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Wohl DER auf den ersten Blick begehrenswerteste Spielfilm für den Liebhaber von Industrial- und Neofolkmusik, haben sich hier doch zwei Ikonen dieser untergründigen Musiksparten in den Cast geschlichen: Douglas P. von Death in June und - in der Hauptrolle - Boyd Rice, Industrial/Noise-Pionier und Protagonist solcher Geheimtip-Projekte wie NON, Scorpion Wind oder Boyd Rice & Fiends [sic!].

Hier jedenfalls sind sie vereint in einem kontroversen kleinen Filmchen, das zum Oeuvre des Begründers der "Zweiten Renaissance" des australischen Kinos, Richard Wolstencroft, gehört. In Handkameraqualität, die aber nur selten unprofessionell wirkt, wird das Leben des Lebemannes Daniel (Boyd Rice) beleuchtet, dessen Alltag dem von Patrick Bateman aus American Psycho ähnelt: Partygänge, Drogen, aufwendiger Lebensstil, sexuelle Dekadenz. Auch wird schon sehr früh klargemacht, woher der Protagonist all sein Geld hat: Gemeinsam mit zwei Freunden verdingt er sich als Killer im Auftrag der Behörden, der nachts die Straßen von Obdachlosen säubert und ihre Leichen danach noch an Medizinstudenten verscherbelt.

Eines schönen Tages jedoch wird er in seiner ikonoklastischen Idylle zwischen Philosophie und S/M-Sex gestört, denn erstmals erhält er einen speziellen Mordauftrag: Ein kontroverser Schriftsteller ist den Regierenden auf die Füße getreten und soll beseitigt werden. Daniel nimmt den Auftrag zögernd, doch nicht ohne Hintergedanken an, und der Reigen des Wahnsinns nimmt seinen Lauf.

Ein solider Film, den man sich durchaus auch anschauen kann, wenn man Independent-Fan und nicht mit der Arbeit des Herren Rice vertraut ist.
Ist man das allerdings doch, wird man den Film als genüssliche visuelle Realisierung der auf seinen Platten postulierten, misanthropischen Ansichten verstehen - und in der Tat wird der kundige Hörer feststellen, dass Boyd sich im Laufe seiner Dialoge öfters selbst zitiert. Dies ist aber kein Grund zur Langeweile, sondern trägt eher zum Amüsement bei, da man all das Gesagte und Gezeigte keinesfalls allzu ernst nehmen sollte (insbesondere nicht die Szene, in der Boyd Rice von Douglas Pearce einen Stapel Pornohefte kauft), auch wenn natürlich die Attitüde von Wolstencroft und Rice durchaus interessant und plausibel ist.

Insgesamt ein Film, den man sich als aufgeschlossener und intellektueller Mensch antun sollte.

In diesem Sinne: TO THE NEW DAWN!

8 / 10

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