte verlieren: Die Kämpfe sind absolut reell, knüppelhart, kommen ohne Hilfsmittel wie Seile oder Spielereien wie Zeitlupen aus und die „kJ“-Freigabe ist vollkommen gerechtfertigt! Angelo und seine Gegner schenken sich wirklich nichts, es wird bei jedem Treffer auf entsprechend blutige Wunden geachtet und diese sind nach Ende des Kampfes auch nicht wie von Geisterhand verschwunden!

Die entscheidenden Elemente, die SCORPION letztendlich ausmachen, sind die authentische Story und die ebenso überzeugenden Darsteller. Clovis Cornillac (welcher den Film auch als Erzähler begleitet) kann nicht nur kämpfen, sondern spielt einen gescheiterten Charakter, der schon als Kind niemals gelernt hat, seinen Zorn ohne die Anwendung von Gewalt abzubauen, was ihm zunehmend Probleme bereitet und ihn irgendwann auch ins Gefängnis bringt. Sein Verhalten gegenüber Virginie ist schüchtern und in vielen Momenten sogar ungeschickt: So wartet er z.B. auf der Straße auf sie, gibt ihr dadurch das Gefühl, sie zu verfolgen und hat im Grunde viel mehr Angst als sie selbst, da er sich seinem geringen sozialen Status durchaus bewusst ist. Seinen Prinzipien bleibt er stets treu und außerdem ist er ein Realist, den Clubs, Cocktails und Stripperinnen nicht darüber hinwegtäuschen können, dass sich seine mentalen Probleme nicht so einfach über Nacht in Wohlgefallen auflösen werden.

Auch Karole Rocher (Virginie), Tony Mpoudja (Moîse) und sogar Francis Renaud als neureicher Promoter Marcus sind keine wandelnden Klischees, sondern verfügen über menschliche Ecken und Kanten und lassen erkennen, dass der Preis, den sie für ihren tollen Lebensstandart bezahlen müssen, ziemlich hoch ist. Am Ende scheint der ehrliche, auch mit weniger zufriedene Angelo den klügeren, wenn auch genügsameren Weg zu gehen. Ein verdientes Lob geht an dieser Stelle an die Darstellerriege, welche einen nicht unerheblichen Teil zum Gelingen des Martial Arts-Dramas beiträgt und zusammen mit der alles andere als billigen Optik eigentlich gar nicht mehr zum Sektor B-Movie gezählt werden kann!

SCORPION ist wie geschaffen für einen direkten Vergleich mit Jesse Johnsons ähnlich gelagertem PIT FIGHTER (2004): Bei beiden Filmen gibt es wirklich keine Szenen, bei denen man denkt, sie würden nur Verwendung finden, um die Laufzeit zu dehnen oder um unnötige Schlägereien einzubauen! Keine Logiklücken im Drehbuch! Keine Charaktere, die sich entweder künstlich gestellt, übermenschlich oder aber unnachvollziehbar verhalten! Keine erhobenen Zeigefinger! Dafür gibt es viele depressive und traurige Momente und keiner von ihnen wirkt zu dick aufgetragen oder unangenehm schmalzig!
Auch gibt es eine gewisse optische Ähnlichkeit zwischen Clovis Cornillac und Dominiquie Vandenberg und der entscheidende Moment, in dem SCORPION an PIT FIGHTER vorbeizieht ist der folgende: *Spoiler Anfang* So ausbalanciert und glaubhaft PIT FIGHTER auch war… bei dem übertriebenen Showdown kam der Verdacht auf, dass Jesse Johnson seinem Produkt wohl nur zu 99% vertraut! Regisseur Julien Seri schenkt seinem SCORPION zu 100% Vertrauen und spart sich deshalb ein unnötiges „Over-the-Top“-Finale: Der Kampf „Angelo vs Elias“ wird nicht über die volle Distanz ausgetragen, sondern ohne einen Sieger abgebrochen, damit Angelo seiner Virginie das Leben retten kann! *Spoiler Ende*

Es mag aus dem Mund eines Fans von trashiger B-Action-Ware etwas überraschend klingen: Lasst beim nächsten Videothekenbesuch mal den offensichtlichen Actionknaller unbeachtet stehen und gebt SCORPION - DER KÄMPFER eine Chance! Tut dies erst recht, wenn Euch PIT FIGHTER oder auch die dramatischen Ansätze von Isaac Florentines UNDISPUTED 2 (2005) gefallen haben! Dieser Film hier meistert das Zusammenspiel von Drama und Martial Arts noch etwas besser und ist wirklich als absoluter Geheimtipp zu empfehlen!

8/10 Punkten, diBu!

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