Review

Bruno Mattei hat sich als einer der vielen Exploitationfilmer Italiens in den 70er und 80er Jahren einen zweifelhaften Ruf erarbeitet, der ihn unter Fans des im weitesten Sinne exploitativen phantastischen Films Italiens zumindest nahezu so populär wie die Kollegen Lucio Fulci, Umberto Lenzi, Ruggero Deodato oder Joe D'Amato werden ließ. Doch während Fulci mit "Zombi 2" (1979) immerhin die Italo-Zombiewelle quasi im Alleingang losgetreten, mit "Una Lucertola con la pelle di donna" (1971) und "L'Aldila" (1981) Höhepunkte des Giallos bzw. des Zombiefilms geschaffen und generell zum Aushängeschild italienischen Hardcore-Splatters wurde, Lenzi und Deodato die Urväter des Kannibalenfilms geworden sind und D'Amato mit kruden Porno-Splatterfilmen minderer Qualität und der Black Emanuelle-Reihe zumindest tendenziell neue Wege beschritt, reichte es bei Mattei allenfalls für den Ruf des großen Plagiators, der keine kurzlebige Welle ausließ um schnell produzierte Nachzieher zu liefern, bei denen man guten Gewissens von dreisten Abkupferungen sprechen kann - die bloße Inspiration, die den Anstoß zu eigenständigen Werken bildet, ist da eher eine Seltenheit gewesen...

So legte er noch am Anfang seiner "Karriere" im Rahmen der frisch zur Blütezeit gelangten Sadiconazista-Welle kurz nach "Salon Kitty" (1976) von Tinto Brass seine eigene Billigversion "La Casa Privata Per le SS" (1977) vor und drei Jahre nach "Ilsa, She Wolf of the SS" (1974) folgte "KZ 9 - Lager di Stermino" (1977). Es folgten Abstecher in die seit "Mondo Cane" (1962) noch immer boomende Mondo-Ecke mit "Le Notti Porno Nel Mondo" (1978) und "Le Aberrationi" (1979), ehe er mit "Virus" (1980) auf die dank Romeros "Dawn of the Dead" (1978) beginnende Zombiewelle aufgesprungen ist, die Dario Argento mit der europäischen Version des Stoffes und Lucio Fulci mit "Zombi 2" in Italien entfacht haben; hier zeigt sich sein Hang zur Verwertung von vorgefundenen Ideen in besonders extremer Form: Vereinzelte Szenen sind dem Mondo-Streifen "Nuova Guinea: L'isola dei cannibali" (1974) von Akira Ide entliehen, der Soundtrack stammt aus "Dawn of the Dead" und "Contaminazione" (1980), vereinzelte Handlungsabläufe greifen Vorbilder aus "Dawn of the Dead" wieder auf - dass sich Bruno Mattei hier erstmals sein gängigstes Pseudonym Vincent Dawn zulegte, mutet bei soviel "Dawn of the Dead" schon wie ein augenzwinkernder Insider an.
Dieses Zusammenklauben von bereits Dagewesenem etablierte sich schnell als Markenzeichen und beinahe jeder Film sprang auf andere, halbwegs erfolgreiche Filme an und auf, um an diesem Erfolg noch teilhaben zu können: "L'Altro Inferno" (1980) und "La Vera Storia della Monaca di Monza" (1980) beuteten als späte Nunploitation-Vertreter auch diese Sparte aus, Tinto Brass wurde ein weiteres Mal ausgenutzt um seinem Skandalerfolg "Caligola" (1980) ein "Caligola E Messalina" (1981) hinterherzuschieben, bei dem auch Antonio Passalia und Jean-Jacques Renon beteiligt waren, und mit "Emanuelle Reportage da Un Carcere Femminile" (1982) und "Violenza in Un Carcere Femminile" (1983) folgten zwei Mischungen aus den seit einigen Jahren beliebten Frauengefängnisfilmen und der Black Emanuelle Reihe - tatsächlich waren beide Filme mit Laura Gemser besetzt worden. "Rats - Notte di terrore" (1984) wurde hierzulande als "The Riffs III - Die Ratten von Manhattan" vermarktet, tatsächlich ließ Mattei aber die ersten Teile von Enzo G. Castellari unangetastet und konzentrierte sich auf die Welle von Endzeitfilmen im allgemeinen.
Als die Filmindustrie in Italien langsam aber spürbar in den 80er Jahren erschlaffte, verlagerte sich Mattei auch darauf auf Klassiker zu schielen, die bereits etwas zurücklagen: "Scalps, venganza india" (1987) kopierte Szenen aus "Soldier Blue" (1970), "Strike Commando 2" (1987) orientierte sich in einer Sequenz an Spielbergs "Raiders of the Lost Ark" (1981), 1988 versuchte er mit dem von Fulci übernommenen Projekt "Zombi 3" an die längst abgeflaute Zombie-Welle anzuknüpfen und bedient sich dabei aber auch bei Hitchcocks "The Birds" (1963) und mit "Robot da Guerra" (1988) plünderte er ebenso "Terminator" (1984) wie "Alien" (1979) und 1995 knüpfte er mit "Cruel Jaws" unverhohlen an Castellaris "L'Ultimo Squalo" (1981) und Spielbergs "Jaws" (1975) an.

