In den 1970er- und 1980er-Jahren gab es so einige Dinge, die man partout vermeiden sollte. Seltsamerweise betraf das fast ausschließlich Regionen, in denen Englisch gesprochen wurde; hierzulande wurden diese Aufforderungen, etwas Bestimmtes nicht zu tun, meist ignoriert.
Don't Panic (Schock, 1978)
Don't Look in the Attic (1982)
Please Don't Eat My Mother (1973)
Don't Ring the Doorbell (Der Mafu-Käfig, 1978)
Don't Go to Sleep (Wiegenlied des Grauens, 1982)
Don't Go in the Woods (Ausflug in das Grauen, 1981)
Don't Play with Fire (Söldner kennen keine Gnade, 1980)
Don't Go Near the Park (Der Fluch des ewigen Lebens, 1979)
Don't Deliver Us from Evil (Und erlöse uns nicht von dem Bösen, 1971)
Don't Feed the Mogwai after Midnight (1984)... äh, nein, der hieß dann doch etwas anders.
Don't Open the Window (Invasion der Zombies/Das Leichenhaus der lebenden Toten, 1974)
Don't Look Now (Wenn die Gondeln Trauer tragen, 1973; der beste der Don't-Filme)
Don't Ride on Late Night Trains (Night Train - Der letzte Zug in die Nacht, 1975)
Don't Go in the House (Das Haus der lebenden Leichen, 1979)
Don't Answer the Phone! (Todesschrei am Telefon, 1980)
Don't Open Till Christmas (Fröhliche Weihnacht, 1984)
Don't Be Afraid of the Dark (Gate of Darkness, 1973)
Don't Mess with My Sister! (N.Y. Fire Street, 1985)
Please Don't Eat the Babies (1983)
Don't Torture a Duckling (1972)
Don't Open the Door! (1974)
Don't Panic (1988)
Was passierte, wenn man diese gut gemeinten Warnungen in den Wind schlug, wurde in den entsprechenden Filmen - wenn man Glück hatte - sehr schön veranschaulicht. Man sollte sich aber auch nicht groß wundern, wenn der knallige Titel mit dem Film selbst nicht das Geringste zu tun hatte. Aber irgend etwas war da doch noch... Genau, man sollte es außerdem tunlichst unterlassen, einen Blick in das Kellergeschoß zu werfen: Siehe The Forgotten (1973), besser bekannt als
Don't Look in the Basement!
Besagter Keller befindet sich im Sanatorium des Dr. Stephens (Michael Harvey) auf dem Lande, und die Heil- bzw. Pflegemethoden, die in diesem Heim zur Anwendung kommen, sind - vorsichtig ausgedrückt - unorthodox. Zum Beispiel nimmt man den Gleichstellungsgrundsatz sehr wörtlich, macht keinen Unterschied zwischen Pflegerinnen und Insassen, was sich dahingehend auswirkt, daß es keine Schlösser an den Türen gibt. Die Irren können gehen, wohin sie wollen, wann sie wollen. Und sie sind nicht irre genug, um diesen Umstand nicht auszunützen. Zu Beginn scheint noch alles in Ordnung zu sein, aber das soll sich schnell ändern. Es ist ausgerechnet der ehemalige Richter Oliver W. Cameron (Gene Ross), der den Niedergang einläutet. Denn bei der allmorgendlichen Therapiesitzung mit einer Axt trifft er nicht den am Boden liegenden Baumstamm, nein, er fällt stattdessen den verdutzten Onkel Doktor. Und so übernimmt gezwungenermaßen seine überforderte Assistentin Dr. Masters (Annabelle Weenick) die Leitung, welche alsbald Unterstützung erhält von der neuen Krankenschwester Charlotte Beale (Rosie Holotik), die kurz nach Dr. Stephens' Unfall eintrifft. Ambitioniert und voller Engagement macht sich die junge Frau an die Arbeit und betreut die verschiedenen Patienten, wie den dank Lobotomie gutmütigen Schwarzen Sam (Bill McGhee), den Kriegsveteranen Sergeant Jaffee (Hugh Feagin), die Nymphomanin Allyson King (Betty Chandler), die verkalkte alte Mrs. Callingham (Rhea MacAdams), den hysterischen Spaßvogel Danny (Jessie Kirby), die junge "Mutter" Jennifer (Harryette Warren) sowie den bereits erwähnten Richter Cameron. Sie alle haben ihre ganz speziellen Macken, und sie sind alle verrückt, manche mehr, manche weniger. Daß die Arbeit in einem Haus voller Irrer kein Zuckerschlecken ist, muß Charlotte auf die harte Tour lernen.
