Einer der größten Regisseure aller Zeiten inszeniert einen der größten Komponisten aller Zeiten - heraus kommt ein Opernfilm-Meisterwerk für die Ewigkeit!
Mitte der 70er verfilmte Ingmar Bergman die weltberühmte Oper „Die Zauberflöte" von Wolfgang Amadeus Mozart. Wobei das Wort „Verfilmung" hier zu kurz greift, denn auf unnachahmliche Weise gelingt es dem schwedischen Meisterregisseur hier, eine faszinierende Mischung aus abgefilmtem Musiktheater und filmischer Umsetzung zu kreieren. Handlung, Musik und Ausstattung bleiben dabei ganz klassisch am Original orientiert, Bergman ist weit davon entfernt, der Geschichte durch aufgepfropfte moderne Elemente einen Anschein von Aktualität oder Angepasstheit an heutige Sehgewohnheiten verleihen zu wollen. Mit professionellen Opernsängern inszeniert er eine an sich klassisch gehaltene Adaptation, die auch konservativen Opernbesuchern durchaus gefallen könnte.
Was seine „Zauberflöte" zu einem außergewöhnlichen medialen Ereignis macht, ist die Virtuosität, mit der er die Grenzen der Oper sprengt, ohne sie ganz fallen zu lassen. Schon die Umsetzung der Ouvertüre ist ein filmisches Glanzstück: Zu den Klängen des erst langsam einsetzenden Orchesters zeigt er kurze Bilder des Opernhauses, dann fokussiert sich die Kamera auf ein junges Mädchen im Publikum, das mit gespannt-freudigem Gesichtsausdruck auf den Beginn der Aufführung wartet. Während das Orchester immer mehr aufbraust, springt der Filmschnitt von Gesicht zu Gesicht, zeigt das bunt durchmischte Publikum, Jung und Alt, Mann und Frau, passt sich in Bildrhythmik perfekt der Musik an und erzeugt dabei zugleich eine Metaebene, indem das Publikum für wenige Momente zum zentralen Inhaltselement wird. Auch während der weiteren Aufführung wird die Kamera immer wieder kurze Ansichten vor allem des Mädchens zeigen, das mal ernst, mal lächelnd dem Geschehen auf der Bühne folgt.
Stichwort Bühne: Bergman vollzieht keine Verfilmung im üblichen Sinne, denn er nutzt keine filmischen Mittel wie etwa Außen- oder aufwendige Studioaufnahmen, die Realität vorgaukeln sollen. Die gesamte Handlung spielt sich auf einer großen Opernbühne ab, samt wechselnden Kulissen, hereingehaltenen Untertitel-Blättern und Komparsen in Drachen- und Tierkostümen. Und doch ist „Die Zauberflöte" viel mehr als „nur" abgefilmtes Theater: Kamera und Schnitt agieren in voll ausgereifter filmischer Stärke, es gibt schnelle Perspektivwechsel, Shots zwischen agierenden Darstellern und ein Bildtempo, das im Theaterfilm seinesgleichen sucht. Die Illusion einer durchlaufenden Aufführung wird nahezu perfekt aufrecht erhalten, auch wenn während eines Auftritts immer wieder Kameraperspektiven wechseln, hier also offensichtlich Pausen eingelegt werden mussten. So wird Bergmans Version neben der spannenden und vielschichtigen Handlung auch zu einem faszinierend-seltsamen Vexierspiel auf der medialen Grenze zwischen Oper und Film.
Einen Höhepunkt findet dieses Spiel mit medialen Gewohnheiten in einer kurzen Pause, die erneut die fiktionale Ebene durchbricht. In einer viel zu kurzen Pause nach dem ersten Akt führt uns die Kamera hochironisch hinter die Kulissen - eine Darstellerin raucht unter einem Rauchverbots-Schild, ein älterer Darsteller liest Homer, ein jüngerer in einem Mickey Mouse-Heft, und der Drachen-Darsteller watschelt in vollem Kostüm durch die Gänge. Dieser auf jeglichen Kommentar verzichtende Einbruch in die Realität der Aufführung, der man seit knapp einer Stunde beiwohnt, spielt auf brillante Art und Weise mit den Konventionen einer Opernverfilmung, ohne die Ernsthaftigkeit des Sujets negativ zu beeinflussen.
So wird Ingmar Bergmans „Die Zauberflöte" zum genialen Kunstwerk über das eigene Kunst- und Künstlichsein, erzählt dabei dennoch die klassische Geschichte um Tamino und Papageno, gefällt mit wunderbarer Musik von Mozart, starken Darstellern und aufwendigen Kulissen, die niemals den Rahmen der zugegeben sehr großen Bühne verlassen und dennoch immer wieder für visuell beeindruckende Sequenzen sorgen. Mit diesem Werk liefert Bergman eine grandiose Aufführung von Mozarts Stück und lotet zugleich die Grenzen zwischen verschiedenen Formen der Kunst aus. Ein faszinierendes Meisterstück nicht nur für Opernfans.