Freilich war seine Zeit Mitte der 90er bereits abgelaufen, das Schicksal musste er mit den eingangs genannten Kollege teilen; anders als diese konnte er jedoch auch in seinem Heimatland kaum noch punkten und zu Beginn des neuen Jahrtausend hätten wohl nur eingefleischte Liebhaber einschlägiger Filmkost zu sagen vermocht, ob Mattei überhaupt noch lebte. 2003 kehrte Mattei dann überraschend wieder auf die Bildfläche zurück, nachdem er in mehr als einem halben Jahrzehnt Softsexfilmchen und Dramen inszeniert hatte, die Italien kaum verließen. In rascher Folge drehte Mattei vor seinem Tod im Jahre 2006 eine Reihe von Exploitationreißern, die sich zum Großteil wieder an den Filmen seiner Anfangszeit orientierten (erfreulicherweise mied er dabei die Sadiconazista-Sparte, aber es ist ungewiss, ob und was er zu diesem Thema noch vorgelegt hätte, wenn er Rob Zombies Fake-Trailer für das Grindhouse-Projekt und erste Anzeichen einer neuen, wenngleich weniger extrem Lageralltag-orientierten Welle - etwa "Der goldene Nazivampir von Aswang 2 - Das geheimnis von Schloss Kottlitz" (2007) oder "Dod sno" (2009) - miterlebt hätte): Jahre bevor Deodato sich im Zuge des Erfolgs von "Hostel" (2005) daran machte, ein Remake oder Sequel seines "Cannibal Holocaust" (1980) auf die Beine zu stellen - Anfang 2007 gab Relevant Entertainment den Erwerb der Rechte bekannt und seit dem verschiebt sich das anstehende Erscheinungsjahr des neuen Kannibalenfilms von Deodato systematisch nach hinten - inszenierte Mattei mit "Mondo Cannibale" (2003) selbst etwas derartiges, weshalb der Alternativtitel "Cannibal Holocaust 2" nicht von ungefähr kommt.
Mit "Nella terra dei cannibali" (2003) folgte ein weiterer neuer Kannibalenfilm, sein kurz entstandener "Snuff Killer - La morte in diretta" (2004) orientierte sich dann wieder an einem modernen Film und nahm sich Schumachers "8MM" (1999) zum Vorbild und auch mit "La Tomba" (2004) wandelte er auf den Spuren des relativ jungen Blockbusters "The Mummy" (1999). Dann jedoch knüpfte er nochmal an die Frauengefängnisfilme der 70er und frühen 80er Jahre an und drehte "Anime perse" (2006); und mit "L'Isola dei morti viventi" (2006) samt Sequel "Zombi: La creazione" (2007) nahm er sich nochmals der Zombiewelle vergangener Zeiten an, die sich seit Zack Snyders "Dawn of the Dead" (2004) zu wiederholen scheint.
Knüpften jedoch viele Filme dieser erneuten Welle (entweder durch Titel, durch Cover oder durch die Handlung) vor allem an Romeros Zombietrilogie an, die er selbst mittlerweile weiterentwickelt hat, oder orientierten sie sich zumindest an den visuellen und strukturellen Vorgaben des derzeitigen US-Kinos, besinnt sich Mattei überwiegend wie schon bei seinen Kannibalenepen auf die Hochzeit des Italo-Horrors zurück - auch wenn er die Handlung von "L'Isola dei morti viventi" mit Anleihen bei "The Fog" (1980) inszenierte und mit direkten Bildzitaten aus "Interview with the Vampire" (1994) ausstattete, um ihn mit "Zombi: La creazione" als Remake von James Camerons "Aliens" (1986) fortzusetzen, dem er sich mit seinem "Terminator 2" (1989) - der freilich auch bei "Terminator" plündert - bereits gewidmet hatte.

