Schlingensief zählt zweifelsohne zu den umstrittensten, vielleicht auch schwer zugänglichsten Filmemachern Deutschlands.
In der Choreographie des deutschen Trashfilms, zwischen "Als die Frauen noch Schwänze hatten", "Kondom des Grauens" und "Die Bettwurst", "Dörte's Dancing" und "Spiel mir das Lied und du bist tot", stilistisch irgendwo am Linken Rand anzusiedeln ("Die 120 Tage von Sodom", "Even Hitler Had A Hirlfriend"), freier Assoziation, Werner Storch, Gelsenkirchener Barock und Wiener Auktionismus. Die Grenzen zwischen Belanglosigkeit und Kunst (Dadaismus) beginnen langsam zu verschwimmen ...
Als Kind einer vom Sozialismus geprägten Randgesellschaft, symbolisiert auch er den Freigeist einer aufstrebenden und rebellischen Jugend in der BRD, die später auch die Mauer zu Fall bringen sollte. Dagegen dürfte selbst ein David Hasselhoff als vermeintlicher Nationalheld (I've Been Looking For Freedom) blass aussehen ...
Schlingensief, dessen Stil sich noch am ehesten mit dem von Praunheims deckt, Büld, später Taubert ("Spiel mir am Glied bis zum Tod", "Staplerfahrer Klaus 2"), gleichermaßen viel diskutiert und nicht weniger nichtssagend, angepriesen wie verteufelt, deshalb nicht weniger kultlastig.
Sahen wir uns in "Terror 2000" noch mit sozialen Brennpunkten und überfüllten Asylantenheimen in Gladbeck im Kreis Recklinghausen konfrontiert, behandeln wir hier kindgerecht, wie naiv die Jagd von Polizisten und Gesetzlosen (Räuber & Gendarm). In Heimatfilm-Optik und mit Handkamera abgefilmt.
Keineswegs revolutionär, aktionstisch, pubertär, in seinem Stil aber völlig einzigartig und unverkennbar. Das was Helge Schneider später als freie deutsche Jazzikone versinnbildlichte und perfektionierte, steckt hier noch in den Kinderschuhen.
"Mein 1. Film" fungiert dabei als sowas wie Schlingensief's Debütant, zweifelsohne historisch wertvoll und wirkt wie sein Vorschulprojekt. Sein späterer Kurs scheint jedoch von vorne herein klar zu sein.
Was Gosejohan ("Operation Dancer Sensation", "Captain Cosmotic") noch auf eine liebevoll-provankt-dilletantische Art verpackte, verkommt bei Schlingensief, ähnlich Krekel und Flipper, immer wieder zu einer Art Schund, teils amüsant, stupide, nicht jedoch ohne die nötige Portion Selbstironie. Teils schwierig zu bewerten, nicht jedoch ohne entsprechende Wertung.
Radikal, provokant, obszön. In diesem Fall wohl eher kindlich-verspielt, im Großen und Ganzen unausgereift, blutjung und für Laien ohnehin weitestgehend uninteressant. Das Prädikat Kunst wäre hier zugegebenermaßen noch etwas hoch gegriffen, sozialistisch-anarchistisch und stellenweise populustisches Kulturgut attestiert.
Dabei nur oberflächlich und vordergründig schwachsinnig, gleichzeitig vollgestopft mit subtilen, dramatischen, aber gleichermaßen tiefgründigen und pikanten Details (s. auch "Fremdverstümmelung").
Schlingensief dürfte sich damit hinter Mühl, Taubert und Boll zu einem der fragwürdigsten bzw. umstrittensten, in diesem Fall jedoch nicht meistdisktutiertesten bzw. zitierten Gestalten im deutschsprachigen Independent-Bereich bewegen.
Nennen wir es mal sowas wie den Warhol unter den deutschen Filmemachern ...