Die psychisch kranke Karin (Harriet Andersson) wird von ihrem Ehemann, ihrem Bruder und ihrem Vater auf einer einsamen Insel gepflegt. Die vier verbringen eine oberflächlich idyllische Zeit miteinander in der Einsamkeit, allerdings blitzen immer wieder kurz unausgesprochene Konflikte zwischen ihnen auf – etwa dass der Vater, ein Schriftsteller, zu viel auf Reisen ist und seine Kinder zu selten sieht. Als sich Karins Zustand wieder schleichend verschlechtert, wachsen auch die Spannungen zwischen den anderen.
„Wie in einem Spiegel“ ist ein prototypisches Werk des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman: Auf ein überschaubares Figurenarsenal beschränkt (diesmal tatsächlich nur vier Darstellende), in einem kammerspielartigen Setting und mit vielen und ausufernden Dialogen erkundet er die psychischen Verfassungen seiner Agierenden und die schwierigen Beziehungsgeflechte zwischen ihnen. Dabei liegt diesmal der Schwerpunkt ganz klar auf der psychisch labilen Karin, deren Wohl und Weh das Hauptmotiv aller anderen ist – mit Ausnahme des Bruders, der sich ähnlich intensiv die Liebe und Zuwendung seines Vaters wünscht. Ohne Score, mit einer ruhigen, langsamen, vor allem auf Nahaufnahmen konzentrierten Kamera und in dunklem Schwarz-Weiß gehalten, entsteht so ein stilles Psychogramm, das seine emotionale Intensität erst im Lauf der Zeit entfaltet.
Wie so oft bei Bergman braucht man also auch hier ein wenig Geduld – allerdings diesmal etwas mehr als bei vielen anderen seiner Werke. „Wie in einem Spiegel“ bleibt einen Hauch zu ruhig, zu zurückhaltend, zu unspektakulär, um eine so umfassende und mitreißende Wirkung zu erzielen, wie das etwa „Persona“, „Passion“ oder „Herbstsonate“ gelingt. Dafür bleiben die Dialoge einen Hauch zu schwerfällig und gekünstelt und die Darstellenden etwas zu sehr in sich gekehrt.
Allerdings sind das Beschwerden auf hohem Niveau. Denn natürlich entwickelt sich hier mit der Zeit trotzdem ein intensives Kammerspiel zwischen Agierenden, die an ihrer verhinderten Kommunikation zu ersticken drohen und es nicht schaffen, offen ihre wahren Gefühle zu äußern. Und auch wenn die Dialoge oft etwas theaterhaft steif wirken, sind sie trotzdem Musterbeispiele in filmischer Gesprächsführung und emotionaler Andeutung und Metaphorik. Und dass die Darstellenden nicht aus sich heraus kommen, ist ja gerade ein Inhalt der Handlung – die Unfähigkeit zu Offenheit und Ehrlichkeit, die hier in psychische Belastungen bis hin zu Traumata und Störungen mündet, ist das zentrale Thema des Films.
Allen voran Andersson kann dabei durchaus überzeugen und gibt ihre am Leben und sich selbst verzweifelnde und von Halluzinationen geplagte Karin mit so viel stiller Kraft und doch immer wieder durchbrechendem Leiden, dass sie dem Zuschauenden bald besonders ans Herz wächst. Doch auch Max von Sydow als einfühlsamer, aber an seine Grenzen geratender Ehemann, Gunnar Björnstrand als bei aller Sorge distanziert bleibender Vater und Lars Passgard als ebenfalls zwischen Hilfsbereitschaft und Eifersucht auf die Aufmerksamkeit des Vaters schwankender Bruder geben stille, aber intensive und überzeugende Leistungen zum Besten.
„Wie in einem Spiegel“ gehört vielleicht nicht zu Bergmans größten Meisterwerken, aber es ist ein in seiner formalen Strenge und Stille doch mit der Zeit fesselndes, dramatisches Stück über psychische Nöte und die zwischenmenschlichen Gründe, die dazu führen können. Bei aller Düsternis zeigt er aber auch durchaus Möglichkeiten, aus dem Kreislauf der Verleugnung und gestörten Kommunikation auszubrechen. So bleibt er handwerklich und inhaltlich auf dem hohen Niveau, das man von einem Ingmar Bergman durchaus erwarten kann.