Und so erinnert Matteis erneuter Einstieg ins Zombie-Subgenre eher an italienische Vertreter der 80er Jahre als an zeitgenössische Werke... lediglich die Bildqualität dieser Videoproduktion ist ganz der aktuellen Situation verschrieben und verhindert eine hunderprozentig stimmige Version der alten Vorbilder.
Die Handlung [Achtung: Spoiler] bietet selbstverständlich nichts neues und eine Gruppe von Schatzsuchern verschlägt es auf eine Insel, auf welcher sie alsbald festsitzen und das nichtmal alleine sondern zusammen mit lebenden Toten, die hier als Zombies, als vampirische Geister im Stile von Antonio Margheritis "Nella stretta morsa del ragno" (1970) und als Skelette im Stile der reitenden Leichen aus Amando de Ossorios "La Noche del terror ciego" (1971) ihr Unwesen treiben. Schuld an deren Treiben ist ein Schiffsunglück im dichten Nebel im Jahre 1688, bei dem die Inselbewohner die Crew ertrinken ließen um sich deren Schatz zu rauben; unglücklicherweise steht irgendwo geschrieben (wo genau, das verschweigt uns Mattei... dass er selbst jedoch bei John Carpenter und Debra Hill abgeschrieben hat, liegt auf der Hand), dass die Opfer dieser Schandtat mit dem Nebel zurückkommen werden um Rache zu nehmen und dies geschieht auch gleich im "Prolog" des Films, der sich erst später rückblickend erschließt, denn nach diesem Verbrechen kam es zu einer Epidemie, bei der sich die Verstorbenen wieder erhoben haben und da die Toten nicht im geweihten Boden bestattet worden sind, treiben sie noch heute ihr Unwesen.

Abgesehen von geborgten Handlungselementen wartet Mattei aber auch mit visuellen Anleihen auf, die hier anscheinend erstmals als offensichtliche Hommage angelegt sind: So beginnt der - anfangs für Matteis Verhältnisse wirklich hübsch beleuchtete - Film mit der Urszene des italienischen Zombiefilms, denn wie schon zu Beginn von Fulcis "Zombi 2" erhebt sich auch hier ein verschnürter Leichnam, der sofort von einem Kopfschuss gerichtet wird (00:02:20). Hier wäre es sicherlich noch möglich, ein weiteres mal von Mattei-typischer Abkupferung zu sprechen, im Verlauf des Films wird jedoch mit solchen Zitaten und den beim Zuschauer aufkommenden Erwartungshaltungen durchaus gespielt - wenn einer Protagonistin plötzlich ein Zombie ins Haar greift und sie beim Versuch, sie durch eine Holztür zu zerren, mit dem Auge gefährlich nah an einen dicken Holzsplitter von beträchtlicher Länger heranführt (00:56:44), dann weiß der Fulci-gestählte Zuschauer was er erwarten darf und wird auch sofort genarrt, denn sie kann sich aus der brenzligen Lage befreien; und kurz darauf zitiert Mattei dann seinen eigenen "Virus" und lässt einen seiner Protagonisten wie dereinst Franco Garofalo (aka Frank Garfield) durchdrehen und den Zombies den eigenen Arm zwischen die Zähne halten, während er unter ihnen effektvoll aufräumt (00:58:00) - doch während Garofalo damals ungeschoren davonkam, wird diesmal Dummheit sofort bestraft. Hier sind die Anflüge von Ironie kaum noch zu übersehen und irgendwie wirkt es dann auch versöhnlicher, wenn Mattei etwa Attacken kuttentragender Skelette inszeniert wie Szenen aus "La Noche del terror ciego" (01:18:15) oder aus "Interview with the Vampire" (1994), aus dem sich Mattei auch gleich noch kurze Ausschnitte borgt. Dieser Film, der wieder an die 80er anknüpft, spielt eher mit Zitaten, die die Zielgruppe kennen sollte, als dass er sie für eigene Zwecke ausbeutet. (Deutlich macht dies auch der Friedhofsgag aus "Night of the Living Dead" (1968), den Mattei hier 1:1 wiederholt.)