S.F. Brownriggs im texanischen Tehuacana gedrehter The Forgotten ist eines jener Ultra-Low-Budget-Wunder, wie sie in den wilden Siebzigern so zahlreich entstanden sind. Und daß der Streifen in dieser für den Exploitationfilm so ungemein fruchtbaren Dekade gemacht wurde, kann er zu keiner Sekunde verleugnen. In den Drive-Ins lief der für weniger als hunderttausend Dollar in nur zwölf Tagen abgedrehte Schocker oft zusammen mit Wes Cravens The Last House on the Left (Das letzte Haus links) als Double Feature, da er ebenfalls von der Firma Hallmark Releasing vertrieben wurde. Das erklärt auch dieselbe, sensationsheischende Werbekampagne: It's only a movie... only a movie... only a movie... Natürlich ist The Forgotten nur ein Film, aber er ist ein verdammt starker Film. Und er ist - völlig zu Recht - ein kleiner wenn auch wenig besungener Klassiker des Exploitationkinos. Dabei ist die Struktur von Brownriggs Debütfilm eher ungewöhnlich. Die ersten zwei Drittel des Streifens bestehen im Grunde aus einer losen Aneinanderreihung von Episoden. Recht nüchtern und emotionslos beobachtet Robert Alcotts Kamera (mal hautnah dran, mal Respektabstand haltend) die Verrückten und was sie so treiben. Dadurch wird eine ominöse, unheilschwangere Stimmung etabliert, eine dichte, unberechenbare Irrenhausatmosphäre, die den Zuschauer manchmal unwillkürlich erschauern läßt, verstärkt durch den Umstand, daß fast der gesamte Film in der klaustrophobischen Enge des Hauses spielt. Und auch der simple aber effektive Score trägt zum beunruhigenden Ton des Streifens entscheidend bei. Humor gibt es nur wenig, und wenn, dann ist er rabenschwarz.
Die diversen gescheiterten Existenzen werden von den großteils unbekannten Schauspieler(innen) überraschend gut portraitiert. Die schaffen es sogar, ihren Charakteren ein gewisses Maß an Authentizität einzuhauchen! Natürlich wird manchmal ein wenig über die Stränge geschlagen, aber es wird nie so sehr über die Stränge geschlagen, daß man über die Figuren lacht und den Film nicht mehr ernst nimmt. Im Gegenteil, nahezu jeden der Patienten umgibt eine latente Aura der Bedrohung, und einige wirken sogar wie ein zum Bersten gefülltes Pulverfaß, das jeden Moment und ohne Vorwarnung explodieren kann. Als (einzige) Identifikationsfigur bietet sich die fragile und etwas naive Charlotte an, und sie ist es auch, die exakt das tun wird, wovor der Alternativtitel des Filmes ausdrücklich warnt. Hätte sie der Aufforderung der alten Mrs. Callingham Folge geleistet ("Get out! Get out! And never come back!"), wäre ihr viel Ungemach erspart geblieben. The Forgotten ist einer jener Filme, in denen jederzeit etwas Unerwartetes passieren kann. Da kann es schon mal vorkommen, daß jemand eine Tür öffnet und eine kreischende Irre mit gezücktem Messer auf ihn zustürmt. Diese konstante, zum Schneiden dichte Atmosphäre der Bedrohung muß sich irgendwann einfach entladen. Und das tut sie auch. Am Ende gerät so einiges aus den Fugen, wenn das alptraumhafte, plötzlich erstaunlich packende Geschehen unaufhaltsam seinem so dramatischen wie wüsten und denkwürdigen Höhepunkt zusteuert. Da ist es auch zu verschmerzen, daß der Twist eigentlich gar kein Twist ist, da man ihn schon nach kurzer Zeit kommen sieht.
Brownrigg, der sein Handwerk in der Armee und bei Larry Buchanan gelernt hat (er war z. B. Sound Supervisor bei Zontar: The Thing from Venus und besorgte den Schnitt bei The Eye Creatures), gelingen da tatsächlich einige verstörende Momente, die ob ihrer ungeschliffenen Rohheit noch einige Zeit nachhallen. Das tolle Skript stammt vom späteren Kult-Videoclip-Regisseur Tim Pope (The Cure), der 1996 mit The Crow: City of Angels (The Crow - Die Rache der Krähe) sein Waterloo erlebte. S.F. Brownrigg drehte noch drei weitere Exploitationfilme (Scum of the Earth, Don't Open the Door!, Keep My Grave Open) und eine Komödie (Thinkin' Big), bevor er 1986 der Filmbühne endgültig adieu sagte. Die große Bühne des Lebens verließ er zehn Jahre später. Seine grimmigen Schocker aus den Siebzigern, allen voran The Forgotten, sind ein Testament dafür, daß man mit Talent und einer Vision auch mit minimalen Mitteln sehr viel erreichen kann.