Deshalb ist "L'Isola dei morti viventi" dennoch kein rundum gelungener Film, denn einige Schwächen sind unübersehbar: Unlogik lauert an allen Ecken und Kanten, Verhaltensweisen sind stellenweise nicht nachvollziehbar und die Darsteller haben - gerade in humoristisch angehauchten Szenen - so ihre Schwierigkeiten. (Eine Ausnahme wäre womöglich noch der durchaus charismatische Darsteller des Captains, der vermutlich nicht völlig ohne Hintergedanken auf den Rollennamen Kirk horcht...) Tatsächlich sind vor allem die humoristischen Momente ein ziemliches Übel, denn wer sich an die zotigen Sexgags und die derben Anflüge von Fäkalhumor aus "Virus" erinnert, weiß welche Untiefen Mattei in dieser Beziehung beschreitet. Und so verwundert es nicht, dass auch hier Humorpotential daraus gezogen werden soll, dass eine der Hauptfiguren beim Sonnenband von einer Möwe verdreckt wird. Auch dass einer der Protagonisten beim Anblick einer ausgerissenen Hand vor entsetztem Staunen kurzzeitig zur Gegenwehr unfähig ist (00:31:07), soll zwar zum Lachen reizen, erweist sich jedoch als Fehlzünder. Zudem gibt es hier den beinahe schon obligatorischen, albern-nervtötenden Charakter, der immerhin eines der ersten Opfer wird.
Einige der ernsteren Szenen, in denen Mattei langsam die Bedrohung aufbauen will, erweisen sich zudem als ähnlich unbeholfen und begnügen sich damit, Zombies seitlich ins Bild wanken und ihre Köpfe langsam gen Kamera drehen zu lassen (00:18:20) oder aber sie in schier endlosen Einstellungen in Zeitlupe umherkriechen, die Augen rollen und die Zähne fletschen zu lassen (00:37:59-00:38:54). In solchen Szenen erreicht Mattei bescheidenes Amateur-Niveau, das man hätte vermeiden können. Ein paar schlampige Effekte - etwa bei den wandelnden Skeletten, bei denen man hinter aufgemalten Zähnen bisweilen noch die echten sehen kann oder auch bei den Kopfschüssen auf einfachstem Niveau - runden den Negativeindruck noch etwas ab.
Dafür gibt es aber auch wieder genug Effekte, die durchaus überzeugen können und wer handgemachten Splatterszenen etwas abgewinnen kann, dürfte hier stellenweise gut bedient sein: wenn die Untoten einem Opfer den Arm abreißen und dabei langsam das Fleisch vom Knochen schälen, dann ist das für eine 'FSK: 16' Freigabe durchaus harter Tobak; auf Subgenre-übliche Ausweidungsszenen wurde jedoch verzichtet.

Alles in allem weist der Film eindeutig mehr Schwächen als Pluspunkte auf, wer sich mit einer nicht immer ganz logischen Handlung und einem relativ bescheidenen Budget anfreunden kann, bekommt immerhin eine halbwegs vergnügliche, filmische Geisterbahnfahrt auf niedrigem Niveau geboten.
Insofern sind 4/10 durchaus drin und Liebhaber der Blütezeit des italienischen Horrorfilms dürften vermutlich geneigt sein des Nostalgiefaktors wegen einige Bonuspunkte zu vergeben.

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